JudikaturJustiz2Ob260/02b

2Ob260/02b – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, wider die beklagten Parteien 1. Alois S*****, und 2. W***** Versicherungs AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen EUR 7.757,83 sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgericht vom 14. März 2002, GZ 36 R 73/02g 37, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13. Dezember 2001, GZ 3 C 1536/00w 32, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit EUR 330,11 (darin enthalten Umsatzsteuer von EUR 55,02, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 1. 4. 2000 ereignete sich gegen 20.00 Uhr auf der Landesstraße 5088 ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW und der Erstbeklagten mit dem von ihm gehaltenen und bei der zweitbeklagten Partei haftpflichtversicherten Traktor mit angekoppeltem Düngerstreuer beteiligt waren.

Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien die Bezahlung von S 106.750 sA mit der Begründung, er sei mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h und Aufblendlicht auf der Landesstraße 5088 in Richtung Pyhra gefahren. Außerhalb des Ortsgebietes von Fahra habe er die Scheinwerfer eines neben dem rechten Fahrbahnrand entgegen der Fahrtrichtung stehenden Fahrzeuges bemerkt, welches im Einmündungstrichter einer Gemeindestraße gestanden sei. Er habe seine Geschwindigkeit auf 40 km/h verringert und das Abblendlicht eingeschaltet. Neben dem PKW sei, vorerst für ihn nicht sichtbar, der Erstbeklagte mit seiner Zugmaschine mit angekoppeltem Düngerstreuer auf dem vom Kläger befahrenen Fahrbahnstreifen gestanden. Die Schlussleuchten der Zugmaschine seien durch den Düngerstreuer verdeckt gewesen, weshalb er das Fahrzeug nicht rechtzeitig wahrnehmen habe können. Das Alleinverschulden treffen den Erstbeklagten, der sein Fahrzeug ohne ausreichende Beleuchtung auf der Fahrbahn abgestellt habe.

Durch die Kollision sei am PKW ein Totalschaden entstanden, wofür der Ersatz von S 34.000 begehrt werde; weiters seien An- und Abmeldekosten in der Höhe von S 2.250 und Gendarmeriegebühren in der Höhe von S 500 entstanden. Der Kläger sei bei dem Unfall schwer verletzt worden, weshalb es ihm ein Schmerzengeld von S 70.000 zustehe.

Die beklagten Parteien bestritten und wendeten eine Gegenforderung von S 65.000 kompensando ein. Sie brachten vor, der Erstbeklagte habe sein Zugfahrzeug am rechten Fahrbahnrand angehalten, weil er von Werner S***** aufgehalten worden sei. Die Beleuchtung am Zugfahrzeug sei eingeschaltet gewesen. Der Kläger sei reaktionslos auf den am Fahrbahnrand beleuchtet abgestellten Traktor samt Anhänger aufgefahren. Das Alleinverschulden am Verkehrsunfall treffe den Kläger, welcher nicht reagiert habe. Er habe auch gegen das Gebot des Fahrens auf Sicht verstoßen, weil er eine Geschwindigkeit eingehalten habe, die es ihm nicht ermöglicht habe, innerhalb der Sichtweite bei eingeschaltetem Abblendlicht anzuhalten.

Durch den Verkehrsunfall sei dem Erstbeklagten ein Sachschaden in der Höhe von S 45.000 entstanden, er sei auch verletzt worden und stünde ihm ein Schmerzengeld von S 20.000 zu.

Das Erstgericht sprach aus, die Klagsforderung bestehe mit S 57.300 zu Recht, die eingewendete Gegenforderung mit S 17.800; es verurteilte die beklagten Parteien zur Zahlung von S 39.500 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer S 67.250 samt Zinsen ab.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die in West Ost Richtung verlaufende Landesstraße 5088 ist im Bereich der Unfallsstelle 5 m breit. Die von Norden einmündende Zufahrtsstraße ist apshaltiert und 3,6 m breit. Die Längsausdehnung des Einmündungstrichters beträgt auf der Höhe der Einmündungslinie 18,2 m. Die Unfallsstelle befindet sich im Freilandgebiet, geschwindigkeitsregelnde Verkehrszeichen sind nicht aufgestellt.

Die Gosse des am Traktor des Erstbeklagten montierten Düngerstreuers war symetrisch ausgebildet, sie war an der Vorderseite 1,95 m und an der Rückseite 1,63 m breit, die Länge des Düngerstreuers betrug 1,25 m. Der Düngerstreuer war am Hubwerk des Traktors montiert. Dieser war von Nabe zu Nabe, ohne Zwillingsräder gemessen, 1,8 m breit. Seine Länge zuzüglich des Düngerstreuers betrug 4,6 m. Die Heckleuchten, die im Unfallszeitpunkt am Traktor montiert waren, waren 12 cm breit und 6 cm hoch. An den Außenseiten gemessen betrug der Abstand der Heckleuchten 1,42 m. Im Unfallszeitpunkt waren am Traktor des Erstbeklagten keine Rückstrahler (Katzenaugen) montiert.

Wenn der Düngerstreuer abgesenkt war, waren die Heckleuchten des Traktors aus einer Entfernung von 130 bis 150 m gut sichtbar, die Konturen des Traktors waren allerdings aus dieser Entfernung nicht erkennbar. War der Düngerstreuer so weit angehoben, dass er die Heckleuchten des Traktors abdeckte, dann war das Fahrzeug des Erstbeklagten ohne Gegenlicht aus einer Entfernung von 83 m aus einem sich annähernden PKW mit eingeschaltetem Abblendlicht erkennbar.

Im Unfallszeitpunkt war es dunkel, die Fahrbahn war trocken. Der Kläger näherte sich der Unfallstelle von Fahra kommend in Richtung Pyhra mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 50 km/h. Er hatte das Abblendlicht eingeschaltet, weil ihm zuvor Fahrzeuge entgegengekommen waren.

Der Erstbeklagte war zuvor von Werner S***** aufgehalten worden und hatte seinen Traktor so abgestellt, dass die linke Seite ca 2 m in die Fahrbahn der Landesstraße hineinragte. Er stand bereits einige Minuten in dieser Position als sich der Kläger näherte. Der Düngerstreuer war so hoch angehoben, dass die Heckleuchten des Traktors durch ihn völlig abgedeckt waren. Das Fahrzeug des Erstbeklagten war für den Kläger aus einer Entfernung von 83 m erkennbar.

Der Kläger leitete vor der Kollision noch eine Bremsung ein, die Kollisionsgeschwindigkeit betrug 35 bis 40 km/h. Das Fahrzeug des Erstbeklagten befand sich im Zeitpunkt der Kollision im Stillstand. Bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 50 km/h beträgt die Reaktionsverspätung des Klägers 4,7 Sekunden, bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 40 km/h 6,5 Sekunden.

Die Kollision wäre durch einen Spurwechsel nach links zu verhindern gewesen; im Bereich des verbleibenden Freiraumes von 3 m hätte der Kläger das Fahrzeug des Erstbeklagten kollisionsfrei passieren können. Der Kläger hätte, als er erstmals Sicht auf den Traktor hatte, sein Fahrzeug nach links um 1,5 m versetzen können. Ein derartiges Auslenken wäre ihm nur dann zumutbar gewesen, wenn kein Gegenverkehr geherrscht hätte. Ein allenfalls vorhandener Gegenverkehr wäre aber aufgrund der Scheinwerfer erheblich früher erkennbar gewesen.

Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges des Klägers betrug S 36.000, der Restwert S 2.000.

Die Reparaturkosten für das Fahrzeug des Erstbeklagten betrugen zumindest S 40.000. Der Wiederbeschaffungswert des Düngerstreuers betrug S 5.000, ein Restwert war nicht erzielbar.

Der Kläger bezahlte für die Unfallaufnahme durch die Gendarmerie S 500. Er meldete sein Fahrzeug ab und ein neues an, wodurch er Auslagen in der Höhe von S 2.250 hatte.

Der Kläger wurde durch die Kollision verletzt und hatte starke Schmerzen in der Dauer von zwei Tagen, mittelstarke Schmerzen in der Dauer von sieben Tagen und leichte Schmerzen in der Dauer von 21 Tagen zu erdulden.

Auch der Erstbeklagte wurde bei dem Unfall verletzt. Er hatte dadurch leichte Schmerzen in der Dauer von sieben Tagen zu ertragen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Erstbeklagte habe dadurch, dass er seinen Traktor samt Düngerstreuer so am Fahrbahnrand abgestellt habe, dass die Beleuchtung abgedeckt und für nachkommende Fahrzeuge nicht erkennbar gewesen sei, gegen § 60 Abs 3 StVO verstoßen. Dem Kläger sei allerdings eine Reaktionsverspätung im Ausmaß von 3 bis 4 Sekunden anzulasten. Bei der Verschuldensteilung sei zu berücksichtigen, dass der Erstbeklagte die erste und auch gravierendere Ursache für den Unfall gesetzt habe. Sein Verstoß gegen § 60 Abs 3 StVO wiege jedenfalls weitaus schwerer als die Reaktionsverspätung des Klägers. Den Kläger treffe daher ein Mitverschulden von 1/3, den Erstbeklagten jedoch das überwiegende Verschulden von 2/3.

Unter Berücksichtigung der "Schmerzengeldsätze" ergebe sich für den Kläger eine Schmerzengeldforderung von S 49.200, für den Erstbeklagten eine solche von S 8.400.

Das von den beklagten Parteien hinsichtlich des klagsstattgebenden Teiles dieser Entscheidung angerufene Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, dass es aussprach, die Klagsforderung bestehe mit EUR 3.123,12 (= S 42.975) sA zu Recht und mit EUR 4.634,71 (= S 63.775) sA nicht zu Recht. Die Gegenforderung bestehe mit EUR 1.940,36 (= S 26.700) zu Recht. Es verurteilte daher die beklagten Parteien zur Zahlung eines Betrages von EUR 1.182,76 sA und wies das Mehrbegehren auf Zahlung von EUR 6.575,07 ab; es sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig.

Das Berufungsgericht schloss sich der Ansicht des Erstgerichtes, dem Erstbeklagten sei eine Verletzung der Beleuchtungspflicht nach § 60 Abs 3 StVO anzulasten, an. Zweck dieser Vorschrift sei es, Fahrzeuge auf der Fahrbahn bereits aus entsprechender Entfernung wahrnehmen zu können, um die Einstellung der eigenen Fahrweise auf das Vorhandensein des durch die Beleuchtung gekennzeichneten Gegenstandes zu ermöglichen. Unter einer "Beleuchtung" im Sinne der zitierten Bestimmung sei nur eine effektive, d.h. nicht abgedeckte Beleuchtung zu verstehen, welche hier in Richtung des Fahrzeuges des Klägers nicht gegeben gewesen sei. Gemäß § 60 Abs 3 Satz 3 StVO dürfe allerdings eine Beleuchtung des Fahrzeuges unterbleiben, wenn es stillstehe und die sonstige Beleuchtung ausreiche, um es aus einer Entfernung von ungefähr 50 m zu erkennen. Unter einer sonstigen Beleuchtung im Sinne dieser Vorschrift sei eine fremde Lichtquelle zu verstehen, worunter nur ständige Lichtquellen, wie etwa Straßenlaternen, nicht aber die Mondbeleuchtung oder die Scheinwerfer sich nähernder Fahrzeuge zu verstehen seien. Es sei erforderlich, dass das Fahrzeug so ausreichend beleuchtet werde, dass alle sich ihm mit normaler Geschwindigkeit nähernden Verkehrsteilnehmer die Umrisse des stillstehenden Fahrzeuges auf die im Gesetz angegebene Entfernung leicht und ohne Mühe erkennen könnten. Bei der Beurteilung der Frage, ob die sonstige Beleuchtung im Sinne des § 60 Abs 3 StVO ausreiche, sei auf die tatsächlichen Lichtverhältnisse Bedacht zu nehmen. Im Sinne dieser Rechtsprechung seien die Voraussetzungen für das Unterbleiben der Verpflichtung zur Beleuchtung des Fahrzeuges des Erstbeklagten nach § 60 Abs 3 Satz 3 StVO im vorliegenden Fall nicht gegeben gewesen, weil überhaupt keine "sonstige Beleuchtung" im Sinne dieser Vorschrift vorhanden gewesen sei.

Angesichts der Verletzung der Beleuchtungsverpflichtung komme auch die Vorschrift des § 23 Abs 1 StVO zu Lasten der beklagten Parteien zum Tragen. Im Sinne dieser Bestimmung habe der Lenker das Fahrzeug zum Halten oder Parken unter Bedachtnahme auf die beste Ausnützung des vorhandenen Platzes so aufzustellen, dass kein Straßenbenützer gefährdet und kein Lenker eines anderen Fahrzeuges am Vorbeifahren oder Wegfahren gehindert werde. Unrichtig sei die Ansicht der Beklagten, mangels Verstoßes gegen ein spezielles Halte- oder Parkverbot könne auch kein Verstoß gegen § 23 StVO vorliegen. Der Kläger hätte wegen der Fahrbahneinengung durch das abgestellte Fahrzeug den Fahrstreifen wechseln müssen, darüber hinaus sei er noch durch eine fehlende Beleuchtung des abgestellten Fahrzeuges beeinträchtigt gewesen, obwohl es dem Erstbeklagten leicht möglich gewesen wäre, sein Fahrzeug außerhalb des Lichtraumprofiles der Landesstraße abzustellen. Der Schutzzwck der §§ 23 Abs 1 und 60 Abs 3 StVO liege auch darin, das Auffahren von Fahrzeugen auf unbeleuchtete Fahrzeuge zu vermeiden.

Demgegenüber sei dem Kläger eine eklatante Reaktionsverspätung anzulasten. Da das Erstgericht die Annäherungsgeschwindigkeit nur in einem Bereich zwischen 40 und 50 km/h feststellen habe können, sei die nachgewiesene Reaktionsverspätung mit 4,7 Sekunden eingegrenzt. Unter diesen Besonderheiten sei das Verschulden im Verhältnis von 1 : 1 zu teilen.

Über Antrag der beklagten Parteien änderte das Berufungsgericht seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin ab, dass diese für zulässig erklärt wurde. Es begründete dies damit, dass sich die Frage stelle, ob man nicht auch bei der Beurteilung des Beleuchtungserfordernisses im Tatbestandsfall der Dunkelheit auf die tatsächlichen Sichtverhältnisse abstellen müsse und in diesem Rahmen die in § 60 Abs 3 Satz 3 StVO angeführte Erkennbarkeit "aus einer Entfernung von ungefähr 50 m" als Orientierungshilfe heranziehen könne. Es würde sich nämlich unter Umständen ein Wertungswiderspruch ergeben, wenn man in einer Nacht mit guten natürlichen Lichtverhältnissen ein ohne künstliche Beleuchtung auf eine Entfernung von 83 m erkennbares Fahrzeug beleuchten müsste, obwohl der Gesetzgeber bei schlechteren natürlichen Verhältnissen offenbar eine "sonstige Beleuchtung" ausreichen lasse, die nur eine Erkennbarkeitsweite von ca 50 m gewährleiste. Allenfalls komme hier hinsichtlich stillstehender Fahrzeuge eine teleologische Reduktion der Beleuchtungspflicht nach § 60 Abs 3 Satz 1 StVO für den Tatbestandsfall der Dunkelheit in Betracht.

Weiters sei den beklagten Parteien zuzugestehen, dass der für das Fahrzeug des Klägers erforderliche Fahrstreifenwechsel isoliert betrachtet, nicht den Tatbestand des "am Vorbeifahren gehindert" erfülle. Das Berufungsgericht habe allerdings den Gefährdungstatbestand herangezogen, den es aus der fehlenden effektiven Beleuchtung des Fahrzeuges des Erstbeklagten abgeleitet habe. Ob und inwieweit jedoch eine echte Konkurrenz zwischen den Bestimmungen der §§ 23 Abs 1 und 60 Abs 3 StVO bestehe, könne anhand höchstgerichtlicher Judikatur nicht verlässlich beurteilt werden. Würde man einen Verstoß gegen § 60 Abs 3 StVO verneinen, könne wohl auch ein solcher gegen § 23 Abs 1 StVO kaum angenommen werden.

Gegen den klagsstattgebenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Parteien zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die beklagten Parteien machen in ihrem Rechtsmittel geltend, der Erstbeklagte habe keinen Verstoß gegen § 60 Abs 3 StVO zu vertreten. Der Zweck dieser Bestimmung liege darin, dass andere Verkehrsteilnehmer das Fahrzeug so rechtzeitig erkennen könnten, um ihr Fahrverhalten darauf einzustellen. Im Gesetz werde ausdrücklich eine Ausnahme von der Beleuchtungspflicht festgelegt, wenn die sonstige Beleuchtung ausreiche um das Fahrzeug aus einer Entfernung von ungefähr 50 m zu erkennen. Aus der Regelung eines Ausnahmetatbestandes könne aber nicht geschlossen werden, dass keine anderen Ausnahmen möglich seien. Ziehe man nämlich den Zweck der Vorschrift in Betracht, so liege ein Verstoß gegen die Beleuchtungspflicht immer nur dann vor, wenn das Fahrzeug eben nicht rechtzeitig für andere Verkehrsteilnehmer erkennbar sei. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, unter eine "sonstigen Beleuchtung" im Sinne des § 60 Abs 3 dritter Satz StVO würde nur eine künstliche Beleuchtung fallen, könne nicht gefolgt werden. Vielmehr sei darunter eine nicht durch das abgestellte Fahrzeug selbst gewährte Beleuchtung zu verstehen. Das allgemeine Helligkeitsniveau spiele bei der Beurteilung der Frage der Verpflichtung zur Beleuchtung eine entscheidende Rolle. Dies habe der Gesetzgeber in der genannten Ausnahmebestimmung eindeutig zum Ausdruck gebracht, in dem er eine Erkennungsstrecke von 50 m für ausreichend erachtet habe. Folge man der Ansicht des Berufungsgerichtes, dann würde demjenigen ein Verschulden zur Last fallen, dessen Fahrzeug aus einer weitaus größeren, als der im Gesetz angeführten Entfernung leicht und ohne Mühe erkennbar sei; derjenige aber hätte kein Verschulden, der in diesem Fall eine ohnehin nutzlose Beleuchtung seines Fahrzeuges bewerkstelligt habe. § 60 Abs 3 StVO sei dahingehend auszulegen, dass bei stehenden Fahrzeugen grundsätzlich die Erkennbarkeit aus ungefähr 50 m ausreiche, ohne dass auf die Umstände ankomme, warum aus zumindest dieser Entfernung erkennbar sei. Dies ergebe sich auch unter dem Aspekt des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Im Sinne des § 60 Abs 3 StVO hätte das rechtmäßige Alternativverhalten darin bestanden, für eine Beleuchtung zu sorgen, die das Fahrzeug aus zumindest 50 m Entfernung erkennbar mache. Im vorliegenden Fall, in welchem das Fahrzeug aus 83 m erkennbar gewesen sei, hätte dies keine positive Auswirkung gezeigt, der Verkehrsunfall hätte sich in gleicher Weise ereignet.

Der Erstbeklagte habe auch keinen Verstoß gegen § 23 Abs 1 StVO zu vertreten. Diese Bestimmung komme immer dann nicht zur Anwendung, wenn ein Verstoß gegen ein spezielles Halte- und Parkverbot vorliege. § 23 Abs 1 StVO spreche ausdrücklich von "gehindert". Ein Verstoß gegen diese Norm liege somit nur dann vor, wenn ein Vorbeifahren rechtlich oder technisch unmöglich sei. Selbst das Verletzen der Beleuchtungsvorschrift des § 60 Abs 3 StVO führe nicht zur automatischen Annahme auch der Verletzung des § 23 Abs 1 leg cit. Da den Feststellungen keine Anhaltspunkte für eine Verkehrsbehinderung oder eine Gefährdung im Sinne des § 23 Abs 1 StVO zu entnehmen seien, sei dem Erstbeklagten auch kein Verstoß gegen diese Bestimmung anzulasten.

Selbst wenn man aber dem Erstbeklagten ein Verschulden zurechnen sollte, trete dieses gegenüber der eklatanten Reaktionsverspätung des Klägers in den Hintergrund.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 60 Abs 3 StVO sind Fahrzeuge auf der Fahrbahn während der Dämmerung, bei Dunkelheit oder Nebel oder wenn es die Witterung sonst erfordert, zu beleuchten. Eine Beleuchtung darf unterbleiben, wenn das Fahrzeug stillsteht und die sonstige Beleuchtung ausreicht, um es aus einer Entfernung von ungefähr 50 m zu erkennen. Diese Beleuchtungsvorschrift ist eine Schutzvorschrift im Sinne des § 1311 ABGB, der für die Verkehrssicherheit besondere Bedeutung zukommt (Dittrich/Stolzlechner, Österr. Straßenverkehrsrecht § 60 StVO Rz 13 mwN).

Unstrittig ist im vorliegenden Fall die grundsätzliche Beleuchtungspflicht wegen Dunkelheit, es ist nur zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Beleuchtungspflicht nach § 60 Abs 3 Satz 3 StVO gegeben waren. Die Beleuchtung eines am Rande der Fahrbahn abgestellten Fahrzeuges darf aber nur dann abgeschaltet werden, wenn es durch eine fremde Lichtquelle so ausreichend beleuchtet wird, dass alle sich ihm mit normaler Geschwindigkeit nähernden Verkehrsteilnehmer die Umrisse des stillstehenden Fahrzeuges auf die im Gesetz angegebene Entfernung leicht und ohne Mühe erkennen können (ZVR 1966/205; 8 Ob 204/78). Richtig ist zwar, dass es nicht darauf ankommen kann, ob diese fremde Lichtquelle eine künstliche oder eine natürliche ist; maßgeblich ist allein die Erkennbarkeit auf zumindest 50 m. Dies führt aber nicht dazu, dass im vorliegenden Fall dem Erstbeklagten (?) die Ausnahmevorschrift des § 60 Abs 3 letzter Satz StVO zugute käme. Die Beleuchtungspflicht entsteht nicht erst dann, wenn ein anderes Fahrzeug auftaucht, sondern sofort dann, wenn die Voraussetzungen des § 60 Abs 3 StVO gegeben sind, d.h. also, wenn die Umrisse des abgestellten Fahrzeuges nicht aus einer Entfernung von mindestens 50 m leicht und ohne Mühe erkannt werden können. Diese Beleuchtungspflicht war für den Erstbeklagten schon vor dem Auftauchen des Fahrzeuges des Klägers gegeben, weil er ja sein Fahrzeug bereits vorher am Fahrbahnrand abgestellt hatte. Die einmal bestehende Beleuchtungspflicht wurde natürlich auch durch das Herannahen des Fahrzeuges des Klägers nicht aufgehoben. Es ist nämlich nicht, wie die Beklagten in ihrer Revision meinen, so, dass das Fahrzeug des Erstbeklagten (ständig) in einer Entfernung aus 83 m erkennbar gewesen wäre, vielmehr trat die Erkennbarkeit erst durch das Abblendlicht des heranfahrenden Klägers ein. Um eine Ausnahme von der Beleuchtungspflicht für den Erstbeklagten zu begründen, hätte aber auch ein ohne Licht fahrender Verkehrsteilnehmer das Fahrzeug des Erstbeklagten aus einer Entfernung von 50 m leicht und ohne Mühe erkennen müssen. Dies war aber hier nicht der Fall, weshalb die Vorinstanzen zutreffend eine Verletzung der Beleuchtungspflicht gemäß § 60 Abs 3 StVO durch den Erstbeklagten angenommen haben. Ob eine echte Konkurrenz zwischen den Bestimmungen der §§ 23 Abs 1 und 60 Abs 3 StVO besteht, braucht hier nicht beurteilt zu werden, jedenfalls rechtfertigt der Verstoß des Erstbeklagten gegen die Beleuchtungspflicht wegen der schon oben angeführten besonderen Bedeutung dieser Vorschrift für die Verkehrssicherheit die vom Berufungsgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis 1 : 1.

Es war deshalb der Revision der beklagten Parteien nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.