JudikaturJustiz2Ob321/68

2Ob321/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Dezember 1969

Kopf

SZ 42/186

Spruch

Form und Wirkung der Ansichziehung nach § 191 (2) ASVG.

Entscheidung vom 11. Dezember 1969, 2 Ob 321/68.

I. Instanz: Landesgericht Salzburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.

Text

Unbestritten ist, daß der bei der Beklagten (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) pflichtversicherte Helmut K. am 2. September 1963 als Motorradlenker auf der Gemeindestraße W.-S. durch den Zusammenstoß mit dem von Heinrich F. gelenkten Lastkraftwagen des Johann I. einen Unfall erlitten hat. Heinrich F. ist in diesem Zusammenhange wegen Übertretung gegen die Sicherheit des Lebens nach § 335 StG. schuldig gesprochen worden. Die beklagte Partei hat den Unfall des Helmut K. als Arbeitsunfall anerkannt und dem Genannten die Pflichtleistungen aus der Unfallversicherung erbracht; daneben hat die Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte an den Verletzten Leistungen erbracht. Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer des Johann I. und hat aus diesem Gründe Ersatzansprüche der beiden Sozialversicherungsträger als Legalzessionare nach § 332 ASVG. befriedigt. Sie verlangt nun von der beklagten Partei aus dem Rechtsgrunde des § 1431 ABGB. die Zahlung des Betrages von 19.712.32 S samt Anhang; in dieser Hinsicht sei der Ersatzanspruch nicht der beklagten Partei, sondern der Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, mit der ein Teilungsabkommen bestehe, zugestanden; an die beklagte Partei sei irrtümlich geleistet worden. Die beklagte Partei hat dieses Begehren bestritten.

Das Erstgericht hat das Zahlungsbegehren punkto 19.712.32 S samt Anhang abgewiesen.

Der Berufung der Klägerin, worin diese das Ersturteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung zur Gänze angefochten hatte, hat das Berufungsgericht teilweise Folge gegeben und in Abänderung des Ersturteils die beklagte Partei zur Zahlung des Betrages von 6896.32 S samt Anhang an die Klägerin verurteilt, das Mehrbegehren punkto 12.816 S samt Anhang aber abgewiesen.

Der Oberste Gerichtshof gab keiner der beiden Revisionen Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Im Vordergrund steht die Bedeutung der Regelung des § 191 (2) ASVG. Gemäß § 191 (1) ASVG. werden Unfallheilbehandlung - diese umfaßt nach § 189 (2) ASVG. insbesondere ärztliche Hilfe, Heilmittel, Heilbehelfe und Pflege in Kranken-, Kur- und sonstigen Anstalten - sowie Familien- und Taggeld durch den Träger der Unfallversicherung (diesfalls: die beklagte Partei) nur gewährt, wenn und soweit der Versehrte nicht auf die entsprechenden Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung Anspruch hat. Gemäß § 191 (2) ASVG. kann der Träger der Unfallversicherung die Gewährung der sonst vom Träger der Krankenversicherung zu erbringenden Leistungen der im § 189 (2) bezeichneten Art jederzeit an sich ziehen. Er tritt dann hinsichtlich dieser Leistungen dem Versehrten und seinen Angehörigen gegenüber in alle Pflichten und Rechte des Trägers der Krankenversicherung ein. Der Träger der Unfallversicherung hat in diesen Fällen dem Träger der Krankenversicherung anzuzeigen, daß er von einem bestimmten Tage an die Heilbehandlung gewährt; von diesem Zeitpunkt an hat der Versehrte gegen den Träger der Krankenversicherung keinen Anspruch auf die entsprechenden Leistungen der Krankenversicherung. Nun haben beide Vorinstanzen - in diesem Punkte übereinstimmend - angenommen, daß der sogenannte Erstbericht des Unfallkrankenhauses Salzburg der beklagten Partei die Ansichziehung der Gewährung der Leistungen der Unfallheilbehandlung darstelle, weil dieser Erstbericht den Hinweis auf den Beginn der Behandlung, auf die Tatsache eines Arbeitsunfalls und darauf enthalte, daß die Beklagte Kostenträgerin sei im Zusammenhang mit dem generellen Übereinkommen vom 13. bzw. 17. November 1953, wonach die Gebietskrankenkasse bei Betriebsunfällen eine Aufnahmeanzeige (= Erstbericht) zwecks Anlage eines Krankenfalles erhalte und die Kosten für diese Fälle von der Beklagten getragen würden, sei zwischen der Beklagten und der Gebietskrankenkasse hinlänglich klargestellt, daß die Beklagte ab Behandlungsbeginn die Kosten der Heilbehandlung übernehme. Einer besonderen Form der Ansichziehung im Sinne der Bestimmungen des § 191 (2) ASVG. bedürfe es nicht. Der Umstand, daß die im Erstberichte enthaltene Erklärung der Übernahme der Kosten widerruflich sei, ändere an der Beurteilung nichts. Weil durch die Übernahme der Unfallheilbehandlung durch den Unfallversicherungsträger die Stellung des Versehrten nicht geschmälert werde, bestehe keine Veranlassung zu einer besonders strengen Auslegung der Bestimmungen des § 191 (2) ASVG. Eine Verständigung des Versehrten sei gesetzlich nicht vorgesehen, so daß die Wirksamkeit des Leistungsüberganges von einer solchen Verständigung nicht abhängig sei.

Was die Klägerin gegen diese Beurteilung in dritter Instanz vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Richtig ist, daß in dem Falle, in welchem ein Unfall sowohl für den Krankenversicherungsträger wie auch für den Unfallversicherungsträger eine Leistungspflicht auslöst, der Anspruch gegen den Ersatzpflichtigen aus der Legalzession nach § 332 ASVG. unabhängig von den Bestimmungen über den internen Ausgleich unter den Sozialversicherungsträgern auf jenen Versicherungsträger übergeht, der nach den Bestimmungen des ASVG. dem Verletzten gegenüber unmittelbar und in erster Linie leistungspflichtig ist. Diesbezüglich ist die Rechtslage in Österreich nicht verschieden von jener in der Bundesrepublik Deutschland, worauf sich die Revisionswerberin bezieht (vgl. insbesondere das Erkenntnis des BGBl. vom 17. April 1958, II ZR 198/56, BGHZ. 27/107 ff.). Den Unterschied zwischen der internen Verrechnung der Sozialversicherungsträger untereinander und den Rechtsbeziehungen des Sozialversicherungsträgers nach außen hat aber auch die Berufungsinstanz erkannt und der Beurteilung zugrundegelegt (der Umstand, daß diese Unterscheidung praktisch deswegen von Bedeutung ist, weil zwischen dem Haftpflichtversicherer und dem Krankenversicherungsträger ein Teilungsabkommen besteht, nicht aber im Verhältnis zwischen dem Haftpflichtversicherer und der beklagten Partei als Unfallversicherungsträgerin, ist nur zur Illustration dargelegt, nicht aber als entscheidungswesentlich behandelt worden). Bedenken gegen die Beurteilung der Vorinstanzen in dem zunächst wesentlichen Punkte der Bedeutung des sogenannten Erstberichtes des Unfallkrankenhauses an die Salzburger Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte als Ansichziehung im Sinne des § 191 (2) ASVG. bestehen im konkreten Falle der Heilbehandlung des Helmut K. nach dem Verkehrsunfall vom 2. September 1963 nicht. Denn selbst wenn die Einlieferung des Verletzten ins Unfallkrankenhaus Salzburg bloß auf einen Zufall zurückzuführen war, so ist er doch dortselbst unter dem Gesichtspunkte, es liege ein Arbeitsunfall vor, behandelt worden und diesen Umstand hat der Erstbericht an den Krankenversicherungsträger zum Ausdruck gebracht. Diesem Erstberichte ist daher diesfalls nicht bloß die Bedeutung der im § 145 (2) ASVG. vorgesehenen Anzeige der Aufnahme des Erkrankten seitens der Krankenanstalt an den Versicherungsträger beizumessen. Richtig ist, daß ein Unfallkrankenhaus im allgemeinen nicht berufen ist, Erklärungen namens des Unfallversicherungsträgers abzugeben. Diesfalls handelt es sich aber bloß um die Anzeige des Faktums der Gewährung der Heilbehandlung ab einem bestimmten Tage in einem der beklagten Partei gehörigen Institut an den Träger der Krankenversicherung, so daß der Beurteilung der Untergerichte zu folgen ist. Es trifft auch die Erwägung der Berufungsinstanz in bezug aus einen etwaigen Widerruf der Ansichziehung und seiner Folgen zu. Denn die Qualifikation eines Unfalls als Arbeitsunfalls ist nicht in allen Fällen eindeutig. Die von den Untergerichten diesfalls vorgenommene Beurteilung der Voraussetzungen des § 191 (2) ASVG. ist also zutreffend.

Was aber die Rechtsrüge der beklagten Partei in Ansehung des Zuspruchs von 6856.32 S samt Anhang an die Klägerin seitens des Berufungssenates betrifft, so hat dieser überzeugend dargelegt, daß Krankengeld nicht unter die Kategorie der Leistungen der Unfallheilbehandlung falle und somit diesbezüglich ein Ansichziehen nach § 191 (2) ASVG. nicht in Betracht komme; auch der Hinweis des Berufungsgerichtes auf § 90a (1) ASVG. trifft zu, daß die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezuges mit dem Betrag des Krankengeldes ruhe, wenn der Bezug von Krankengeld mit einem Anspruch auf Versehrtenrente aus der Unfallversicherung zusammentrifft und die Arbeitsunfähigkeit Folge des Arbeitsunfalles ist. Unter diesem Gesichtspunkte hat die Berufungsinstanz den Kondiktionsanspruch der Klägerin mit dem genannten Teilbetrage für begrundet erachtet und zugleich festgehalten, daß eine Zession seitens des Krankenversicherungsträgers an die Beklagte nicht behauptet worden sei. Die beklagte Partei bezeichnet es in der Rechtsrüge als richtig, daß die Regreßlegitimation der Beklagten für das Krankengeld ab der 27. Woche "nicht das geringste mit der Ansichziehung der Heilbehandlung zu tun habe"; das Krankengeld sei vom Krankenversicherungsträger zu leisten, der in diesem Falle regreßberechtigt sei. Die Revisionswerberin rügt aber, daß die Berufungsinstanz die Erwägungen außer acht gelassen habe, aus denen sie trotzdem ab der 27. Woche das Krankengeld regressiere. Das Revisionsvorbringen zu diesem Punkte vermag aber einen Rechtsirrtum der Berufungsinstanz nicht darzutun. Denn, wie bereits oben in einem anderen Zusammenhang ausgeführt, kommt es in bezug auf den Verletzten, den Schädiger und seinen Haftpflichtversicherer nicht auf die interne Verrechnung der Sozialversicherungsträger untereinander an, sondern auf den Umstand, zu welchen Leistungen der Sozialversicherungsträger nach den Bestimmungen des ASVG. dem Verletzten unmittelbar und in erster Linie verpflichtet ist. Der Hinweis der Revisionswerberin auf die von ihr geübte und allgemein bekannte Praxis, ab der 27. Woche auch für jene Leistungen Regreß zu nehmen, die sie intern zurückzahle, hat nur in jenen Fällen Bedeutung, in denen alle Beteiligten daran festhalten. Es ist rechtlich ohne Belang, wenn auf die allen Haftpflichtversicherern bekannte ständige Übung der Krankenkasse und des Unfallversicherungsträgers verwiesen wird. Eine Zession in dieser Hinsicht ist im maßgeblichen erstgerichtlichen Verfahren nicht behauptet worden, auch nicht eine "stillschweigende Generalzession", unter welchem Gesichtspunkte die Regreßberechtigung nunmehr von der Revisionswerberin darzutun versucht wird.