JudikaturJustiz2Ob275/04m

2Ob275/04m – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** AG Co KG, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Hämmerle, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Anton Keuschnigg, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen EUR 29.738,49 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 5. Oktober 2004, GZ 4 R 173/04d 16, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 5. Mai 2004, GZ 41 Cg 181/03s 10, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte zuletzt die Zahlung einer restlichen Werklohnforderung von EUR 29.738,49 sA. Sie habe für die Beklagte Tiefkühlhallen errichtet. Auf Grund des bei der Bauausführung sich ergebenden Verzuges erreiche das (gedeckelte) Pönale 5 % der Auftragssumme, das sind EUR 29.461,80. Wenn auch zugestanden werde, dass der Beklagten weitere Schäden und Kosten entstanden seien, stehe die Klägerin auf dem Standpunkt, dass das Pönale als pauschalierter Schadenersatz den Gesamtschaden abdecke.

Die Beklagte wendete ua Gegenforderungen von EUR 26.745,87 aufrechnungsweise ein. Ihr seien auf Grund der mangelhaften Werkausführung weitere Schäden entstanden, die nichts mit den aus der Bauzeitverzögerung resultierenden Schäden zu tun hätten und daher nicht durch das Pönale abgedeckt seien. Den zunächst wegen unvollständiger Mängelbehebung erhobenen Einwand der mangelnden Fälligkeit ließ die Beklagte wegen nachträglicher Mängelbehebung fallen.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit EUR 23.766,02 als zu Recht bestehend fest, verneinte den Bestand der eingewendeten Gegenforderung und verurteilte die Beklagte zur Zahlung von EUR 23.766,02 samt 5 % Zinsen aus EUR 89.166,02 vom 31. 7. 2001 bis 31. 7. 2002 zuzüglich Zinsen von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 89.166,02 vom 1. 8. 2002 bis 11. 9. 2003 sowie Zinsen von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 23.766,02 seit 12. 9. 2003. Das Mehrbegehren von EUR 5.972,47 samt 5 % Zinsen vom 31. 7. 2001 bis 31. 7. 2002 sowie Zinsen von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. 8. 2002 wurde abgewiesen. Es ging hiebei unter anderem von folgenden Feststellungen aus:

Zwischen den Streitteilen wurde vereinbart, dass bei schuldhafter Überschreitung der Termine je Kalendertag S 10.000, - in Abzug gebracht werden und dass die Ö Norm B 2110 zu gelten hat. Die entsprechende Bestimmung der Ö Norm B 2110 lautet:

"Punkt 2.35. Vertragsstrafe bei Verzug (Pönale)

Punkt 2.35.1 Anspruch

Der Anspruch des AG auf Leistung einer vereinbarten Vertragsstrafe durch den AN entsteht, sobald der AN gemäß 2.34.1 in Verzug gerät und nicht nachweisen kann, dass er für den Verzug nicht hafte; der Nachweis eines Schadens ist nicht erforderlich. Sofern nichts anderes vorgesehen ist, ist die Vertragsstrafe mit höchstens 5 % der Auftragssumme (des zivilrechtlichen Preises) insgesamt begrenzt. Ein über die Vertragsstrafe hinausgehender Schaden ist nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des AN zu ersetzen. ...

Punkt 2.35.2 Berechnung

Ist die Vertragsstrafe nach Tagen festgesetzt, zählt jeder begonnene Kalendertag ..."

Der von der Klägerin für die Betonplatte verwendete Beton entsprach nicht der geforderten Festigkeitsklasse, was umfangreiche Sanierungsarbeiten an Bodenplatte und Estrich nötig machte. Der Klägerin entstanden hiedurch folgende Kosten: S 198.060,27 brutto Sachverständigenkosten, S 102.860, - Abbau und Aufbau der Hochregallager in der Tiefkühlhalle, S 20.000, - Aus und Einlagern, S 1.060, - Erstellung eines Provisoriums für die Bodenschleifmaschine, zweimal S 5.750, - Zwischenlagerung der tiefgekühlten Waren, S 5.830, - Reinigungsarbeiten, S 3.161, - Wiederanbringung der Bodenmarkierung in der Halle, S 6.435, - neuerliche Abkühlung der Halle, EUR 3.788,80 Rechtsberatungskosten.

Nach dem Bauzeitplan hätte die Tiefkühlhalle etwa Mitte Oktober 2000 in Betrieb gehen sollen. Tatsächlich konnte der Vollbetrieb erst im Juni 2001 aufgenommen werden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Klägerin sei mit ihrer Leistung in Verzug geraten, sodass die Beklagte Anspruch auf Leistung der vereinbarten, gemäß Ö Norm B 2110 mit höchstens 5 % der Auftragssumme begrenzten Vertragsstrafe habe. Ein darüber hinausgehender Schaden sei nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit zu ersetzen; solches sei nicht behauptet worden und ergebe sich auch aus keinem Beweismittel. Damit gebühre der Beklagten kein Ersatz des über die vereinbarte Konventionalstrafe hinausgehenden Schadens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, der Berufung der Beklagten hingegen Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, dass die Klagsforderung mit EUR 23.710,27 als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren von EUR 29.738,49 zuzüglich 5 % Zinsen aus EUR 95.138,49 vom 31. 7. 2001 bis 31. 7. 2002 zuzüglich Zinsen von 8 Prozentpunkten über die im jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 95.138,49 vom 1. 8. 2002 bis 11. 9. 2003 und aus EUR 29.738,49 seit 12. 9. 2003 abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision - mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO - nicht zulässig sei und führte zu den Rechtsrügen im Wesentlichen folgendes aus:

Neben dem durch die vereinbarte Vertragsstrafe pauschalierten Verzögerungsschaden könne auch Ersatz der - nicht identen - Schäden wegen Schlechterfüllung begehrt werden. Im vorliegenden Fall solle die vereinbarte Vertragsstrafe jene Schäden pauschalieren, die sich aus der verspäteten Erbringung der Leistung ergeben. Es sei im Verfahren nicht hervorgekommen, dass die Parteien damit auch Schäden aus der Schlechterfüllung abgegolten wissen wollten. Der Schaden, zu dessen Deckung die Vertragsstrafe vereinbart worden sei, sei somit mit jenem Schaden, den die Beklagte durch die Schlechterfüllung erleide, nicht ident. Die Beklagte behaupte Mängelfolgeschäden, also Schäden, die durch eine mangelhafte Leistung verursacht wurden. Für diese Mängelfolgeschäden habe der Unternehmer zu haften, wobei jeder Verschuldensgrad zu einer Schadenersatzverpflichtung führe. Der Besteller sei so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Die vertragswidrige Erfüllung sei vom Besteller zu beweisen. Habe der Unternehmer nicht vertragsgemäß erfüllt und komme die vertragswidrige Erfüllung als Schadensursache in Betracht, so sei es Sache des Unternehmers zu beweisen, dass die Vertragsverletzung nicht kausal für den Schaden gewesen sei. Gelinge dieser Beweis nicht, trete bezüglich des Verschuldens Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB ein. Der Beklagten sei der Beweis des durch die mangelhafte Erbringung des Werkes eingetretenen Schadens gelungen, der Klägerin hingegen der Freibeweis nicht. Sie habe den Beweis, an der Erfüllung ihrer vertragsgemäßen Verpflichtung ohne ihr Verschulden verhindert worden zu sein, gar nicht angetreten. Den Ersatz dieser Mängelfolgeschäden, die der Höhe nach nicht bestritten seien, könne die Beklagte von der Klägerin begehren und als Gegenforderung einwenden.

Die Klagsforderung errechne sich mit EUR 23.710,27, die Gegenforderung mit EUR 26.738,90.

Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Berufung der Beklagten abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, wie die folgenden Ausführungen zeigen werden; sie ist im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerberin macht als Nichtigkeit geltend, das Berufungsgericht habe die Abweisung des Zinsenbegehrens aus dem verspätet bezahlten Betrag von EUR 65.400, - (EUR 89.166,02 - EUR 23.766,02) nicht begründet. Der Zinsenbetrag mache (für die Zeit vom 31. 7. 2001 bis 11. 9. 2003) EUR 6.898,36 und der Differenzbetrag zwischen Forderung und Gegenforderung EUR 3.044,60 aus, sodass dieser Zinsenbetrag auch nicht durch Kompensation erloschen sein könne.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO wäre aber nur gegeben, wenn Entscheidungsgründe völlig fehlen würden oder die Entscheidung sich anhand ihrer Begründung überhaupt nicht überprüfen ließe (vgl Kodek in Rechberger2 § 477 ZPO Rz 12 mwN). Dies ist hier nicht der Fall. Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wird auf den gerügten Umstand noch zurückzukommen sein.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Auch die Rechtsrüge, die von der Beklagten eingewendete Gegenforderung könne nicht zusätzlich zur Konventionalstrafe angesprochen werden, ist nicht berechtigt:

Eine Vertragsstrafenvereinbarung erfasst nur jene Leistungsstörung, für die der Vergütungsbetrag versprochen wurde (Reischauer in Rummel3 § 1336 ABGB Rz 7 mwN; vgl auch Karasek, Ö Norm B 2110 Rz 865), nicht aber andere, nicht identische Interessen (6 Ob 271/97i = EvBl 1998/46). Die hier für den Verzugsfall versprochene Konventionalstrafe erfasst also nicht den hier aufrechnungsweise begehrten Ersatz von Mangelfolgeschäden (positive Vertragsverletzung).

Schließlich beschwert sich die Rechtsmittelwerberin im Rahmen ihrer Rechtsrüge neuerlich über die Abweisung des Zinsenbegehrens aus dem am 11. 9. 2003 bezahlten Betrag von EUR 64.500, . Die Beklagte führt hiezu in ihrer Revisionsbeantwortung aus, der Klägerin würden aus diesem Teilbetrag, der ohnehin auch Verzugszinsen enthalte, keine Verzugszinsen gebühren und verweist hiezu auf die in ihrer Klagebeantwortung gerügten restlichen Mängeln (Risse im Bodenbelag; AS 29). Diese Mängel wurden in der Folge behoben (AS 51, 81). Ob ihr Vorhandensein nicht nur die Zurückbehaltung des Klagsbetrages, sondern auch des Betrages von EUR 65.400, - rechtfertigen konnte und ob hierin Verzugszinsen enthalten waren, lässt sich anhand der bisher getroffenen Feststellungen nicht verlässlich beurteilen und bedarf noch einer Erörterung mit den Parteien.

Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile an das Erstgericht zurückzuverweisen. Von der Fällung eines Teilurteiles wurde wegen Unzweckmäßigkeit abgesehen, weil die rechnerischen Auswirkungen nicht auf der Hand liegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.