JudikaturJustiz1Ob96/53

1Ob96/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Februar 1953

Kopf

SZ 26/31

Spruch

Pfandscheine einer Pfandleihanstalt sind Legitimationspapiere.

Die Pfändung des Herausgabeanspruches gegen die Pfandleihanstalt als Drittschuldner bezüglich dort verpfändeter Sachen des Verpflichteten ist nur durch gleichzeitige Pfändung des Pfandscheines nach § 253 EO. vollstreckbar.

Eine abgesonderte Pfändung des Herausgabeanspruches nach § 294 EO. ist unzulässig.

Entscheidung vom 11. Feber 1953, 1 Ob 96/53.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei auf Grund des gerichtlichen Vergleichs vom 21. April 1952 zur Hereinbringung von 1150.48 S samt Anhang die Exekution gegen die Verpflichtete durch Pfändung des von der Rückzahlung eines Darlehensbetrages abhängigen Herausgabeanspruches der Verpflichteten gegen das Dorotheum K. hinsichtlich verschiedener Fahrnisse und des im Falle der Versteigerung der Gegenstände jener zustehenden Anspruches auf Ausfolgung des Verkaufserlöses.

Infolge Rekurses des Drittschuldners (§ 294 Abs. 4 EO.) änderte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde. Der Drittschuldner sei nicht verpflichtet, ohne Vorlage des Pfandscheines die Fahrnisse und den Versteigerungsüberschuß herauszugeben. Die Ansprüche könnten daher nicht nach § 294 EO., sondern nur nach § 253 EO. zusammen mit dem Pfandschein gleich einer körperlichen Sache gepfändet werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Pfandleihanstalten und Versatzämter, die dazu dienen, das Kreditbedürfnis breiter Volksmassen zu befriedigen, sind eine jahrhundertealte Einrichtung. Die Gesetzgebung hat sich mit dem Pfandleihergewerbe in Österreich schon frühzeitig befaßt und war bemüht, im Interesse der Darlehensnehmer die wucherische Ausbeutung durch gewerbsmäßige Pfandleiher zu verhindern und zu diesem Zweck gemeinnützige Versatzanstalten zu grunden. Es wurden die zulässigen Zinsen und Gebühren festgesetzt und Richtlinien für den Pfandleihbetrieb aufgestellt. Schon im Kais. Patent vom 14. März 1707 (Mischler - Ulbrich, Staatswörterbuch[2] IV, S. 755), nicht minder im § 5 des Patents vom 1. Feber 1785, JGS. 385, im Hofdekret vom 3. Oktober 1801, PolGS. 60, und im Hofkammerdekret vom 22. August 1845, ProvGS. 162, wurde die Notwendigkeit, Pfandscheine (Versatzzettel) auszustellen, hervorgehoben und diesen die Bedeutung beigelegt, daß zur Geltendmachung der Rechte aus dem Pfandleihvertrag der Pfandschein nötig sei. Dies geht daraus hervor, daß im Falle des Verlustes des Pfandscheines ein administratives Aufgebotsverfahren vorgesehen und der Darlehensnehmer nicht als befugt angesehen wurde, bis zum Ablauf der Amortisationsfrist andere Rechte aus dem Vertrag als das Umsetzen des Pfandes (Verlängerung des Vertrages) auf Grund eines dafür ausgestelltenVormerkscheines auszuüben.

Nicht nur das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch hat im § 1370 die zur Zeit seiner Erlassung schon längst bestehende Einrichtung der Pfandscheine, auf denen die unterscheidenden Kennzeichen des Pfandes und je nach Bedarf auch die wesentlichen Bedingungen des Pfandvertrages angeführt werden, übernommen, sondern die Einrichtung ist auch in das Gesetz vom 23. März 1885, RGBl. 48 (in der Fassung des Art. 16 der vierten handelsrechtl. EV. vom 24. Dezember 1938, DRGBl. I, S. 1999), und die auf Grund gesetzlicher Ermächtigung erlassene Verordnung vom 24. April 1885, RGBl. 49, übergegangen. Diese das Pfandleihgewerbe regelnde Verordnung in der Fassung der verschiedenen seither vorgenommenen Abänderungen bestimmt im § 10, daß im Falle des Verlustes des Pfandscheines dem Gewerbeinhaber Verlustanzeige zu machen und eine genaue Beschreibung des Pfandscheins und des Pfandes zu liefern ist. Wenn diese Beschreibung mit dem Inhalt der Bücher des Pfandleihers übereinstimmt, wird dem Darlehensnehmer ein Vormerkschein ausgestellt, der aber nur zur Umsetzung des Pfandes berechtigt. Erst nach Ablauf eines Jahres vom Tage der Verlustanzeige an kann der Anspruch des Darlehensnehmers auf Rückstellung des Pfandes oder auf Bezahlung des Versteigerungsüberschusses mit dem bloßen Vormerkschein ausgeübt werden. Dieses Verfahren nach § 10 der Verordnung vom 24. April 1885, RGBl. 49, ist im § 17 Abs. 2 Kraftloserklärungsgesetz 1951 (BGBl. 86) ausdrücklich aufrechterhalten worden.

Der Pfandleiher und das Versatzamt sind nach dem Vertrag und dem Gesetz nicht verpflichtet, ohne Rückgabe des Pfandscheines oder des Vormerkscheines den Pfandgegenstand zurückzugeben oder den Verkaufsüberschuß auszuzahlen. Der Inhaber des Pfandscheines ist anderseits nicht berechtigt, auf Grund des Papierbesitzes allein die auf dem Pfandschein verbrieften Rechte geltend zu machen. Der Pfandleiher hat vielmehr das Recht, die Legitimation, das materielle Recht des Pfandscheininhabers zu prüfen. Diese Regelung, die sich zugunsten des Ausstellers des Pfandscheines auswirkt, führte dazu, daß der Pfandschein in der Literatur und Rechtsprechung nicht als bloße Beweisurkunde, sondern überwiegend als Legitimationspapier, vereinzelt auch als echtes Inhaberpapier angesehen wird (Klang, 2. Aufl. zu § 1370, S. 255 und 309, Neumann - Lichtblau, S. 1011, 941, Walker[4] S. 298, Kollroß, Die Exekution auf Pfandscheine, GZ. 1930, S. 261, Loew, JBl. 1911, S. 374, Mischler - Ulbrich, a. a. O., S. 755, Steinbach, Über die sogenannte Vormerkung der Versatzzettel, JBl. 1878, Nr. 4-6; OGH.-E. vom 10. November 1933 JBl. 1934, S. 80, vom 13 Jänner 1931, SZ. XIII/2, vom 2. Juni 1926, SZ. VIII/185, vom 20. Mai 1913 GlUNF. 6453 vom 13. Feber 1912, GlUNF. 5785, vom 7. April 1908, GlUNF. 4188, vom 16. August 1900, GlUNF. 1106).

Der Umstand, daß der Pfandnehmer nicht gezwungen werden kann, seine Leistungen ohne Rücksicht auf die Rückgabe des Pfandscheines zu erbringen, muß sich auch auf die Exekution auswirken. Der betreibende Gläubiger kann auf dem Weg der Forderungsexekution nicht mehr Rechte gegen den Drittschuldner erlangen, als sie dem Verpflichteten bereits zustanden. Wenn also dieser den Anspruch auf Herausgabe des Pfandgegenstandes und auf Ausfolgung des Verkaufsüberschusses nur mit dem Pfandschein geltend machen kann, ist auch der betreibende Gläubiger nicht befugt, ohne den Schein an den Drittschuldner Forderungen zu stellen. Dieser könnte zwar den exekutiv bewirkten Übergang der Rechte vom Verpflichteten auf einen Dritten nicht in Zweifel ziehen. Er muß aber wohl weiterhin als berechtigt angesehen werden, die zugrunde liegenden materiellen Rechte des Verpflichteten am Pfandschein zu prüfen.

Der betreibende Gläubiger muß deshalb vor der Exekution versuchen, den Aufbewahrungsort des Pfandscheines beim Verpflichteten festzustellen. Wenn der Schein vernichtet sein sollte, wie die Revisionsrekurswerberin im vorliegenden Fall neu behauptet, müßte sie vorerst die Rechte des Verpflichteten auf Ausstellung eines Vormerkscheines und Durchführung des administrativen Amortisationsverfahrens pfänden.

Die Exekutionsordnung läßt, wie besonders aus § 268 EO. hervorgeht, die Exekution auf Ansprüche, die in irgendeiner Form an ein Papier gebunden sind und nicht zu den Sonderfällen des § 296 EO. gehören, auf dem Weg der Fahrnispfändung des Papiers nach § 253 EO. zu. Dieses wird dann auch gleich einer körperlichen Sache exekutiv verkauft (Petschek, Zwangsvollstreckung in Forderungen, S. 55, Müller, Die Prinzipien der Regelung der Exekution auf Wertpapiere zur Hereinbringung von Geldforderungen, Grünhuts Z. 1911, S. 107, 111, 121). Nicht anders ist die Rechtslage bei den Pfandscheinen. Auch das von ihnen beurkundete Recht ist an den Besitz des Papiers gebunden und deshalb hat die Pfändung nach § 253 EO. zu geschehen. Diese Ansicht vertritt nicht nur die ständige, oben angeführte Judikatur, sondern im wesentlichen auch Neumann - Lichtblau, a. a. O., Walker[4], a. a. O., Kollroß, a. a. O., S. 261 (so auch die neue Fassung des Punktes 135 DV. vom 7. Mai 1952, JABl. 10).

Daneben die Pfändung der Ansprüche aus dem Pfandleihvertrag nach § 294 EO. zuzulassen, was Klang a. a. O. als möglich ansieht, ist aus den früher angeführten Gründen abzulehnen, weil sonst in die Rechte des Drittschuldners eingegriffen werden würde. Denn auf Grund der Pfändung und Überweisung der Ansprüche nach dieser Gesetzesstelle müßte der Drittschuldner auch ohne Vorlage des Pfand- oder Vormerkscheines, dessen Herausgabe vom Verpflichteten die betreibende Partei ohne Pfändung des Scheines nicht erwirken könnte, leisten, wozu er nicht verpflichtet wäre. Der Einwand der Revisionsrekurswerberin, die Exekution hätte jedenfalls bewilligt werden müssen, mag sie auch keine Pfändungswirkung haben, ist unrichtig. Denn wenn die Struktur der Rechtsbeziehung der verpflichteten Partei zum Drittschuldner offen liegt, hat der Exekutionsbewilligungsrichter zu prüfen, ob die beantragte Exekutionsart dem Gesetz entspricht.