JudikaturJustiz2Ob34/95

2Ob34/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Mai 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter V*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Hansjörg Fink ua, Rechtsanwälte in Kufstein, der Nebenintervenientin auf Seite der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, diese vertreten durch Dr.Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Willi B*****, *****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann, Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert S 236.750 sA), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 31.Jänner 1995, GZ 1 R 359/94-32, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3.Oktober 1994, GZ 10 Cg 269/93m-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin die mit je S 11.430 (darin S 1.905 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger fuhr am 19.10.1992 gegen 6.50 Uhr mit seinem PKW Toyota Celica auf der Bundesstraße 171 von Kundl in Richtung Wörgl. Hinter ihm fuhr der PKW Ford Escort des Siegfried W*****. Der Kläger geriet mit dem von ihm gelenkten PKW ins Schleudern, stieß in der Folge gegen den PKW des W***** und daraufhin auch noch gegen den entgegenkommenden, von Vojan Z***** gelenkten PKW. Der PKW des Klägers erlitt einen Totalschaden; er selbst wurde schwer verletzt (Verrenkungsbruch des linken oberen Sprunggelenkes mit supramalleolärer Wadenbeinfraktur, Bruch des Innenknöchels, Verrenkung des Sprungbeines nach außen, Gehirnerschütterung, Wunde an der Unterlippe, Abschürfungen). Die Beklagte betreibt im Bereich der Unfallstelle neben der Bundesstraße 171 einen LKW-Abstellplatz, für den sie eine Betriebsanlagengenehmigung besitzt.

Der Kläger brachte vor, er sei durch die Vereisung der Bundesstraße im Bereich der Ausfahrt zum Grundstück der Beklagten überrascht worden. Die Bundesstraße sei ansonsten überall völlig trocken gewesen. Als im Bereich dieser Ausfahrt der vor dem Kläger fahrende Siegfried W***** sein Fahrzeug abgebremst habe, habe auch der Kläger bremsen müssen. Dabei sei er auf der vereisten Fläche ins Schleudern geraten, gegen den PKW des W***** gestoßen und in der Folge auch mit dem entgegenkommenden PKW des Z***** kollidiert. Ursache der Vereisung sei es gewesen, daß am Morgen des 19.10.1992 rund 26 LKW-Züge vom Abstellplatz der Beklagten in die Bundesstraße eingefahren seien. Dabei hätten sie Wasser von den Planen (nach einem Schneefall) auf die Straße entleert. Zufolge eines späteren Frosteintrittes sei das Wasser zu Eis gefroren. Dieses Verhalten widerspreche § 92 StVO und allgemeinen Schadenersatzgrundsätzen. Es bestehe hiefür die Haftung der Beklagten als Inhaberin eines gefährlichen Betriebes. Die Beklagte hafte auch nach §§ 1313 a und 1315 ABGB. Sie habe eine Gefahrenquelle geschaffen und sei damit nach dem Ingerenzprinzip zu deren Beseitigung verpflichtet. Der Beklagten sei durch mehrfache Hinweise das Entstehen dieser Gefahr bereits in der Vergangenheit bekannt geworden. Mit der Vereisung habe die Beklagte auch rechnen müssen, da die Temperatur am 19.10.1992 in den Morgenstunden ständig unter Null Grad gelegen habe. Darüber hinaus habe es bereits am 18.10.1992 geschneit und habe es gegen 19 Uhr eine Temperatur von Null Grad gehabt. Die Vereisung im Unfallsbereich könne nur von den LKWs der Beklagten stammen, da nur deren LKWs von allen Lastkraftwagen, welche die Ausfahrt benützen, mit einer Plane ausgerüstet seien. Von diesen Planen sei das aufgestaute Wasser beim Losfahren auf die Straße abgeronnen. Der Kläger ließ sich jedoch ein Eigenverschulden von 50 % am Zustandekommen des Unfalles anrechnen. Er begehrte dementsprechend ein Schmerzengeld für seine schweren Verletzungen von S 125.000,--. Darüberhinaus begehrt er noch für Sachschäden und Spesen S 87.000,--. Schließlich stellte er auch ein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, da Spätschäden auf Grund des Unfalles nicht auszuschließen seien.

Die Beklagte wendete ein, daß sie ihren LKW-Abstellplatz nach Maßgabe der behördlichen Genehmigung betreibe. Eine Verunreinigung der Bundesstraße sei nie erfolgt. Die Benützung der Bundesstraße erfolge durch sie und ihre Fahrer wie durch andere Verkehrsteilnehmer auch. Für die Vereisung der Bundesstraße, bzw die Beseitigung der Vereisung sei der Straßenerhalter zuständig bzw habe der Kläger selbst auf eine derartige Vereisung achten müssen. Dieser sei mit offensichtlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren und daher selbst am Zustandekommen des Unfalles schuld. Für die Beklagte sei die Vereisung am 19.10.1992 ungewöhnlich und nicht vorhersehbar gewesen. Ein Absinken der Temperaturen unter Null Grad sei von vornherein nicht erkennbar gewesen. Noch weniger sei erkennbar gewesen, daß eine Vereisung der Bundesstraße durch das Befahren der LKWs der Beklagten drohe. Es sei auch nicht geklärt, ob die Vereisung von Fahrzeugen der Beklagten oder anderen herrühre. Werde nämlich Wasser von außerhalb der Bundesstraße auf diese mit den Reifen der LKWs mitgenommen, könne es genauso zu einer Vereisung kommen. Diese Vereisung könne damit also auch durch LKWs eines benachbarten Unternehmens herbeigeführt worden sein. Die Fahrzeuge der Beklagten seien bereits am 18.10.1992 ab 22 Uhr losgefahren, während die Fahrzeuge des Nachbarunternehmens am Morgen des 19.10.1992 vor 6 Uhr gefahren seien.

Das Erstgericht gab dem Begehren auf Zahlung von S 212.000 sA hinsichtlich eines Teilbetrages von S 186.750 sA Folge, ebenso dem Begehren auf Feststellung, daß die Beklagte dem Kläger für künftige Schäden aus dem Unfall vom 19.10.1992 zu 50 % hafte. Ein Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrags von S 25.250 sA wurde unbekämpft abgewiesen. Es ging hiebei unter anderem von folgenden Feststellungen aus:

Die Vereisung begann in Fahrtrichtung des Klägers gesehen genau im Bereich der Ausfahrt aus den LKW-Abstellplätzen und führte weiter Richtung Osten. Als W***** mit seinem PKW am Beginn der Vereisung war, fuhr der Kläger mit seinem PKW auf das Fahrzeug des W***** auf. Im Zuge dieser Kollision wurde das Fahrzeug des W***** nach vorne gestoßen und um 180 Grad im Uhrzeigersinn gedreht, ca 300 m östlich der Kollisionsstelle erreichte es schließlich seine Endstellung. Der Kläger selbst geriet mit seinem PKW in der Folge ins Schleudern und auf die Gegenfahrbahn, wo er frontal gegen den von Z***** gelenkten PKW prallte. Der Aufprall des Fahrzeuges des Klägers auf das des W***** fand rund 20 m östlich der Einfahrt, bereits auf der vereisten Fläche statt, wobei dieses unfallskausale Auffahren des Klägers aus fahrtechnischer Sicht nur mit einem Reaktionsverzug des Klägers bzw mit der Einhaltung eines fahrtechnisch nicht ausreichenden Tiefenabstandes in Verbindung mit einer örtlich stark vereisten, nicht gestreuten Fahrbahn im Unfallsbereich zu erklären ist. Infolge dieses Aufpralles geriet der Kläger in einen für ihn nicht kontrollierbaren Schleuderzustand. In der Nacht vom 18. auf den 19.10.1992 haben 26 LKWs der Beklagten den in Rede stehenden Abstellplatz verlassen. Alle diese LKWs waren LKW-Züge mit Planen. Andere Firmen, die denselben Zubringer zur Bundesstraße benützen, verwenden keine Fahrzeuge mit Planen. Auf den LKWs und deren Planen sammelt sich Wasser und Schnee, wobei Wasser und Schnee beim Einbiegen der LKWs in die Bundesstraße vom LKW herunter auf die Straße gelangen. Der Beklagten ist dieses Problem bekannt, sie hat ihren Fahrern die Weisung erteilt, am Firmengelände ein Stück zu fahren und dann eine starke Bremsung durchzuführen, damit die Wasser- und Schneereste herunterfallen. Ob dies die Fahrer tatsächlich so machen, wird von der Beklagten nicht kontrolliert. Aber selbst wenn dies die Fahrer einhielten, würde trotzdem Wasser von den LKWs auf die Bundesstraße transportiert werden. Die Beklagte unterhält jedoch keinen Streudienst, sie hat auch keine Anweisung gegeben, daß im Bereich der Einfahrt zur Bundesstraße zu streuen ist, wenn Wasser auf die Fahrbahn gelangt. In der Nacht gibt es am Parkplatz der Beklagten keine Aufsicht. Wenn die LKW-Fahrer der Beklagten am Ende des Wochenendfahrverbotes gegen 22 Uhr ihre Fahrzeuge abholen, fahren sie einfach damit weg. So ist es auch in der Nacht vom Sonntag, den 18.10.1992 auf Montag, den 19.10.1992 geschehen, wobei möglicherweise zwei Fahrzeuge erst gegen 3 Uhr oder 4 Uhr am Morgen des 19.10.1992 das Betriebsgelände verlassen haben. Die Vereisung selbst befand sich nicht nur auf der Bundesstraße, sondern bereits in jenem Bereich, der im Einmündungstrichter aus dem Abstellplatz in die Bundesstraße liegt, dort wo die LKWs der Beklagten in die Bundesstraße einbiegen müssen. Die Vereisung wurde jedenfalls von den LKWs der Beklagten verursacht. Am 18.10.1992 regnete es im Bereich Kundl/Wörgl, ab ca 9 Uhr ging der Regen in Schneefall über, anschließend bis ca 13 Uhr in Schneeregen. Danach war es bis zu den Morgenstunden des 19.10.1992 niederschlagsfrei. Die Lufttemperatur betrug um 24 Uhr am 18.10.1992 Null Grad, um 2 Uhr des 19.10.1992 minus 1,5 Grad, um 4 Uhr minus 2 Grad, um 6 Uhr minus 2 Grad, um 7 Uhr minus 3 Grad. Die Einmündung bzw die Ausfahrt aus dem Abstellplatz der Beklagten ist öfter eisig, da die Stelle im Schatten liegt und immer wieder LKWs aus- und einfahren.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß jede die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdende Verunreinigung der Straße gemäß § 92 Abs 1 StVO verboten sei. Dies gelte auch für das Ausgießen von Flüssigkeiten bei Gefahr einer Glatteisbildung. Bei dieser Bestimmung handle es sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB. Der Kläger habe nun die Übertretung der Schutznorm durch die Beklagte bewiesen, nachdem durch die LKWs Wasser und Schnee auf die Straße transportiert worden seien, was zur Eisbildung geführt habe. Die Beklagte habe ihrerseits den sie treffenden Beweis nicht erbracht, daß sie sich vorschriftsmäßig verhalten habe, bzw der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten auf ihrer Seite in gleicher Weise eingetreten wäre. Dem Kläger sei vorzuwerfen, daß er entweder mit überhöhter Geschwindigkeit oder mit einem zu geringen Tiefenabstand zu dem vor ihm fahrenden PKW des W***** gefahren sei bzw verspätet reagiert habe. Das Gewicht des beiderseitigen Verschuldens sei gleich groß. Die Ansprüche des Klägers seien daher um die Mitverschuldensquote von 50 % zu kürzen. Der zu ersetzende Sachschaden betrage somit S 86.750. An Schmerzengeld gebühre dem Kläger unter Einbeziehung der künftigen, bereit jetzt vorhersehbaren Schmerzen noch ein Betrag von S 200.000 als Globalentschädigung. Entsprechend der Kürzung um die Mitverschuldensquote würden ihm daher aus diesem Titel S 100.000 zustehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte zur Rechtsfrage folgendes aus:

Gegen eine Verschuldensteilung im Ausmaß von 50 % bestünden keine Bedenken (OLG Innsbruck ZVR 1994/112; ZVR 1982/159; SZ 39/214). Was das Abfließen von Stauwasser von den Planen der LKWs auf die Bundesstraße betreffe, so bestünden auch keine Bedenken, dies unter den Begriff des Ausfließens von Flüssigkeiten bei Gefahr einer Glatteisbildung zu subsumieren. Regenfälle seien zum Unfallszeitpunkt nicht mehr gegeben gewesen. Die Straße sei trocken und nicht vereist gewesen. Während der Niederschläge des Vortages sei offenbar die Luft- und Bodentemperatur noch nicht so weit abgesunken gewesen, daß die Gefahr von Glatteisbildung bestanden habe. Durch das für den Kläger als Autofahrer nun völlig überraschende Auftreten von Glatteis zufolge des Wasserabrinnens von den LKW-Planen sei es zu einer die Sicherheit der Straßenbenützer gefährdenden Vereisung der Fahrbahn gekommen. Die Beklagte hafte als Unternehmer für die beim Ausfahren aus ihrem Betriebsgelände durch eine Vielzahl von LKWs verursachte Vereisung der Fahrbahn. Der Beklagten sei bekannt gewesen, daß nach Regen- und Schneefällen beim Losfahren bzw Einbiegen der auf dem Firmengelände geparkten LKWs in den Bereich der Bundesstraße Wasserabflüsse auftreten; sie habe ja auch eine entsprechende Weisung an die Fahrer erteilt, durch starkes Bremsen unmittelbar nach dem Anfahren, jedoch noch vor Einfahrt in die Bundesstraße für ein Abfließen dieses Stauwassers zu sorgen, habe die Einhaltung der Weisung aber nicht überwacht, sodaß sich - nach dem erheblichen Umfang der Vereisung auf der Bundesstraße zu schließen - die Mehrzahl der Fahrer an diese Weisung nicht gehalten haben dürfte. Letztlich sei auch keinerlei Sorge dafür getragen worden, daß im Falle einer - trotz aller angeordneten Vorsichtsmaßnahmen auch einmal möglichen - Vereisung diese durch Streuung mit Salz oder Split beseitigt werde. Es sei also der Beklagten ein gleichgewichtiges Verschulden für ihr Fehlverhalten aufzuerlegen wie dem Kläger selbst. Daß die Vereisung bei Schneefall am 18.10.1992 und Temperaturen um Null Grad und tiefer am 19.10.1992 unvorhersehbar gewesen sei, könne dabei auch nicht gesagt werden. Schließlich bestünden auch gegen die Zumessung des Schmerzengeldbetrages keine Bedenken. Ein Schmerzengeld von S 200.000 liege bei den Verletzungen und Verletzungsfolgen, wie sie beim Kläger aufgetreten seien, zwar nicht gerade an der Untergrenze des dem Erstgericht zuzubilligenden Spielraums, erscheine jedoch als vertretbar, insbesonders im Hinblick auf die Dauerschäden in Form künftiger Schmerzen und einer Beinwertminderung von 20 % (bzw Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 10 % für die Zukunft). Dabei sei zu bedenken, daß der Kläger zum Unfallszeitpunkt erst ein Lebensalter von 22 Jahren erreicht gehabt habe, sodaß ihn die zukünftig zu erwartenden Beschwerden über einen - ausgehend von der statistischen Lebenserwartung - langen Zeitraum belasten würden.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger und die Nebenintervenientin beantragen in den ihnen freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision nicht für zulässig zu erklären bzw ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine unmittelbar einschlägige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte macht geltend, das Abfließen von Regenwasser stelle keine Verunreinigung im Sinne des § 92 StVO dar. Sie selbst habe keine Verunreinigung vorgenommen. Die Bestimmung des § 92 StVO richte sich nicht gegen den Betreiber eines Güterbeförderungsgewerbes sondern gegen den Lenker eines Fahrzeuges, allenfalls gegen den Halter; als solcher sei die Beklagte aber nicht in Anspruch genommen worden. Für die Annahme eines Verschuldens reiche die in der Vergangenheit liegende Beobachtung, daß Wasser von den Planen bzw Schnee von den LKWs auf die Fahrbahn transportiert werde, nicht aus. Der Geschäftsführung der Beklagten sei es nicht zuzumuten, zu später Stunde zu kontrollieren, ob die ausfahrenden LKW-Fahrer die ihnen erteilten Weisungen einhalten. Der Vorfall sei für die Beklagte unvorhersehbar gewesen; mit einer Vereisung habe nicht gerechnet werden müssen. Im Hinblick auf den Verstoß des Klägers gegen elementare Grundsätze der Straßenverkehrsordnung sei ein allfälliges Verschulden von Mitarbeitern der Beklagten bei der Verschuldensaufteilung zu vernachlässigen. Ein Schmerzengeld von maximal 150.000 S (ungekürzt) wäre angemessen gewesen.

Hiezu wurde erwogen:

Vorweg ist den Vorinstanzen zuzustimmen, daß auch das Abfließenlassen des auf LKW-Planen befindlichen Wassers im Zuge des Einbiegens unter "Ausgießen von Flüssigkeiten" im Sinne des § 92 Abs 1 StVO subsumiert werden kann; es macht im Hinblick auf den Normzweck keinen Unterschied, ob eine Flüssigkeit auf diese Weise oder aus einem Gefäß oder Schlauch auf die Straße gelangt. Normadressat der Bestimmung ist jeder potentielle Verunreiniger der Straße.

Selbst wenn man der Beklagten zugute hält, daß sie (ihre Geschäftsführung) als Betreiberin eines LKW-Abstellplatzes die "Verunreinigung" der angrenzenden Straße nicht selbst herbeigeführt hat und vom Kläger nicht als Halter von Kraftfahrzeugen in Anspruch genommen wurde, ist für sie nichts gewonnen: Über die konkreten Schutzvorschriften hinaus sind nämlich die sogenannten Verkehrssicherungspflichten zu beachten, deren schuldhafte Verletzung Ersatzpflichten auslöst. Es ist in Lehre und Rechtsprechung allgemein anerkannt, daß derjenige, der im Verkehr eine Gefahrenquelle schafft oder in seiner Sphäre bestehen läßt (Ingerenzprinzip), im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren zu schützen, also jene Vorkehrungen zu treffen hat, die geeignet sind, eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit hintanzuhalten (JBl 1990, 113; JBl 1991, 647 uva; Koziol, Haftpflichtrecht II2 57 ff; Reischauer in Rummel2 § 1294 ABGB Rz 4 f mwN). Für die Festlegung der Pflichten müssen die Größe der Gefahr und das Verhältnis zwischen den gefährdeten Interessen und den erforderlichen Abwehrmaßnahmen berücksichtigt werden (Koziol aaO 62).

Dem hier zu beurteilenden Sachverhalt kommt in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes der in SZ 47/124 entschiedene Fall am nächsten. Damals war der Betreiber einer Planie aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten haftbar gemacht worden, weil durch die Fahrzeuge der Ablagerer im Bereich der Planieausfahrt die öffentliche Straße derart verschmutzt wurde, daß ein Benützer derselben zu Schaden kam. Eine Verkehrssicherungspflicht treffe auch den, der von einem seiner Verfügung unterstehenden Grund und Boden aus eine Gefahrenquelle auf eine der Öffentlichkeit zugängliche Verkehrsfläche wirken lasse (vgl auch ZVR 1987/104).

Im vorliegenden Fall ist eine solche Gefahrenquelle darin zu sehen, daß vom LKW-Abstellplatz der Beklagten eine große Anzahl von LKWs auf die Bundesstraße einzubiegen pflegt, wobei nach Niederschlägen Wasser und Schnee von den Planen auf die Fahrbahn gelangen, was bei Frost - wie er nach den festgestellten Wetterbedingungen durchaus zu erwarten war - zu Glatteisbildung führen kann. Die Größe dieser Gefahr wird insbesondere aus den beim Akt befindlichen Lichtbildern, die eine ausgedehnte Vereisung der ansonst trockenen Fahrbahn im Einbiegebereich zeigen, deutlich; es ist eine "Eisfalle" entstanden. Das Problem war der Beklagten als Betreiberin des Abstellplatzes bekannt; die konkrete Frostgefahr war für sie erkennbar. Die von ihr als Gegenmaßnahme erteilte Weisung an die Fahrer, bereits auf dem Firmengelände eine Bremsung durchzuführen, damit Wasser- und Schneereste herunterfallen, war schon deshalb unzureichend, weil keine Kontrolle erfolgte. Abgesehen davon wäre auch bei Einhaltung der Weisung Wasser auf die Bundesstraße befördert worden. Angesichts der insbesondere durch die Wetterlage, die Vielzahl der ausfahrenden LKWs und die Lage des Abstellplatzes bedingten Größe der Gefahr wäre es der Beklagten ohne Überspannung von Sorgfaltspflichten zumutbar gewesen, für eine Entfernung des aus den vorangegangenen Niederschlägen stammenden Wassers von den LKW-Planen vor der Ausfahrt auf die sonst trockene Fahrbahn der Bundesstraße zu sorgen.

Mit dem Hinweis auf die Nachtzeit kann sich die Beklagte nicht entschuldigen, zumal die Niederschläge bereits um ca 13 Uhr des Vortages aufhörten. Unerheblich für die Beurteilung des konkreten Vorfalles ist auch, ab wann die Nebenintervenientin einen ständigen Winterdienst (für Bundesstraßen) unterhält.

Der Beklagten ist somit eine schuldhafte Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vorzuwerfen. Unter den gegebenen Umständen ist schließlich weder die vorgenommene Verschuldensteilung noch die Bemessung des Schmerzengeldes (wozu die Revision keine weitergehenden Ausführungen enthält) zu beanstanden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.