JudikaturJustiz29R306/97k

29R306/97k – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
11. November 1997

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch den Vizepräsidenten des Landesgerichtes Dr. Leitzenberger als Vorsitzenden und die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm und Dr. Enzenhofer als Mitglieder in der Rechtssache der klagenden Partei Christian R*****, ***** Scheibbs, *****, vertreten durch Dr. Karl Haas, Dr. Georg Lugert, Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Dr. Karl Renner-Promenade 10, wider die beklagten Parteien 1.) Johann F*****, Werbetexter, ***** Rekawinkel, *****, 2.) D***** ***** Versicherungs-AG, ***** Wien, *****, vertreten durch Dr. Remigius Etti, Rechtsanwalt in 2345 Brunn am Gebirge, Leopold Gattringer-Straße 40, wegen S 23.187,-- s.A., über die Berufung der beklagten Parteien (Berufungsinteresse S 11.093,50 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 24.6.1997, 7 C 2142/96h-16, nach mündlicher Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben und das erstgerichtliche Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil (Punkt 2.) mangels Anfechtung unberührt bleibt, im übrigen dahin abgeändert, daß es insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen Betrag von S 5.546,75 samt 4 % Zinsen seit 9.10.1996 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren von S 17.640,25 samt 4 % Zinsen seit 9.10.1996 wird

a b g e w i e s e n .

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 8.648,99 (darin S 1.191,05 USt und S 1.502,68 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten 1. Instanz zu ersetzen."

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit S 726,-- bestimmten Barauslagen des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Im übrigen werden die Kosten des Berufungsverfahrens gegeneinander a u f g e h o b e n .

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u - l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelausführungen in Ansehung einer Klagsstattgebung von S 5.546,75 s.A. (25 % des klägerischen Sachschadens) für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles insoweit für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Mit der Tatsachenrüge bekämpfen die Berufungswerber die erstgerichtliche Feststellung, wonach im Kollisionszeitpunkt beide Fahrzeuge in Bewegung gewesen seien (Seite 4 des Urteiles), und begehren statt dessen aufgrund der Aussagen des Erstbeklagten und seiner Gattin die Feststellung, daß im Kollisionszeitpunkt lediglich das Klagsfahrzeug in Bewegung, das Beklagtenfahrzeug hingegen im Stillstand gewesen sei. Dieser Argumentation kann jedoch nicht gefolgt werden. Dem Erstgericht ist darin beizupflichten, daß die in den Unfallsberichten Beilagen ./3 und ./4 enthaltenen, von Beklagtenseite stammenden Darstellungen bzw. Vermerke für eine Rückwärtsfahrbewegung des Beklagtenfahrzeuges im Kollisionszeitpunkt sprechen (vgl. dazu die Punkte 1. und 2. in Seite 5 des Urteiles). Wenn der Erstbeklagte in der Skizze seiner Schadensmeldung Beilage ./3 die Bemerkung "Fahrtrichtung Opel Kadett nach rückwärts" einfügte, beim Beklagtenfahrzeug aber keine entsprechende Anmerkung machte, so kann daraus nicht die Behauptung eines Stillstandes des Beklagtenfahrzeuges abgeleitet werden, zumal es in der daneben befindlichen "genauen Schilderung des Unfallherganges" heißt: ".... und wurde nach kurzem Anfahren vom Opel Kadett gerammt". Die Bemerkung in der Skizze dürfte vielmehr der Hervorhebung des besonderen Umstandes dienen, daß das Klagsfahrzeug gegen die Einbahnrichtung zurückfuhr. Letztlich führte der Erstbeklagte im Zuge seiner Parteienvernehmung über Vorhalt der Beilage ./3 aus, dieses Schriftstück könne durchaus stimmen und habe er das damals richtig angegeben; trotzdem könne er sich heute daran erinnern, daß er instinktiv nach links geblickt und sich im Kollisionszeitpunkt im Stillstand befunden habe. Aus diesen Erläuterungen geht aber ebenso hervor, daß dem schriftlichen Unfallsbericht (der dem Ereignis zeitlich näher liegt) eine Rückwärtsbewegung des Beklagtenfahrzeuges im Anstoßzeitpunkt zu unterstellen ist und die Aussage des Erstbeklagten vom 29.4.1997 (d.i. 20 Monate nach dem Unfall) davon abweicht. Wenn somit die Erstrichterin, die sich von den vernommenen Personen einen unmittelbaren Eindruck verschaffen konnte, bei der gegebenen divergierenden Beweissituation den Aussagen der Zeuginnen R***** und L***** gefolgt ist, die aus technischer Sicht nicht zu widerlegen sind, so ist dies als unbedenkliches Ergebnis freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 272 Abs.1 ZPO) nicht zu beanstanden.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt kommt hingegen der Rechtsrüge teilweise Berechtigung zu.

Wie der OGH bei einer ganz ähnlich gelagerten Fallgestaltung ausgesprochen hat, kommt es zu einer Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten des in einer Einbahn rückwärtsfahrenden PKW-Lenkers gegenüber dem aus einer Grundstückseinfahrt ohne Kontrollblick in die Gegenrichtung einfahrenden Verkehrsteilnehmer. Im Hinblick auf die bestehende Parkraumnot und die Notwendigkeit der besten Ausnützung des vorhandenen Platzes (§ 23 Abs.1 StVO) ist ein kurzes Rückwärtsfahren zum Zweck des Einparkens auch auf einer Einbahnstraße, auf der ein Rückwärtsfahren sonst gemäß § 52 Z 15 StVO iVm § 53 Z 10 StVO ausdrücklich verboten ist, im allgemeinen erlaubt. Jedoch darf auch ein erlaubtes Rückwärtsfahren stets nur mit besonderer Aufmerksamkeit und Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer durchgeführt werden; wer so zur besonderen Vorsicht und Rücksichtnahme aufgrund eines der allgemeinen Fahrordnung zuwiderlaufenden Fahrmanövers, wie es das Rückwärtsfahren darstellt, verpflichtet ist, kann für sich einen Vorrang nicht in Anspruch nehmen. Dies gilt auch gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der aus einer der im § 19 Abs.6 StVO genannten Verkehrsflächen kommend in die Fahrbahn der Straße einfährt, auf der die Rückwärtsfahrt vorgenommen wird. Entgegen der Auffassung der Berufungswerber trifft aber auch den Erstbeklagten ein Mitverschulden, das nicht mehr vernachlässigt werden kann. Er war nämlich vom Anfahren an verpflichtet, die nach dem Einbiegen vor ihm liegende Fahrbahn zu beobachten, und mußte insbesondere auch dem neben den parkenden Fahrzeugen anhaltenden und dann rückwärtsfahrenden PKW seine Aufmerksamkeit schenken. Wenn er auch in erster Linie den von der anderen Seite kommenden Fließverkehr zu beachten hatte, so hätte er doch auch einen Kontrollblick in Richtung des Klagsfahrzeuges werfen müssen. Das überwiegende Verschulden liegt aber bei der in der Einbahn rückwärtsfahrenden PKW-Lenkerin. Die in der Entscheidung ZVR 1977/282 vorgenommene Teilung von 1 : 1 kann deshalb nicht als Richtschnur dienen, weil dort nur der Rückwärtsfahrende das Höchstgericht angerufen hatte und nur zum Ausdruck kam, daß dieser durch eine 50%-ige Mitverschuldensquote nicht benachteiligt werde (ZVR 1981/11 mwN). Diese Verschuldensteilung ist im vorliegenden Fall sinngemäß heranzuziehen. Daß sich (im Gegensatz zur zitierten Entscheidung) auch das Beklagtenfahrzeug in einer Rückwärtsfahrt befand, vermag am überwiegenden Verschulden der Lenkerin des Klagsfahrzeuges nichts zu ändern, weil diese jedenfalls auf ausparkende Fahrzeuge achten mußte, während hingegen der Erstbeklagte den größeren Teil des Fahrzeugverkehrs im Sinne der Einbahnregelung erwarten durfte, wobei er bis zum Anstoß nur ein relativ kurzes Stück (ca. 1 m) zurücksetzte.

Aus allen diesen Erwägungen war daher in teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten die erstgerichtliche Entscheidung wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 43 Abs.1 und 50 ZPO.

In 1. Instanz ist der Kläger mit rund 24 % seines Begehrens durchgedrungen, weshalb den Beklagten 52 % der Anwaltskosten und 76 % der eigenen Barauslagen abzüglich 24 % der klägerischen Barauslagen gebühren. Der Ansatz für den Einspruch ON 3 war im Sinne des Vorbringens auf TP 2 I Z 1 lit. c RAT zu korrigieren. Der Ansatz für die mündliche Streitverhandlung vom 29.4.1997 beträgt ziffernmäßig exakt S 1.903,50. Die beiderseitigen Kostenvorschußbeträge waren auf das verbrauchte Ausmaß von je S 3.531,30 zu kürzen.

In 2. Instanz sind die Beklagten mit der Hälfte ihres Berufungsinteresses durchgedrungen, weshalb ihnen - bei sonstiger Kostenaufhebung - 50 % der Pauschalgebühr zu erstatten sind.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs.2 ZPO jedenfalls unzulässig.

Landesgericht St. Pölten