JudikaturJustiz2Ob147/03m

2Ob147/03m – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Juli 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Annemarie H*****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Ewald B*****, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Neumarkt/Wallersee, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 13. Februar 2003, GZ 53 R 428/02a 28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 1. Oktober 2002, GZ 2 C 928/01 24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 399,74 (darin enthalten USt von EUR 66,62, keine Barauslagen) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte und seine Ehefrau sind Hälfteeigentümer des an das Grundstück der Klägerin (Nr 187) nördlich angrenzenden Grundstückes (Nr 182). Schon 1989 war auf dem Grundstück der Klägerin an der Grenze zum Grundstück Nr 182 eine Mauer errichtet, die derzeit rund 20 Jahre alt ist. Die Mauer besteht aus porösen Betonschalsteinen und Standbeton. Sie ist nicht frostbeständig; sie wurde weder isoliert noch drainagiert. Die Lebensdauer der Mauer ist bereits überschritten. Es kommt bereits im Bereich der (nicht klagsgegenständlichen) Grenze zum Grundstück Nr 186, an dem keine Aufschüttungen vorgenommen wurden, zu Frostschäden. Die Mauer ist als dauerhafte Stützmauer nicht geeignet.

Der Beklagte erwarb seinen Hälfteanteil am Grundstück Nr 182 im Jahr 1991 und begann 1992 mit der Errichtung eines Hauses. Bei Erteilung der Baubewilligung wurde ihm die Auflage erteilt, "die Aufschüttungsböschungen zu den Bauplatzgrenzen hin flach verlaufend herzustellen".

Im Zuge der Errichtung des Wohnhauses auf dem Grundstück des Beklagten wurden nach Juli 1991 Aufschüttungen von Erdreich an der Grenze zum Grundstück der Klägerin zur dort befindlichen Mauer vorgenommen und zwar in variierenden Höhen zwischen 0,33 und 0,75 m. Im mittleren Bereich der Grenze zum Grundstück des Beklagten befindet sich auf dem Grundstück der Klägerin ein hölzerner Zubau, der an die Mauer angrenzt. Westlich und östlich dieses Zubaues ist auf der Mauer ein Holzzaun befestigt. Westlich des Zubaues waren vor den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten beide Grundstücke gleich hoch. Hier erreichen die Aufschüttungen an die Grenzmauer eine Höhe von bis zu 75 cm. Dadurch wurde die Mauer um wenige mm verformt. Die Standsicherheit und Tragfähigkeit sowie die Grundbruchsicherheit der Mauer sind jedoch noch ausreichend groß.

Östlich des hölzernen Zubaues diente die Mauer bereits vor den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten als Stützkonstruktion für einen etwa 1,2 m hohen Geländesprung. Durch die hier bis zu 60 cm hohe Aufschüttung wird die Mauer zusätzlich in horizontaler Richtung beansprucht. Dies führt zu einer Überschreitung der zulässigen Sohlrandspannungen und zu einer Verringerung der Grundbruchsicherheit. Es ist hier bereits zu einer Schieflage der Mauer zum Grundstück der Klägerin hin gekommen.

Die nicht gegen Feuchtigkeit isolierte Mauer wurde schon vor den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten ständig von der Erde her befeuchtet. Die Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten vergrößern den Kontakt mit feuchtem Erdreich, und zwar im Bereich westlich des Zubaues um ca 50 % und im Bereich östlich des Zubaues um ca 20 %.

Auch ohne die von den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten ausgehenden Einflüsse hat die Mauer das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Die Entfernung der Aufschüttung würde den Zustand der Mauer nicht verbessern und auch eine weitere Verschlechterung nicht verhindern. Allenfalls könnte der Fortschritt der Verschlechterung geringfügig eingedämmt werden. Für den derzeitigen schlechten Zustand der Mauer ist im höchsten Maß die ungeeignete Bauweise ausschlaggebend.

Die Klägerin begehrt den Beklagten für schuldig zu erkennen, den von der Erdaufschüttung auf seinem Grundstück Nr 182 ausgehenden Druck und die ausgehende Feuchtigkeit auf die an der gemeinsamen Grenze zu ihrem Grundstück Nr 187 errichtete Mauer zu unterlassen.

Sie brachte vor, der von den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten ausgehende Druck bewirke eine Schieflage und damit eine Einsturzgefahr. Dies stelle eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne des § 364 ABGB dar.

Der Beklagte wendete ein, die Mauer sei als Stützmauer nicht geeignet, eine Entfernung der Aufschüttung verbessere den Zustand nicht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die auf dem Grundstück des Beklagten erfolgten Aufschüttungen und die daraus resultierende Beeinträchtigung der Grenzmauer der Klägerin stellten keine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benutzung des Grundstückes der Klägerin dar, weil sie nur minimalen Einfluss auf den Zustand der Mauer hätten und die wesentliche Ursache in der schon ursprünglich mangelhaften Ausführung der auch schon vor den Aufschüttungen zum Teil als Stützmauer verwendeten Mauer liege.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es dem Klagebegehren - unter Durchführung einer hier nicht relevanten Verdeutlichung - stattgab. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes des Berufungsgerichtes übersteige EUR 4.000, , nicht jedoch EUR 20.000, , die ordentliche Revision sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, es sei nicht ausschlaggebend, ob die Mauer auf dem Grundstück der Klägerin als Abwehrmaßnahme gegen vom Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen ungeeignet sei, sondern sei zu prüfen, ob die Klägerin die von den Aufschüttungen auf dem Nachbargrundstück ausgehenden Einwirkungen auf ihr Grundstück zu dulden habe. Diese Frage sei unter allen Umständen zu verneinen, wenn es sich um eine unmittelbare Zuleitung handle 364 Abs 2 letzter Satz ABGB). Mittelbare Zuleitungen seien zu dulden, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschritten und die ortsübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigten (gemeint wohl: mittelbare Zuleitungen seien unter diesen Voraussetzungen nicht zu dulden). Der Verpflichtung der Klägerin, vom Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen so weit zu dulden, als sie das im § 364 Abs 2 erster Satz ABGB definierte Ausmaß nicht überstiegen, stehe die Pflicht des Beklagten gegenüber, unmittelbare Zuleitungen unter jeden Umständen, zu unterlassen, mittelbare Immissionen jedoch so weit zu unterlassen, als sie das ortsübliche Maß überschritten und das Nachbargrundstück wesentlich beeinträchtigten. Die Klägerin habe gemäß §§ 354, 523 ABGB Anspruch auf das Unterbleiben des Eindringens fester Stoffe, also unmittelbarer Zuleitungen, etwa durch Abbröckeln oder Abschwemmen des auf dem Grundstück des Beklagten aufgeschütteten Erdreichs (vgl 1 Ob 42/01k). Diese Vorgänge würden derzeit von der auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen Mauer verhindert, obwohl diese nicht zu diesem Zweck errichtet worden sei.

In den Entscheidungen SZ 14/210 und SZ 35/28 habe der Oberste Gerichtshof die von Erhöhungen oder Anschüttungen eines Grundstückes auf Grenzmauern oder Hausmauern, die die Grenze zum Nachbargrund bildeten, ausgehenden Einwirkungen durch Druck und Feuchtigkeit als mittelbare Immissionen im Sinne des § 364 Abs 2 erster Satz ABGB qualifiziert. Dies sei von Spielbüchler (in Rummel2 ABGB § 364 Rz 7) kritisiert worden, der in derartigen Einwirkungen unmittelbare Zuleitungen nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB sehe. In der Entscheidung 6 Ob 517/93 habe der Oberste Gerichtshof von den durch Räumung an Einfriedungen und Baulichkeiten zusammengepressten Schnee ausgehenden Druck und die davon ausgehende Feuchtigkeitseinwirkung ebenfalls als unmittelbare Zuleitung im Sinne des § 364 Abs 2 ABGB gewertet.

Im Sinne der Definition der unmittelbaren Einwirkungen des § 364 Abs 2 Satz 2 ABGB als "solche, die durch eine Veranstaltung bewirkt werden, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist" (RIS Justiz RS0010635; insb 1 Ob 42/01k), wodurch zum Ausdruck gebracht werden solle, dass Auswirkungen der natürlichen Beschaffenheit des Nachbargrundstückes hinzunehmen seien (1 Ob 42/01k; Spielbüchler aaO § 364 Rz 11; Oberhammer in Schwimann2 ABGB § 364 Rz 2 ff), seien auch die von den Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten ausgehenden Einwirkungen auf die Mauer der Klägerin (Druck und Feuchtigkeit) als unmittelbare Zuleitung im Sinne des § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB zu beurteilen, die jedenfalls unzulässig sei.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil es - anders als in den Entscheidungen SZ 14/210 und SZ 35/28 - die Aufschüttungen an der Mauer der Klägerin als unmittelbare Zuleitung nach § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB qualifiziert habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der beklagten Partei nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die beklagte Partei macht in ihrem Rechtsmittel geltend, das Erstgericht habe das Klagebegehren zu Recht abgewiesen, seine Ansicht könne sich auf die Entscheidungen SZ 14/210 und SZ 35/28 stützen. Die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 6 Ob 517/93 und 1 Ob 42/01k stünden damit nicht im Widerspruch, weil ihnen ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. In der Entscheidung 1 Ob 42/01k hätten erdbautechnische Veränderungen des höher liegenden Grundstückes zu einer maßgeblichen Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse geführt, weshalb sie als unmittelbare Zuleitung beurteilt worden seien. In der Entscheidung 6 Ob 517/93 habe der Oberste Gerichtshof ausgeführt, es liege eine unmittelbare Zuleitung vor, wenn durch das Anschieben zusammengepressten Schnees an Einfriedungen und Baulichkeiten den Druck und die Feuchtigkeitseinwirkung gegenüber natürlich gefallenem Schnee erheblich verstärkt werde. Im vorliegenden Fall seien aber durch die Aufschüttungen auf dem Grundstück des Beklagten weder der Druck noch die Feuchtigkeitseinwirkung derart verstärkt worden, dass von einer unmittelbaren Zuleitung gesprochen werden könne.

Hiezu wurde erwogen:

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann grundsätzlich auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden. In der Entscheidung SZ 14/210 wurde die Frage, ob eine unmittelbare oder mittelbare Einwirkung vorliege, nicht weiter erörtert. Die Entscheidung SZ 35/28 ist - wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - ebenso wie die Entscheidung SZ 14/210 von der Lehre kritisiert worden (Spielbüchler, aaO, § 364 ABGB Rz 7), sie ist durch die jüngere Rechtsprechung (insb 1 Ob 42/01k = ecolex 2001, 738 = immolex 2002, 333 = RdU 2002, 76 [Hofman, Kerschner]) auch überholt. In dieser Entscheidung hat nämlich der Oberste Gerichtshof ausgeführt, eine unmittelbare Zuleitung liege auch dann vor, wenn die Zuleitung durch eine "Veranstaltung" des Nachbarn bewirkt werde, die für eine Einwirkung gerade in der Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich sei, wenn also die Beklagten durch ihre "Veranstaltungen" die Möglichkeit zum Eintritt von Wasser auf das Grundstück der Kläger eröffneten. Diese Entscheidung steht auch im Einklang mit der ebenfalls vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 517/93. Die an der Entscheidung 1 Ob 42/01k geäußerte Kritik von Hofmann (RdU 2002, 78 f, wonach es eines finalen, zielgesteuerten Verhaltens bedürfe, wurde vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 92/02i abgelehnt und ausgeführt, dass eine Zuleitung dann unmittelbar sei, wenn sie weder auf die unbeeinflusst gebliebenen natürlichen Gegebenheiten zurückzuführen sei, noch darauf beruhe, dass noch ein weiteres Medium dazwischengeschaltet wurde, wie das etwa beim Versickern des (Ab )Wassers im Erdreich der Fall wäre.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht dieser jüngeren Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat anschließt. Die Einwirkungen auf das Grundstück der Klägerin (Druck und Feuchtigkeitseinwirkung auf die Mauer) ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die unbeeinflusst gebliebenen natürlichen Gegebenheiten zurückzuführen, sondern vielmehr auf "Veranstaltungen" (Aufschütten von Erdreich) auf der Liegenschaft der Beklagten.

Es war deshalb der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.