JudikaturJustiz26Ds15/21m

26Ds15/21m – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. September 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann sowie die Anwaltsrichter Mag. Dr. Schimik und Dr. Klaar in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom 31. Mai 2021, AZ *, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wehofer, des Kammeranwalts Dr. Klemm LL.M. und der Verteidigerin Mag. Dorfi zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der Tat (auch) unter das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und der Beschuldigte für das ihm weiterhin zur Last liegende Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verurteilt.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Beschuldigte auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt * der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er * mit Schreiben vom 2. Mai 2018 zur Bezahlung der Kosten für die Reparatur des durch deren Bambus bzw dessen unsachgemäße Entfernung beschädigten Gartenzauns seiner Mandantin * aufgefordert und dieses Schreiben direkt an die Genannte gerichtet, obwohl ihm aufgrund des bezüglich dieses Bambusbewuchses zu AZ * des Landesgerichts * zwischen der von ihm vertretenen * als Klägerin und * als Beklagte bereits anhängig gewesenen Verfahrens bekannt war, dass * in dieser Angelegenheit von der * Rechtsanwälte OG vertreten wurde, wobei er sein Schreiben vom 2. Mai 2018 auch nicht in Kopie an die * Rechtsanwälte OG sendete.

[3] Der Beschuldigte wurde hierfür gemäß § 16 Abs 1 Z 1 DSt zur Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

[4] Dagegen richtet sich seine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nur zum Teil Berechtigung zukommt.

[5] Zutreffend ist allein der inhaltlich als Subsumtionsrüge aufzufassende Einwand (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), dass das inkriminierte Verhalten die zur Unterstellung auch unter § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt erforderliche Publizität nicht erlangte: Eine Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes setzt voraus, dass das Fehlverhalten eine gewisse Publizitätswirkung entfaltet hat ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 10 § 1 DSt Rz 12). Nach der Rechtsprechung ist das der Fall, wenn entweder die Tat einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangte oder wenn das Fehlverhalten so schwerwiegend war, dass selbst mit einer auf wenige Personen beschränkten Kenntnis die Gefahr der Beeinträchtigung verbunden ist (RIS Justiz RS0055086, RS0054927). Vorliegend handelt es sich ausgehend von dem im Disziplinarerkenntnis festgestellten Sachverhalt um einen einmaligen Sorgfaltsverstoß, der keine weiteren Folgen nach sich gezogen hat. Die inkriminierte Kontaktaufnahme mit * gelangte zunächst nur dieser und in der Folge bloß den Mitarbeitern der * Rechtsanwälte OG zur Kenntnis (ES 4). Die für das demnach nicht schwerwiegende Fehlverhalten erforderliche Publizität für einen größeren Personenkreis wurde dadurch nicht bewirkt. Das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt ist demnach nicht erfüllt. Insoweit und daher auch im Strafausspruch war das angefochtene Erkenntnis demzufolge aufzuheben.

[6] Das Vorbringen gegen die verbleibende rechtliche Annahme einer Berufspflichtenverletzung (Z 9 lit a) ging fehl:

[7] § 19 RL BA 2015 verbietet dem Rechtsanwalt, mit der anwaltlich vertretenen Gegenseite unmittelbar Kontakt aufzunehmen. Das Umgehungsverbot dient in erster Linie dem Schutz des rechtsunkundigen Gegners vor vorschnellen Entschlüssen, ohne mit seinem Rechtsfreund Kontakt aufgenommen zu haben („Überrumpelung“). Der Eintritt eines konkreten Nachteils für den Gegner durch die Umgehungshandlung ist für die Verwirklichung des Tatbestands nicht erforderlich. Das Umgehungsverbot gründet sich nach ständiger Rechtsprechung auch auf das Gebot des kollegialen Umgangs unter Rechtsanwälten ( Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO 10 § 19 RL BA 2015 Rz 4, 7 und 13). Es betrifft zwar nur konkrete Rechtssachen (Vertretungen), sodass der Rechtsanwalt bei nicht konnexen Angelegenheiten durchaus direkten Kontakt aufnehmen kann. Vor dem Hintergrund der dargestellten Intention der Bestimmung ist aber von Konnexität auszugehen, wenn der Rechtsanwalt erkennen kann, dass der Gegner einen bestimmten Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen im Zusammenhang mit einem bestimmten Lebenssachverhalt betraut hat; im Zweifel ist eine Rückfrage angebracht ( Engelhart aaO Rz 9; RIS Justiz RS0056068 [T2]). Demnach ist das rechtlich eine Konnexität in Abrede stellende Berufungsvorbringen unzutreffend.

[8] Zu Unrecht vermeint der Beschuldigte (der Sache nach aus Z 9 lit b), sein Verhalten liege im Anwendungsbereich des § 3 DSt. Von einem im gegebenen Fall geringfügigen Verschulden, das erheblich hinter typischen Fällen solcher Verstöße (hier gegen das anwaltliche Umgehungsverbot nach § 19 RL BA) zurückbleibt (vgl RIS Justiz RS0089974, RS0101393; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 10 § 3 DSt Rz 5), kann nämlich keine Rede sein.

[9] Der Schuldberufung im engeren Sinn war ein Erfolg zu versagen, weil sich der Disziplinarrat im Rahmen seiner empirisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung mit allen entscheidungswesentlichen Umständen der Tat auseinandersetzte und seine Feststellungen überzeugend begründete, sodass gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage keine Bedenken bestehen.

[10] Bei der infolge Beseitigung der unrichtigen Subsumtion nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt vorzunehmenden Strafneubemessung blieb angesichts dessen, dass ohnedies nur die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises verhängt worden war, kein Raum für eine Milderung.

[11] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.