JudikaturJustiz2Ob233/13y

2Ob233/13y – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Juni 2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Solé und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Stefan R*****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 286.600,36 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 15. Oktober 2013, GZ 4 R 163/13p 13, womit das Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. Juli 2013, GZ 7 Cg 1/13b 9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Erstgerichts wird wieder hergestellt.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger verletzte sich am 23. 12. 1998 auf der B***** Abfahrt im Schigebiet M***** schwer. Pistenhalterin war die S***** GmbH.

Mit Klage vom 22. 1. 2001 erhob der Kläger in einem Vorprozess gegen die S***** GmbH neben Ansprüchen auf Schmerzengeld und Verunstaltungsentschädigung auch ein Feststellungsbegehren.

Das Oberlandegericht Linz stellte in diesem Verfahren mit rechtskräftigem Urteil vom 7. 9. 2011 die Haftung der dort beklagten Partei für alle zukünftigen Schäden und Nachteile des Klägers aus dem Vorfall zu einem Drittel fest.

Mit Schreiben vom 19. 4. 2001 hatte sich der Rechtsvertreter des Klägers im Hinblick auf die drohende Verjährung von Ansprüchen an den Rechtsvertreter der S***** GmbH gewandt und um Abgabe eines Verjährungsverzichts hinsichtlich sämtlicher Ansprüche des Gegners aus dem Unfall, vorerst befristet mit 31. 12. 2002, ersucht. Der Rechtsvertreter der S***** GmbH und nunmehrige Vertreter der beklagten Partei dieses Verfahrens kam dem nach. In der Folge wurde dieser Verjährungsverzicht im Korrespondenzweg mehrfach verlängert, zuletzt mit Schreiben des Vertreters der Beklagten vom 25. 5. 2012 bis 31. 12. 2012.

Zwischenzeitig hatte am 14. 12. 2010 die S***** GmbH als übertragende Gesellschaft mit der SB***** GmbH als übernehmender Gesellschaft einen Spaltungs und Übernahmsvertrag abgeschlossen. In der Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft zum 30. 4. 2010 wurde im Anlagevermögen die Abfahrt B***** sowie die Liftanlage B***** angeführt, ebenso in der Übertragungsbilanz der übernehmenden Gesellschaft zum 30. 4. 2010.

Mit Generalversammlungsbeschluss vom 14. 12. 2010 wurde die SB***** GmbH als übertragende Gesellschaft mit der nunmehr beklagten H***** GmbH als übernehmender Gesellschaft verschmolzen.

Die Übertragung des Betriebs „Seilbahnen“ wurde bei der S***** GmbH am 18. 1. 2011 im Firmenbuch eingetragen.

In der außerordentlichen Generalversammlung der S***** GmbH vom 18. 4. 2012 wurde ihre Firma in „P***** GmbH“ geändert. Die Änderung wurde am 1. 5. 2012 im Firmenbuch eingetragen. Im neu gefassten Gesellschaftsvertrag wurde der Gegenstand der Gesellschaft auf den Betrieb eines Sportgeschäfts, dem Handel mit Waren aller Art und Gastgewerbe sowie Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Ferienwohnungen eingeschränkt.

Mit Klage vom 28. 12. 2012 begehrte der Kläger 286.600,36 EUR sA an Verdienstentgang, Pflege und Betreuungsaufwand.

Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung war die Beklagte Pistenhalterin der B***** Abfahrt.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil gemäß § 393a ZPO aus, dass die geltend gemachten Ansprüche des Klägers nicht verjährt seien. Die bis 31. 12. 2012 abgegebenen Verjährungsverzichte seien der Beklagten zuzurechnen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es lediglich die nach dem 22. 1. 2001 entstandenen Ansprüche als nicht verjährt erkannte. Die bei Klagseinbringung am 22. 1. 2001 bereits angefallenen Ansprüche seien dagegen verjährt. Diesbezüglich sei zwar vom Vertreter der S***** GmbH ein Verzicht auf die Einrede des Verjährungseinwands abgegeben worden. Die letzte Verlängerung habe aber am 25. 5. 2012 stattgefunden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Betrieb „Seilbahnen“ samt allen damit im Zusammenhang stehenden Haftungen bereits auf die nunmehr hier Beklagte übergegangen und die Abspaltung im Firmenbuch eingetragen gewesen. Die S***** GmbH sei aber ein von der Beklagten verschiedenes Rechtssubjekt und als solches nicht mehr zur Disposition über die Haftung aus dem Seilbahnbetrieb berechtigt gewesen. Aufgrund der Publizität des Firmenbuchs sei der Kläger nicht geschützt.

Die ordentliche Revision wurde mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zugelassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag auszusprechen, dass sämtliche Ansprüche des Klägers nicht verjährt seien; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung,k die Revision nicht zuzulassen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist zulässig , weil dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zurechnung des erklärten Verjährungsverzichts ein aufzugreifender Rechtsirrtum unterlaufen ist; sie ist auch berechtigt .

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionswerber bringt in seinem Rechtsmittel vor, dass die Verjährungsverzichtserklärung vom 25. 5. 2012 im Gegensatz zur Meinung des Berufungsgerichts nicht von der S***** GmbH stammen könne, weil zu diesem Zeitpunkt eine Gesellschaft mit dieser Firma nicht mehr existiert habe. Der Rechtsvertreter der früheren S***** GmbH sei aber auch Rechtsvertreter der nunmehrigen Beklagten. Dass er auch bevollmächtigter Vertreter der P***** GmbH gewesen sei, sei weder vorgebracht noch nachgewiesen worden. Sein Verjährungsverzicht sei daher der Beklagten zuzurechnen. Seine Erklärung habe nur dahingehend verstanden werden können, dass diejenige Partei, die für die Schadenersatzansprüche des Klägers hafte und die bereits Verjährungsverzichte abgegeben hatte, diese neuerlich verlängere. Diese Person könne aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge aber ausschließlich die nunmehr Beklagte sein.

II. Die Beklagte hält dem in ihrer Revisionsbeantwortung entgegen, dass ausreichend oberstgerichtliche Judikatur zum Thema des Verjährungsverzichts bestehe und es hier lediglich um die Anwendung dieser Grundsätze auf den Einzelfall gehe. Es gebe keinerlei Feststellung, dass der nunmehrige Beklagtenvertreter als bevollmächtigter Vertreter der hier Beklagten agiert habe. Aus der vorliegenden Korrespondenz ergebe sich eindeutig, dass der ursprünglich abgegebene Verjährungsverzicht und sämtliche Verlängerungen desselben nur im Namen der S***** GmbH abgegeben worden seien. Der letzte Verjährungsverzicht sei am 25. 5. 2012 abgegeben worden, zu diesem Zeitpunkt sei die S***** GmbH aber nicht mehr zur Disposition über die Haftung berechtigt gewesen, die sich nicht mehr in ihrem Vermögen befunden habe.

III. Der Spaltungs und Übernahmsvertrag stammt von Dezember 2010 und wurde am 18. 1. 2011 im Firmenbuch bei der S***** GmbH eingetragen. Aus der Zeit davor liegen acht Schreiben zur Verlängerung des Verzichts auf den Einwand der Verjährung durch Vertreter der Beklagten, jeweils dahingehend textiert vor, dass er namens seiner Mandantschaft, „sohin der S***** GmbH“, mitteile, dass der abgegebene Verjährungsverzicht zu einem jeweils angeführten Datum verlängert werde. Nach Übernahme des Seilbahnbetriebs durch die nunmehrige Beklagte verfasste der Beklagtenvertreter hingegen das nächste Schreiben vom 12. 4. 2011 sowie jenes vom 25. 5. 2012 nur noch dahingehend, dass er namens „seiner Mandantschaft“ ohne diese namentlich zu spezifizieren mitteile, dass der Verjährungsverzicht bis zu einem jeweils angegebenen Datum verlängert werde.

IV. Der nunmehrige Beklagtenvertreter hat, wie schon erwähnt, die S*****GmbH im Vorprozess vertreten und während dieser Zeit auch in Bezug auf noch nicht eingeklagte Ansprüche Verjährungsverzichtserklärungen abgegeben. Dass er zu diesen Erklärungen seitens der S***** GmbH bevollmächtigt war, bestreitet niemand.

IV.1. Fraglich sind aber die Auswirkungen der dargestellten gesellschaftsrechtlichen Spaltungs bzw Verschmelzungsvorgänge auf seine Vollmacht.

IV.2. Gemäß § 17 iVm § 14 Abs 2 SpaltG gehen die Vermögensteile der übertragenden Gesellschaft entsprechend der im Spaltungsplan bzw Spaltungs und Übernahmsvertrag vorgesehenen Zuordnung jeweils im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die neue Gesellschaft über. Gemäß § 1 Abs 2 SpaltG gehören zu den Vermögensteilen auch Rechtsverhältnisse.

IV.3. Nach § 1023 ABGB werden die von einem Körper (Gemeinschaft) ausgestellten und übernommenen Vollmachten durch die Erlöschung der Gemeinschaft aufgehoben.

Diese Bestimmung sieht bei Erlöschen, also bei Vollbeendigung einer juristischen Person für Auftrag und Vollmacht grundsätzlich dieselben Rechtsfolgen wie § 1022 ABGB für den Tod natürlicher Personen vor ( P. Bydlinski in KBB 4 § 1023 ABGB Rz 1).

IV.4. Nach Strasser in Rummel ³ §§ 1020 bis 1026 ABGB Rz 29 endet mit Beendigung des Bestands der juristischen Person auch die Vertretungsbefugnis bestellter Vertreter. Ihr Untergang wird vom Gesetzgeber gleichsam dem Tod einer natürlichen Person gleichgestellt.

IV.5. Rubin in Kletečka/Schauer , ABGB ON § 1023 ABGB Rz 3, sieht § 1023 ABGB als vom historischen Gesetzgeber gedachte Parallelnorm zu § 1022 ABGB, der eine Regelung für den Tod natürlicher Personen enthält. Deshalb wird die analoge Anwendung dessen Satz 2 auf juristische Personen bejaht. Dies setze Gesamtrechtsnachfolge voraus, etwa durch Verschmelzung oder Spaltung (so auch P. Bydlinski aaO).

IV.6. Wallentin/Bruckmüller in Wiesner/ Hirschler/Mayr , Handbuch der Umgründungen, Band C, Q4, Rz 213, gehen typischerweise von einem Fortbestand des Geschäftsbesorgungsverhältnisses aus, wenn sich durch Auslegung von Vollmacht und Auftrag nichts anderes ergibt. Sonst greife die Zweifelsregel des § 1022 ABGB, und das Geschäftsbesorgungsverhältnis gehe nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über.

IV.7. Nach Szep in Jabornegg/Strasser , AktG 5 § 225a Rz 23 gilt die Regel des § 1023 ABGB grundsätzlich auch für die Verschmelzung. Sei die übertragende Gesellschaft aber Auftraggeber oder Vollmachtgeber, verdränge § 58 Abs 3 UGB, wonach Aufträge und Vollmachten, die von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens erteilt wurden, im Zweifel nicht mit seinem Tod erlöschen, die Regel des § 1023 ABGB, und bestünden solche Aufträge und Vollmachten daher im Zweifel fort.

IV.8. Kalss, Verschmelzung Spaltung Umwandlung² § 14 SpaltG Rz 21 verweist darauf, dass nach der herrschenden Lehre solche Aufträge und Vollmachten, die von der untergehenden Gesellschaft erteilt wurden, im Fall des Erlöschens der juristischen Person (Aufspaltung) grundsätzlich nach § 1023 ABGB untergehen. Es sei aber zu bedenken, dass ein Auftrag bei Unternehmensbezogenheit nur ganz selten tatsächlich als höchstpersönliches Recht mit persönlicher Leistungserfüllung anzusehen und er daher in der Regel übertragbar sei.

Auch zur Verschmelzung legt sie aaO § 255a AktG, Rz 42 dar, dass Auftrag und Vollmacht nach der herrschenden Lehre, sowohl wenn sie der übertragenden Gesellschaft erteilt wurden als auch wenn sie von ihr erteilt wurden, gemäß § 1023 ABGB untergehen. Dies sei aber im unternehmensrechtlichen Kontext im Hinblick auf die seltene Höchstpersönlichkeit solcher Rechtsverhältnisse fragwürdig. Es sei vielmehr grundsätzlich vom Übergang unternehmensbezogener Aufträge auszugehen.

IV.9. In diese Richtung gehen auch die Ausführungen Hügels in FS Koppensteiner, Umgründungsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge, Dienstbar keiten und höchstpersönliche Rechte, 91, 93 ff, der die Interessenlage bei der umgründungsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge gänzlich anders sieht als bei jener nach physischen Personen und meint, dass durch das Erlöschen einer „eigenschaftslosen“ juristischen Person keine „höchstpersönlichen“ Elemente entfallen würden (aaO 102). Wer mit einer juristischen Person kontrahiere, habe in der Regel von vorneherein die Irrelevanz des Wechsels der Gesellschafter oder Organe anerkannt (aaO 99).

IV.10. Beachtliche Argumente finden sich auch bei Zib in Fasching/Konecny ² II/1 § 35 ZPO Rz 43, wonach zwar die Gesamtrechtsnachfolge wie § 1022 ABGB zeige per se nicht den Fortbestand von Vollmachten impliziere, dies beim Tod natürlicher Personen seinen Grund aber im eingetretenen Kontrolldefizit in Bezug auf den Vertreter habe. Dieses Sicherungsbedürfnis bestehe in Fällen gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge nicht, weil der Rechtsnachfolger hier sofort Einfluss auf den Vertreter nehmen bzw dessen Vollmacht widerrufen könne. Die Vollmacht erlösche daher selbst beim Rückgriff auf § 1023 ABGB nicht, weil die Bestimmung insoweit teleologisch zu reduzieren sei.

V. Der erkennende Senat gelangt unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des Umgründungsrechts und unter Berücksichtigung der zitierten Lehrmeinungen zu dem Ergebnis, dass wenn auch im Bezug auf den bevollmächtigten bzw beauftragten Rechtsanwalt Höchstpersönlichkeit anzunehmen sein mag dies umgekehrt für die hier zu beurteilende Gesamtrechtsnachfolge bei der den Auftrag bzw die Vollmacht erteilenden juristischen Person nicht gilt. Insoweit ist mangels Schutzbedürftigkeit § 1023 ABGB nicht anzuwenden und daher die Vollmacht und der Auftrag nicht als im Zweifel erloschen anzusehen. Vielmehr ist die Zuordnung der B***** Abfahrt bzw des B***** Lifts zur übernehmenden Gesellschaft nach dem Empfängerhorizont eines verständigen Dritten (vgl 4 Ob 241/04a) so auszulegen, dass davon auch das damit zusammenhängende, hier zu beurteilende Rechtsverhältnis umfasst ist (vgl auch die Zuordnungsregel für Annexmaterien in Pkt 9.2. des Spaltungs und Übernahmsvertrags), sodass es schließlich nach dem weiteren Verschmelzungsvorgang auf die hier Beklagte übergegangen ist.

VI. Die vom nunmehrigen Beklagtenvertreter abgegebenen Erklärungen können nach dem maßgeblichen objektiven Erklärungswert aber nur, wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannte, als solche der materiell betroffenen Gesamtrechtsnachfolgerin, also der hier Beklagten, verstanden werden.

Die im „Betreff“ der nach Jänner 2011 abgegebenen Verjährungsverzichtserklärungen noch jeweils angeführten Namen des Klägers und der S***** GmbH ändern an diesem Ergebnis nichts, weil es sich dabei lediglich um die Individualisierung des Schadensereignisses, ähnlich dem zum Teil ebenfalls angeführten gerichtlichen Aktenzeichen, handelt, die der besseren Zuordnung und kanzleitechnischen Abwicklung dient. Gerade deshalb wäre hier eine Änderung der Bezeichnung kontraproduktiv gewesen.

VII. Damit ist im Ergebnis das Klagebegehren, auch soweit es Ansprüche betrifft, die vor dem  22. 1. 2001 entstanden sind, nicht verjährt.

Es war daher das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

VIII. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 4 ZPO per analogiam iVm § 52 Abs 4 ZPO (2 Ob 6/13s).