JudikaturJustiz21R26/07t

21R26/07t – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
01. Februar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Steger und Dr. Jungblut in der Rechtssache der klagenden Partei M *****, 2352 G *****, vertreten durch Dr. Max Urbanek, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Johann S *****, 3163 R *****, vertreten durch Dr. Robert Müller, Mag. Gregor Riess, Rechtsanwälte in Hainfeld, wegen € 406,32 s.A., über die als Rekurs zu wertende Berufung der Klägerin (Rekursinteresse € 42,48 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Lilienfeld vom 17.11.2006, 2 C 230/06s-11, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t F o l g e gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen dessen mit €

83,52 (darin € 13,92 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s

u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteils in seinem zurückweisenden Teil (Punkt 4. des Spruchs) für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§§ 500 a zweiter Satz, 526 Abs. 3 ZPO).

1. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel als Berufung, hilfsweise Rekurs bezeichnet und begehrt darin eine Sachentscheidung dahingehend, dass die Klagsforderung hinsichtlich eines weiteren Betrags von € 42,48 zu Recht bestehe und dem Klagebegehren insoweit stattgegeben werden möge.

Das Rechtsmittel richtet sich aber in Wahrheit gegen die Zurückweisung des Klagebegehrens im Umfang eines Betrags von € 42,48 wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs, die die Erstrichterin gemäß §§ 261 Abs. 1 und 5 ZPO in das Urteil mitaufgenommen hat. Die bloß unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels (das im Übrigen hilfsweise ohnedies auch als Rekurs ausgeführt wurde) schadet nicht (MGA JN/ZPO16, E. 16 b zu § 84 ZPO).

2. Gegenstand des Rekursverfahrens ist die Forderung der Klägerin auf Ersatz eines Betrags von € 42,48 an Mahnkosten des von ihr beauftragten Rechtsanwaltes. Sie hat dies in der Mahnklage unter Code 08 gestützt auf die AGB geltend gemacht, anlässlich der Ausdehnung des Klagebegehrens in der Verhandlung vom 8.11.2006 wurde dieser Betrag allerdings wiederum als Nebengebühr im Sinn des § 54 Abs. 2 JN (gegründet also offensichtlich auf § 1333 Abs. 3 ABGB) geltend gemacht. Im teilweisen Widerspruch dazu brachte der Klagevertreter vor, dass die Nebengebühren auf die privatrechtliche Vereinbarung laut Punkt I.3.3 der AGB gestützt werden, sodass eine Akzessorietät zum Hauptanspruch nicht bestehe.

Die Erstrichterin hat die Klagszurückweisung damit begründet, dass nach nunmehr herrschender höchstgerichtlicher Rechtsprechung (RIS-Justiz RS 0120431) § 23 RATG auch nach Einfügung des § 1333 Abs. 3 ABGB als speziellere Norm für rechtsanwaltliche Leistungen gelte. Es sei daher mit der letztgenannten Bestimmung keine selbständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs- und Einbringungsmaßnahmen geschaffen worden. Solange solche Kosten in Akzessorietät zum Hauptanspruch stünden, seien sie durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen, ihrer klageweisen Geltendmachung stehe das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen.

Die Richtigkeit dieser vom OGH nun mehrfach bestätigten Auffassung (siehe die Judikaturlinie zu RIS-Justiz RS0120431) wird von der Klägerin in ihrem Rechtsmittel auch gar nicht in Zweifel gezogen. Damit ist aber auch klargestellt, dass ein Zuspruch der vorprozessualen Inkassospesen als Nebenforderung im Sinn des § 54 Abs. 2 JN, somit gestützt auf § 1333 Abs. 3 ABGB, keinesfalls in Betracht kommt (in diesem Sinn auch das OLG Innsbruck in der von der Rekurswerberin selbst zitierten Entscheidung 1 R 275/00a = RIS-Justiz RI0000107, allerdings zur Rechtslage vor dem ZinsRÄG). Ginge man also davon aus, dass laut Klagebegehren die Klägerin die Inkassospesen ausschließlich gemäß § 54 Abs. 2 JN, somit als Kosten im Sinn dieser Gesetzesstelle geltend gemacht hat, so wäre die Klagszurückweisung zu Recht erfolgt.

3. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin aber davon ausgeht, dass sie - durch ihr ergänzendes Vorbringen, wonach durch Abschluss der Vereinbarung laut AGB die Akzessorietät zum Hauptanspruch aufgehoben sei - die Inkassospesen als selbständige Hauptforderung einklagen wollte, dann wäre für sie nichts gewonnen.

Die Klägerin versucht darzutun, dass die Bestimmung I.3.3 der AGB der Klägerin eine privatrechtliche Vereinbarung darstelle, durch die sich der Beklagte zur Zahlung der Inkassospesen verpflichte. Aus diesem Grund sei die Akzessorietät zum Hauptanspruch aufgehoben. Sie zitiert in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des OLG Graz, 4 R 140/06z, in der die Auffassung vertreten wird, dass die Akzessorietät vorprozessualer Kosten zum Hauptanspruch durch eine Vereinbarung generell aufgehoben werde, wobei dies auch für sogenannte „Vorwegvereinbarungen“ gelte, also auch für Vereinbarungen, die vor dem Entstehen derartiger Kosten geschlossen worden seien, weil es im Licht der Vertragsfreiheit grundsätzlich zulässig sei, wenn sich ein Vertragspartner für den Fall des Verzugs des anderen mit dessen Gegenleistung derart absichere, dass er die Kosten, die ihm dadurch entstehen, dass er den Vertragspartner zur Einhaltung seiner Leistungsverpflichtung bewegt, auf den im Leistungsverzug befindlichen Vertragspartner überwälze (2 Ob 9/97f mwN).

Rechtliche Beurteilung

Das Rekursgericht hat in seiner ständigen Rechtsprechung vor Inkrafttreten des ZinsRÄG - und in der hier zu beurteilenden Konstellation hat die Rechtslage nach dem ZinsRÄG keine Änderung gebracht - vertreten, dass die bloße Vereinbarung, die die Klägerin berechtige, Mahngebühren bzw. Inkassospesen zu verlangen, die Akzessorietät der Kostenforderung zum Hauptanspruch noch nicht aufhebe; dies sei nur bei einer qualifizierten Vereinbarung wie etwa einem konstitutiven Anerkenntnis oder einem Vergleich hinsichtlich der bisherigen Hauptforderung zuzüglich der bereits entstandenen Kosten anders zu sehen (hg. 36 R 297/99s; hg. 36 R 329/01b u.v.a.). Die durch das Bundesgesetz BGBl I 1997/6 eingeführte Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 15 KSchG, wonach für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich seien, nach denen er sich nach Eintritt des Verzugs zur Zahlung von Betreibungs- oder Einbringungskosten verpflichtet habe, sofern diese Kosten in der Vereinbarung nicht gesondert und aufgeschlüsselt ausgewiesen seien oder soweit diese Kosten zur zweckentsprechenden Betreibung oder Einbringung der Forderung nicht notwendig gewesen seien, stehe dem keineswegs entgegen. Diese Bestimmung beziehe sich nämlich schon ihrem Wortlaut nach nur auf solche Vereinbarungen, die nach Eintritt des Verzugs und nach Entstehen der konkreten Kosten geschlossen worden seien (etwa in Form von außergerichtlichen Anerkenntnissen oder Vergleichen). Für derartige nachträglich vereinbarte Kosten war nach der ständigen Rechtsprechung des Rekursgerichts der ordentliche Klagsweg immer schon zulässig. Dass sich eine Klägerin im konkreten Fall darauf berief, bereits bei Vertragsabschluss habe der Beklagte die Verpflichtung übernommen, ihr als Gläubigerin die Kosten der außergerichtlichen Geltendmachung im Fall der Säumigkeit zu ersetzen, konnte somit die Zulässigkeit des Rechtswegs für die geltend gemachte Kostenforderung nicht begründen (RZ 1997/44; hg. 36 R 78/01s). Diese Auffassung wurde etwa auch von oberösterreichischen Rechtsmittelgerichten wie dem OLG Linz (6 R 23/99s) geteilt. Der Argumentation des OLG Graz ist zunächst entgegenzuhalten, dass eine schon etwas ältere Rechtsprechungslinie des OGH (RIS-Justiz RS0002209) etwa aussprach, dass von der öffentlich-rechtlichen Natur des Kostenanspruchs nur so lange ausgegangen werden könne, als nicht die Akzessorietät durch die Verselbständigung des Kostenanspruchs untergegangen sei. Dies sei dann der Fall, wenn eine abschließende über die Verfahrensvorschriften der Exekutionsordnung hinausgehende und von der zwangsweisen Durchsetzung des Hauptanspruchs unabhängige vertragliche Regelung über die Tragung der Kosten vorliege (RIS-Justiz RS0002209). Die zitierte Entscheidung 2 Ob 9/97f (SZ 71/150) betraf eine Verbandsklage nach § 28 KSchG, in der die gröbliche Benachteiligungseignung einer Klausel, die undifferenziert sämtliche Kosten der allfälligen Betreibung und Eintreibung auf den säumigen Schuldner überwälzen sollte, im Sinn des § 879 Abs. 3 ABGB zu beurteilen war. Ob die Akzessorietät einer aus einer derartigen Vereinbarung in den AGB abgeleiteten Kostenforderung zum Hauptanspruch durch eine derartige Vereinbarung aufgehoben wird oder nicht, wird weder in dieser Entscheidung noch in den zu RIS-Justiz RS0110991 veröffentlichten Judikaten dezidiert beantwortet.

Die ebenfalls zitierte Entscheidung des OGH zu 4 Ob 103/06k betrifft einen ganz anderen Sachverhalt, nämlich eine Kostenforderung, die sich ausschließlich auf einen Teil einer Forderung bezieht, der nicht eingeklagt wurde und auch nicht mehr eingeklagt werden kann. Dann hänge das Schicksal der Kostenforderung nicht vom Erfolg bei der Durchsetzung der anderen Teilforderung ab, damit falle der tragende Grund für die Akzessorietät der Kostenforderung weg (RIS-Justiz RS 0121108). Der hier vorliegende Sachverhalt ist dem nicht vergleichbar.

Nach Auffassung des Rekursgerichts würde ja dem anwaltlichen Tarifgefüge, insbesondere der speziellen Norm des § 23 RATG, die der OGH ungeachtet der Einfügung des § 1333 Abs. 3 ABGB als vorrangige Norm für den öffentlich-rechtlichen prozessualen Kostenersatzanspruch in Bezug auf Rechtsanwaltskosten ansieht (RIS-Justiz RS0120431), die Grundlage entzogen, würde man in allen Fällen, in denen AGB vorweg und ganz pauschal vorsehen, dass der Schuldner der Gläubigerin auch die Kosten anwaltlicher Mahnschreiben ersetzen muss, von einer Aufhebung der Akzessorietät zum Hauptanspruch ausgehen. Im konkreten Fall kommt dazu, dass nach Punkt I.3.3 zwar der Kunde verpflichtet wurde, der Klägerin die entstehenden Mahn- und Inkassospesen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, zu ersetzen. Dies umfasse jedenfalls im Sinn des § 1333 ABGB die Kosten eines Mahnschreibens eines mit der Eintreibung beauftragten Rechtsanwalts nach den Autonomen Honorar-Richtlinien. In den AGB wird daher ausdrücklich auf § 1333 ABGB Bezug genommen, der nach nunmehr herrschender höchstgerichtlicher Rechtsprechung aber die Qualifikation von anwaltlichen Mahnkosten als Nebenforderung im Sinn des § 54 Abs. 2 JN gerade nicht rechtfertigt.

Der Hauptanspruch der Klägerin ist im konkreten Fall nicht weggefallen, sondern war Gegenstand des Prozesses; die bloße Vorwegvereinbarung in Punkt I.3.3 der AGB mag vertragsrechtlich zulässig sein; sie reicht aber nicht aus, die Akzessorietät der Forderung auf Ersatz dieser Mahnkosten zum Hauptanspruch aufzuheben, weshalb die Erstrichterin zutreffend von der Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgegangen ist. Die Klägerin hat die Mahnkosten ihres Rechtsanwalts ohnedies auch in der Kostennote verzeichnet, sie wurden aber nicht zugesprochen, ein Kostenrekurs wurde insoweit nicht erhoben. In dem Zusammenhang sei auch darauf verwiesen, dass gemäß § 23 Abs. 4 RATG außergerichtliche Nebenleistungen grundsätzlich vom Einheitssatz umfasst sind, falls sie keinen erheblichen Aufwand an Zeit und Mühe erforderten (1 Ob 69/06p). Davon kann hier bei einer Rechtsanwaltsmahnung wohl keine Rede sein.

Im Hinblick auf die in § 23 RATG geregelte Höhe des Einheitssatzes ist auch eine Benachteiligung der Rechtsanwälte gegenüber Inkassoinstituten darin keineswegs gelegen (so ausdrücklich 3 Ob 127/05f; 1 Ob 69/06p).

Aus diesen Gründen konnte dem Rekurs der Klägerin kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat sie dem Beklagten die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen, für die allerdings nur einfacher Einheitssatz zusteht.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 1 ZPO jedenfalls

unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6