JudikaturJustiz21R124/06b

21R124/06b – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
06. April 2006

Kopf

Im Namen der Republik

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Hintermeier und Dr. Steger in der Rechtssache der klagenden Partei Erwin A *****, vertreten durch Dr. Karl Haas, Mag. Andreas Friedl, Rechtsanwälte in St. Pölten, wider die beklagten Parteien 1. Johannes T *****, und 2. E ***** Versicherung AG, *****, beide vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Mag. Volker Leitner, Mag. Christian Schweinzer, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen € 513,72 s.A., über die Berufung der Beklagten (Berufungsinteresse € 314,28 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.2.2006, 8 C 1199/05f-13, gemäß § 501 Abs. 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird t e i l w e i s e F o l g e gegeben. Das angefochtene Urteil, das in seinem klagsabweisenden Teil als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen dahingehend abgeändert, dass es insgesamt zu lauten hat wie folgt:

"1. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen € 209,52 samt 4 % Zinsen seit 20.5.2005 zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren von € 304,20 samt 4 % Zinsen seit 20.5.2005 wird a b g e w i e s e n .

3. Der Kläger ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen deren mit €

101,04 (darin € 10,47 USt und € 38,20 Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen dessen mit € 39,97 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen in Ansehung einer Klagsstattgebung im Ausmaß von € 209,52 s.A. für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für insoweit zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechtsrüge vertreten die Beklagten zunächst die Auffassung, es mangle im konkreten Fall an einem adäquaten Kausalzusammenhang. Nach der Adäquanzformel wird für alle zufälligen Folgen des schuldhaften Verhaltens gehaftet, mit deren Möglichkeit in abstracto gerechnet werden muss, nicht jedoch für einen atypischen Erfolg (MGA ABGB36, E. 96 zu § 1295; Koziol Haftpflichtrecht I3, Rz 8/8). Negativ formuliert bedeutet dies, dass ein Schaden dann inadäquat ist, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (Koziol a. a.O.; SZ 58/128). Dabei genügt es, dass die generelle Eignung einer Ursache, den Schaden herbeizuführen, von jedem vernünftigen Menschen erkannt werden kann, mag auch die konkrete Einzelfolge an sich gerade nicht erkennbar sein.

Im Gegensatz zu dem auch in der Berufung zitierten, zu SZ 58/128 veröffentlichten Fall ist hier ein Adäquanzzusammenhang zu bejahen. Während zu SZ 58/128 der OGH als entscheidend ansah, dass das Kraftwerk des Klägers in einer dem Stand der Technik widersprechenden unüblichen und völlig unzulänglichen Weise gegen die Folgen von Kurzschlüssen in der Freileitung abgesichert war, wodurch es dazu kommen konnte, dass das Kraftfahrzeug der Zweitbeklagten, das gegen den Strommasten prallte, einen elektrischen Kurzschluss auslöste, der zu einem Brand im Kraftwerk führte, geht es im hier zu beurteilenden Fall darum, dass das Kraftfahrzeug des Klägers zum Unfallszeitpunkt einen Vorschaden insoweit aufwies, als etwa 2 Wochen vor dem Verkehrsunfall ein Einbrecher versucht hatte, sich durch einen "Schlossstich" zum Fahrzeug Zutritt zu verschaffen. Dadurch war der Schlosszylinder bei der Fahrertür "angeknackst", nicht jedoch herausgebrochen worden. Nach dem versuchten Einbruchsdiebstahl hatte sich das fahrerseitige Schloss nicht mehr sperren lassen, es "drehte durch", der Kläger wurde dadurch allerdings nicht besonders beeinträchtigt, weil er die Fahrertür im Weg der Zentralverriegelung öffnen und schließen konnte. Er ent- und verriegelte auch die Fahrertür also dann durch das Sperren der Beifahrertüre. Durch den Anstoß im Zug des Verkehrsunfalls fiel das Fahrerschloss dann aus dem Zylinder und, als der Kläger nach dem Unfall das beschädigte Fahrzeug in gewohnter Manier versperren wollte (nämlich durch Sperren des beifahrerseitigen Schlosses), schaltete sich die Zentralverriegelungspumpe ein. Weil das fahrerseitige Schloss sich nicht mehr in der ursprünglichen Position befand, sondern etwas verrückt war, ließ sich die fahrerseitige Türverriegelung allerdings nicht mehr sperren und die Zentralverriegelungspumpe, die nur für kurze Belastungen ausgerichtet ist, kämpfte über zwei bis drei Minuten gegen den Widerstand an, dann war der Motor der Zentralverriegelungspumpe abgebrannt.

Dass nun bei einem Verkehrsunfall ein Fahrzeug mit gewissen Vorschäden beschädigt wird, die dadurch größer werden, kann keineswegs als völlig unüblich bezeichnet werden, ebensowenig der Umstand, dass eine Zentralverriegelung eben nicht im Weg der Fahrertür, sondern der Beifahrertür gesperrt wird. Auch dass sich ein Schloss zwar nicht mehr mit dem Schlüssel versperren lässt, wohl aber mit Hilfe der Zentralverriegelung, ist keineswegs technisch dermaßen außergewöhnlich wie, dass ein Kraftwerk ohne jede Kurzschlusssicherung betrieben wird, zumal gerade in letzter Zeit versuchte oder auch vollendete Einbrüche in PKWs im Weg der "Schlossstichmethode" leider sehr häufig geworden sind. Die adäquate Schadensverursachung ist daher zu bejahen.

Gerechtfertigt sind die Einwände der Beklagten aber, was eine Schadensteilung betrifft.

Ein Mitverschulden des Klägers durch den Umstand, dass er die Schlossbeschädigung infolge des versuchten Einbruchsdiebstahls nicht sofort reparieren hat lassen, hat der Erstrichter zwar ebenso zutreffend verneint wie dadurch, dass der Kläger den Schaden letztlich selbst herbeiführte, indem er ungeachtet des Umstands, dass das fahrerseitige Schloss in seiner Position verrückt war bzw. herausfiel, versuchte die Zentralverriegelungsanlage im Weg der Beifahrertür zu sperren. Ein Mitverschulden im Sinn des § 1304 ABGB wird in dem Zusammenhang in der Berufung auch gar nicht mehr reklamiert.

Zu einer Schadensteilung hat es allerdings aus Kausalitätserwägungen zu kommen, dies mit folgender Begründung:

Notwendige Bedingung für den letztlichen Schadenseintritt waren im konkreten Fall folgende Umstände:

Zunächst war dies der "Schlossstich" des Diebes, ohne den nach den erstgerichtlichen Feststellungen der Schaden nicht eingetreten wäre, weil die Wucht des Anpralls alleine, die damit einhergehende Beschleunigung sowie die Deformation der linken Fahrzeugseite nicht ausgereicht hätten, um ein Herausfallen bzw. eine Verrückung der Position des Schlosses zu bewirken. Die zweite Ursache war die Unterlassung der Reparatur des beschädigten Schlosses durch den Kläger und seine im Zusammenhang damit aufgenommene Gewohnheit, auch die Fahrertür dadurch zu ent- bzw. verriegeln, dass er sie im Weg des Schlosses der Beifahrertür mit Hilfe der Zentralverriegelungsanlage sperrte. Hätte der Kläger nämlich das Schloss tatsächlich reparieren lassen und sich nicht angewöhnt, im Weg der Beifahrertür das Schloss an der Fahrertür zu sperren, wäre der Schaden genauso unterblieben. Letztlich war Schadensursache der vom Erstbeklagten verschuldete Verkehrsunfall, ohne den das fahrerseitige Schloss nicht aus dem Zylinder gefallen wäre, und zwar auch nicht bei längerem Belassen im unreparierten Zustand.

Ein Fall der alternativen Kausalität liegt hier deshalb nicht vor, weil Voraussetzung dafür ist, dass mehrere Personen als Schädiger in Betracht kommen, aber nicht festgestellt werden kann, welche von ihnen den Schaden tatsächlich verursachte (Koziol, a.a.O., Rz 3/26; Harrer in Schwimann3, Rz 29 zu §§ 1301, 1302). Hier steht allerdings fest, dass alle drei Ursachen in ihrem Zusammenwirken kausal für den letztlich eingetretenen Schaden waren.

Ebensowenig kann als sicher unterstellt werden, dass das Vorhandensein der Vorschäden (etwa des "Schlossstichs") für das konkrete Schadensereignis auch allein ursächlich gewesen wäre; kumulative Kausalität ist demnach ebenfalls zu verneinen. Diese wäre dann gegeben, wenn der Erfolg von zwei oder mehreren gleichzeitig und unabhängig voneinander wirksamen Bedingungen herbeigeführt wird, von denen jede mit Sicherheit denselben Erfolg für sich allein nach sich gezogen hätte (Koziol a.a.O., Rz 3/51 ff; RIS-Justiz RS 0092078). Im konkreten Fall ist es vielmehr so, dass das Zusammenwirken aller drei Umstände ursächlich war, es waren also alle drei Einwirkungen conditio sine qua non für den Gesamtschaden. Koziol spricht in diesem Zusammenhang von "summierten Einwirkungen" (a.a.O., Rz 3/84 f; SZ 61/273; 1 Ob 175/01v). In einem solchen Fall der summierten Kausalität entsteht (so SZ 61/273) bei Vorliegen der anderen Zurechnungsmomente eine Solidarverpflichtung, die Grundsätze des § 1302 ABGB sind sinngemäß anwendbar (RIS-Justiz RS 0010538). Hat nun aber der Geschädigte einen Zufall zu vertreten, so wird für den Bereich der alternativen Kausalität (der Lehre F. Bydlinskis folgend) vertreten, dass der aus § 1304 ABGB gewonnene Grundgedanke des Prinzips der Schadensteilung entsprechend zur Anwendung zu kommen habe; der Schaden ist daher etwa im Fall eines Haftungsgrundes eines ärztlichen Behandlungsfehlers und eines vom Geschädigten zu vertretenden Zufalls gemäß § 1304 ABGB zu teilen (SZ 68/207). Dieser Grundgedanke ist nach Auffassung des Berufungsgerichtes auch im Fall der summierten Einwirkungen fruchtbar zu machen, wenn eine dieser Einwirkungen auf einem vom Geschädigten selbst zu vertretenden Zufall beruht.

Dieser ist hier in dem Umstand zu sehen, dass der Kläger es unterlassen hat, sein beschädigtes Fahrzeug reparieren zu lassen, und anstelle dessen im Weg der Beifahrertür und der Zentralverriegelung die Fahrertür sperrte. Es kann ihm dies zwar nicht als Mitverschulden angerechnet werden, er hat damit aber eine adäquat kausale Schadensursache im Rahmen der summierten Kausalität gesetzt, was zu einer Schadensteilung nach § 1304 ABGB zu führen hat. Dem gegenüberzustellen sind der "Schlossstich" des Diebs einerseits und die Beschädigung des Fahrzeugs beim Verkehrsunfall andererseits, für die der Dieb und die Beklagten zur ungeteilten Hand haften. Ein Drittel des Gesamtschadens hat somit der Kläger aufgrund des von ihm zu vertretenden Zufalls - unabhängig von einem Mitverschulden - selbst zu tragen, für die restlichen zwei Drittel haften ihm die beiden weiteren Verursacher, nämlich der Dieb und die Beklagten zur ungeteilten Hand. In teilweiser Abänderung des Ersturteils war daher ein weiterer Klagsbetrag von € 104,76 s.A. abzuweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43 Abs. 1, 50 ZPO. Im Verfahren erster Instanz ist der Kläger mit 41 % seiner Ansprüche durchgedrungen, mit 59 % hingegen unterlegen, er hat demnach den Beklagten 18 % der Kosten des Verfahrens zu ersetzen, die tarifgemäß verzeichnet wurden. Dazu kommen 59 % der Barauslagen. Der Kläger seinerseits hat Anspruch auf 41 % der Barauslagen.

Im Berufungsverfahren sind die Beklagten mit einem Drittel ihres Berufungsinteresses durchgedrungen, sie haben dem Kläger daher ein Drittel der Berufungsbeantwortungskosten abzüglich eines Drittels der von ihnen ausgelegten Pauschalgebühr zu ersetzen.

Eine Revision ist gemäß § 502 Abs. 2 ZPO jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6