JudikaturJustiz1Ob66/18i

1Ob66/18i – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch die Liebenwein Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen die beklagte Partei Mag. B***** R***** (vormals Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen H***** D*****), vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Februar 2018, GZ 39 R 376/17h 46, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 7. September 2017, GZ 60 C 6/16a 40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird berichtigt auf: „Mag. B***** R*****“

2. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Aus der von der Beklagten mit ihrem Rechtsmittel vorgelegten unbedenklichen Urkunde ergibt sich, dass der Nachlass der nunmehrigen Beklagten mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 21. Oktober 2017, der wegen des erklärten Rechtsmittelverzichts mit der Zustellung rechtskräftig geworden ist, eingeantwortet wurde. Damit ist die Parteistellung auf die Beklagte als Erbin übergegangen, was im Wege einer Berichtigung der Parteibezeichnung antragsgemäß auszusprechen ist (§ 235 Abs 5 ZPO).

2. Die Revisionswerberin zieht nicht in Zweifel, dass die von der später Verstorbenen abgegebene Vertragserklärung (Annahme eines Wohnungsrechts) wirksam – und die Räumungsklage damit berechtigt – ist, wenn vom (vom Berufungsgericht gebilligten) Sachverhalt auszugehen ist, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass sie zum Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung oder der davor geführten Vertragsverhandlungen unfähig gewesen wäre, die Bedeutung rechtsgeschäftlicher Handlungen allgemein oder die Bedeutung und die Rechtswirkungen der Einräumung des Wohnrechts zu erkennen.

2.1 Soweit sie in diesem Zusammenhang in der Sache versucht, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen in Zweifel zu ziehen, ist ihr entgegenzuhalten, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist und mit den entsprechenden Ausführungen kein gesetzlich in Betracht kommender Revisionsrekursgrund ausgeführt wird (RIS Justiz RS0069246), schon gar nicht aber eine erhebliche Rechtsfrage angeschnitten wird.

2.2 Unter den Rechtsmittelgründen der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die Revisionsrekurswerberin im Wesentlichen geltend, die angesprochene Negativfeststellung sei rechtlich deshalb unbeachtlich, weil ihr die Rechtskraft jenes Beschlusses entgegenstehe, mit dem für die später Verstorbene ein Sachwalter bestellt wurde. Die materielle Rechtskraft einer Entscheidung – hier des Sachwalterbestellungsbeschlusses vom 7. 5. 2013 – erstrecke sich auch auf die Entscheidungsgründe und damit die Tatsachenfeststellungen, jedenfalls so weit als diese zur Individualisierung des Spruchs der Entscheidung notwendig und damit entscheidungswesentlich sei.

Dem hat schon das Rekursgericht entgegengehalten, dass in Sachwalterschaftsverfahren nicht zu prüfen ist, zu welchem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt die Geschäftsunfähigkeit des Betroffenen eingetreten ist und die „Zuweisung von Angelegenheiten an einen Sachwalter“ und damit die entsprechende Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Betroffenen nur für die Zukunft wirkt (RIS Justiz RS0110082). Angesichts des Charakters der Sachwalterbestellung wird mit einem entsprechenden Beschluss nur bindend ausgesprochen, dass die betroffene Person mangels ausreichender Geschäftsfähigkeit mit Wirksamkeit des Bestellungsbeschlusses zu ihrer Vertretung eines Sachwalters bedarf. Von einem verstärkten Senat des Obersten Gerichtshofs wurde bekräftigt, dass für den vor diesem Zeitpunkt liegenden Zeitraum das Prozessgericht selbständig zu prüfen hat, ob eine Partei prozessfähig war (1 Ob 6/01s = SZ 74/200 = RIS Justiz RS0110082 [T4]). Gleiches gilt für die Geschäftsfähigkeit (vgl in diesem Sinn etwa 3 Ob 4/12b = NZ 2013/122, 283 [ Hoyer ]).

Erfolgte – wie im vorliegenden Fall – die Sachwalterbestellung erst zu einem späteren Zeitpunkt als der Abschluss des auf seine Gültigkeit zu prüfenden Rechtsgeschäfts, ist eine Prüfung der maßgeblichen Tatsachen daher auch dann nicht entbehrlich, wenn ein im Bestellungsverfahren eingeholtes Gutachten bereits vor dem Vertragsabschluss erstattet wurde (vgl auch 7 Ob 252/02p; 1 Ob 84/15g). Der Revisionswerberin gelingt es somit nicht, ein Abweichen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung aufzuzeigen.

2.3 Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).