JudikaturJustiz21R19/07p

21R19/07p – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2007

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender), Dr. Steger und Mag. Nigl (Mitglieder) in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst Z*****, Privater, ***** W*****, vertreten durch Mag. Stefan Benesch, LL.M., LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Hilde M*****, Private***** W*****, und 2. Anton W*****, Vermessungstechniker, ***** K*****, beide vertreten durch Dr. Martin Wandl, Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Besitzstörung (Streitwert € 580,--), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichtes Neulengbach vom 15.11.2006, 2 C 727/06s-10, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird n i c h t F o l g e gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien binnen 14 Tagen die mit € 183,32 (darin enthalten € 30,55 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist j e d e n f a l l s

u n z u l ä s s i g .

Text

Begründung:

Das Rekursgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Endbeschlusses im Ergebnis für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§§ 526 Abs. 3, 500 a zweiter Satz ZPO).

Zum Verständnis der Rechtsausführungen des Rekursgerichtes ist vom festgestellten Sachverhalt nachstehendes hervorzuheben:

Der Kläger ist Mieter der Teilfläche Parzelle Nr. ***** des Grundstückes ***** inneliegend der im Alleineigentum der Erstbeklagten stehenden Liegenschaft EZ ***** KG ***** A*****. Zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten wurde ein Mietvertrag über diese Parzelle geschlossen. Der Kläger hat darauf ein Superädifikat errichtet.

Auf der Liegenschaft der Erstbeklagten befinden sich 18 Parzellen mit Ferienhäusern. Im April 2006 hat die Erstbeklagte das Vermessungsbüro DI H. S*****, Ziviltechniker GesmbH in S *****, mit der Vermessung ihrer Liegenschaft beauftragt. Der Zweitbeklagte führte daraufhin die beauftragte Vermessung durch, wobei er auch die vom Kläger gemietete Parzelle betrat. Die Erstbeklagte war bei dieser Vermessung auf ihrer Liegenschaft anwesend, betrat die vom Kläger gemietete Parzelle jedoch nicht. Eine vorherige Verständigung des Klägers von den Vermessungsarbeiten erfolgte nicht.

Der vorliegende Rekurs richtet sich gegen den klagsabweisenden Endbeschluss des Erstgerichtes, welchen dieses damit begründet hat, dass im Hinblick auf § 43 Abs. 1 VermG der Zweitbeklagte zum Betreten der streitgegenständlichen Liegenschaft befugt gewesen sei, sodass die für die Besitzstörung erforderliche Eigenmacht nicht gegeben sei. Die Erstbeklagte habe dem Zweitbeklagten keinen Auftrag gegeben, das vermietete Grundstück zu betreten.

Der Rekurswerber wendet sich im Rahmen des Rekursgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegen die Auslegung des Erstgerichtes, wonach § 43 Abs. 1 VermG auch auf in privatem Auftrag durchgeführte Vermessungstätigkeiten anwendbar sei. § 43 Abs. 2 VermG normiere die Verpflichtung, bei Ausübung der Befugnisse nach Abs. 1 dieser Bestimmung Beeinträchtigungen der Ausübung von Rechten an den Grundstücken soweit wie möglich zu vermeiden. Da die Beklagten den Kläger von der beabsichtigten Vermessung nicht verständigt hätten, sei selbst unter der Voraussetzung, dass das Betreten des Grundstückes durch einen beauftragten Vermessungstechniker im konkreten Fall grundsätzlich zulässig gewesen wäre, dies dennoch als Besitzstörungshandlung zu qualifizieren. Die Erstbeklagte habe den Auftrag erteilt, die 18 Grundstücke (gemeint Parzellen) zu vermessen, und sei, da von ihr Abhilfe zu erwarten gewesen wäre und sie bei der Vermessung anwesend gewesen sei, gleichfalls passivlegitimiert. Darüber hinaus komme ihr die Privilegierung des § 43 Abs. 1 VermG nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Zu den im Rekurs vorgetragenen Argumenten hat das Rekursgericht zusammengefasst folgendes erwogen:

Mit der vorliegenden Frage, ob Ingenieurkonsulenten und deren Mitarbeitern bei der Durchführung von vermessungstechnischen Arbeiten in privatem Auftrag aufgrund der gesetzlichen Bestimmung des § 43 Abs. 1 Z 1 VermG die Befugnis zukommt, ohne weitere Voraussetzungen jedes Grundstück mit Ausnahme der darauf errichteten Gebäude zu betreten, haben sich - soweit überblickbar - bisher das LG für ZRS Graz in seiner Entscheidung 6 R 413/98v und das LG für ZRS Wien in seiner Entscheidung 36 R 170/06a auseinandergesetzt. Das Rekursgericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen in den oben genannten Entscheidungen an, wonach im vorliegenden Fall die für die Besitzstörung erforderliche Eigenmacht fehlt. Eigenmacht ist das Fehlen von Rechtfertigungsgründen (Kodek, Besitzstörung, 205f; 549). Bei dem im vorliegenden Fall in Betracht kommenden Rechtfertigungsgrund der gesetzlichen Erlaubnis wird verlangt, dass das Gesetz ohne Dazwischentreten eines weiteren Verfahrens (wie beispielsweise eines Exekutionsverfahrens) den Eingriff direkt erlaubt (Kodek, a.a.O, 568f). § 43 Abs. 1 Z 1 VermG erlaubt in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Z 1 LiegTeilG Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen und deren Mitarbeitern (vgl. Kaluza/Burtscher, Vermessungsrecht3, Anm. 1 zu § 43 VermG) zur Durchführung ihrer vermessungstechnischen Arbeiten jedes Grundstück mit Ausnahme der darauf errichteten Gebäude zu betreten. Diese Befugnis stellt eine Legalservitut iSd § 364 ABGB dar (vgl. Kaluza/Burtscher, a.a.O., Anm. 1 zu § 4 VermG). Da kein weiteres Genehmigungs- oder Zustimmungsverfahren verlangt wird, bildet diese Legalservitut damit einen Rechtfertigungsgrund, der die Eigenmacht des Eingreifenden und damit die Besitzstörung ausschließt.

Es ist sowohl dem LG für ZRS Graz als auch dem LG für ZRS Wien in den oben zitierten Entscheidungen darin zu folgen, dass sich aus einem Vergleich des § 4 Abs. 1 VermG mit § 43 Abs. 1 VermG eindeutig ergibt, dass die Legalservitut des § 43 Abs. 1 VermG sich auf die Durchführung vermessungstechnischer Arbeiten in wessen Auftrag auch immer bezieht. § 43 Abs. 1 VermG enthält eben im Gegensatz zu § 4 Abs. 1 VermG keine Einschränkung auf die Durchführung der im § 1 Z 1 bis 7 VermG angeführten Aufgaben, berechtigt aber im Gegenzug in Z 3 nur zur vorübergehenden Anbringung von Vermessungszeichen. Auch die Überschrift des § 43 Abs. 1 VermG „Sonderbestimmungen für Vermessungsbefugte“ weist eindeutig darauf hin, dass sich diese Bestimmung auf einen über die hoheitlich agierenden Vermessungsbehörden hinausgehenden Anwendungsbereich bezieht. Die vom Rekurswerber gewünschte Interpretation der Bestimmung des § 43 Abs. 1 VermG, wonach damit nur Befugnisse von in behördlichem Auftrag handelnden Personen geregelt werden sollten, kann mit der dargestellten Systematik und dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang gebracht werden. Mangels Eigenmacht der Eingreifenden liegt damit im vorliegenden Fall keine Besitzstörung vor. Daran ändert auch nichts, dass es die Beklagten unterlassen haben, den Kläger vorweg von den vorzunehmenden Vermessungsarbeiten zu verständigen. Liegt ein Rechtfertigungsgrund vor, so ist der Eingriff jedenfalls gerechtfertigt und stellt keine Besitzstörung dar, da es an Eigenmacht fehlt. Wie schon das LG für ZRS Wien in seiner Entscheidung 36 R 170/06a richtig ausführt, wäre eine Berufung auf den Rechtfertigungsgrund und eine vorherige Ankündigung zwar von der Höflichkeit geboten gewesen, kann jedoch mangels gesetzlicher Anordnung nicht verlangt werden, da ansonsten auch bei allen anderen gerechtfertigten Eingriffen eine explizite vorhergehende Berufung auf den Rechtfertigungsgrund zu erfolgen hätte. Zwar sind nach § 43 Abs. 2 VermG bei Ausübung der Befugnisse nach Abs. 1 leg.cit. Beeinträchtigungen der Ausübung von Rechten an den Grundstücken soweit wie möglich zu vermeiden, daraus lässt sich jedoch - entgegen der Ansicht des Rekurswerbers - nicht ableiten, dass ohne vorhergehende Verständigung des Klägers kein gerechtfertigter Eingriff, sondern eine Besitzstörungshandlung vorliege. § 43 Abs. 2 VermG normiert eben gerade nicht die Verpflichtung des Eingreifenden, den Besitzer vorweg vom beabsichtigten Eingriff und dessen Rechtfertigung zu verständigen. Da der Kläger im Hinblick auf die vorliegende Legalservitut auch keine Möglichkeit gehabt hätte, das Betreten der von ihm gemieteten Parzelle durch den Zweitbeklagten im Rahmen der Durchführung der vermessungstechnischen Arbeiten zu verhindern oder zu verbieten, ist der Kläger auch in keiner Weise an der Ausübung von Rechten an dem gegenständlichen Grundstück gehindert worden. Ein Teilnahmerecht des Klägers an den vorgenommenen vermessungstechnischen Arbeiten lässt sich aus den genannten Bestimmungen des Vermessungsgesetzes nicht ableiten. Im Ergebnis lässt sich also sagen, dass die Beklagten dadurch, dass sie den Kläger nicht von der Durchführung von vermessungstechnischen Arbeiten auf der von ihm gemieteten Parzelle verständigt haben, zwar möglicherweise nicht der gebotenen Höflichkeit entsprochen, den Kläger damit aber in keiner Weise an seinen Rechten verletzt oder eigenmächtig in dessen ruhigem Besitz gestört haben. Mangels Vorliegens einer Besitzstörungshandlung durch den Zweitbeklagten sind auch die Ausführungen des Rekurswerbers zur Stellung der Erstbeklagten als Person, von der Abhilfe gegen den unmittelbaren Störer erwartet werden könne, obsolet. Da keine Besitzstörungshandlung durch den Zweitbeklagten vorlag, war die Erstbeklagte selbstverständlich auch nicht gehalten, Abhilfe dagegen zu schaffen.

Warum die Erstbeklagte, welche die gegenständliche Parzelle ja nicht betreten hat, unabhängig von der Rechtfertigung des Zweitbeklagten aufgrund der vorliegenden Legalservitut jedenfalls als Störer zu betrachten sein soll, ist nicht ersichtlich. Die Erstbeklagte hat einem Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen einen Vermessungsauftrag erteilt, den dessen Mitarbeiter eigenständig und ohne weitere Anweisungen der Erstbeklagten durchgeführt hat. Warum im Hinblick auf die vorliegende Legalservitut die Erstbeklagte als Vermieterin die Pflicht gehabt haben soll, sich an den Mieter des Grundstückes zu wenden, um eine Begehung zu ermöglichen, widrigenfalls sie den ruhigen Rechtsbesitz des Mieters stören würde, ist nicht ersichtlich. Der vom Rekurswerber gezogene Vergleich zum nicht genehmigten Betreten einer Wohnung, um diese auszumessen, ist nicht stichhältig, bezieht sich die Legalservitut des § 43 Abs. 1 Z 1 VermG doch ausdrücklich auf die Erlaubnis, jedes Grundstück mit Ausnahme der darauf errichteten Gebäude zu betreten. Da hier der Zweitbeklagte kein auf der Parzelle befindliches Gebäude betreten hat, ist der vorliegende Fall damit völlig anders gelagert. Aus all diesen Erwägungen konnte daher dem Rekurs des Klägers kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß den §§ 41 und 50 ZPO hat der Kläger den Beklagten die Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs. 2 Z 6 ZPO jedenfalls

unzulässig.

Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6