JudikaturJustiz1Ob587/94

1Ob587/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Juli 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Angst, Dr. Schiemer und Dr. Gerstenecker als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard S*****, wider die beklagte Partei Maria J*****, vertreten durch Dr. Josef M. Danler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 248.064,64 s.A. (S 156.064,84 s.A.), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11. März 1994, GZ 4 R 40/94 25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25. November 1993, GZ 17 Cg 1121/92 20, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.370, - bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395, - Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 248.064,64 s.A. und brachte hiezu vor, er habe die Beklagte in verschiedenen Verfahren im Zusammenhang mit ihrer Scheidung vertreten; die Zahlung des in Höhe des Klagsbetrags angemessenen Honorars sei ausgeblieben.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, da dem Kläger ihre Vermögensverhältnisse bekannt gewesen seien, hätte er sie über die Verfahrenshilfe, die ihr mit Sicherheit gewährt worden wäre, genau und vollständig informieren müssen. Auch über die Höhe des zu gewärtigenden Honorars sei die Beklagte vom Kläger unrichtig aufgeklärt worden; daß ein derart hohes Honorar anfallen werde, habe sie nicht vorhersehen können. Mangels der gebotenen Aufklärung durch den Kläger sei ihr ein Schaden in Höhe der eingeklagten Forderung entstanden, der gegen diese bis zu deren Höhe zur Aufrechnung eingewendet werde.

Das Erstgericht sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 164.147,24 und eine weitere eingewendete Gegenforderung mit S 35.185,22 zu Recht bestünden, gab dem Klagebegehren mit S 128.962,02 s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 119.102,62 s.A. ab.

Es stellte fest, die Beklagte sei im Scheidungsverfahren von einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelferin vertreten worden. Nach Beendigung des Verfahrens seien noch die Regelung ihres Unterhalts, des Unterhalts der ehelichen Kinder und die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, insbesondere des im Ehegatten Wohnungseigentum stehenden Reihenhauses, ausgestanden. Aufgrund einer Kontaktaufnahme durch die Beklagte sei es am 4.9.1991 zu einer Besprechung mit dem Kläger gekommen, bei der diese noch offenen Probleme erörtert worden seien. Auch die Frage der Verfahrenshilfe und der Bestellung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe seien dabei zur Sprache gekommen. Der Kläger habe die Beklagte darauf aufmerksam gemacht, er sei nicht bereit, sie in diesen noch anstehenden Verfahren als Verfahrenshelfer zu vertreten. Nach dieser Besprechung habe der Kläger als gewählter Vertreter für die Beklagte eine umfangreiche anwaltliche Tätigkeit entfaltet. Er habe mit der Rechtsanwältin, die die Beklagte im Scheidungsverfahren vertreten hatte, verschiedene Ferngespräche geführt, mit einem anderen Rechtsanwalt korrespondiert und im Aufteilungs sowie im Pflegschaftsverfahren Anträge gestellt. Außerdem habe er mit der Beklagten konferiert und mit ihr auch mehrere unterschiedlich lange Telefongespräche geführt. In dem von der Rechtsanwältin, die die Beklagte im Scheidungsverfahren vertreten hatte, zur Durchsetzung deren von der Bestellung als Verfahrenshelferin entstandenen Honoraransprüche eingeleiteten Verfahren sei der Kläger für die Beklagte zum Verfahrenshelfer bestellt worden. Im Aufteilungsverfahren und im Unterhaltsstreit habe die Beklagte jeweils Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang gestellt; sie habe dem Verhandlungsrichter gegenüber angegeben, sie wisse nicht, ob der Kläger bereit sei, sie als Verfahrenshelfer zu vertreten, worauf der Richter die Verfahrenshilfeanträge dem Kläger übermittelt habe. Dieser habe der Beklagten mit Schreiben vom 12.1.1991 bekanntgegeben, er sei nicht bereit, sie im Verfahren, in welchem sie Anträge auf Verfahrenshilfe in vollem Umfang gestellt habe, als Verfahrenshelfer zu vertreten. Wolle sie von ihm weiter vertreten werden, müsse sie die Anträge auf Verfahrenshilfe zurückziehen. Andernfalls werde ihr von der Rechtsanwaltskammer ein Rechtsanwalt zur Verfahrenshilfe zugewiesen werden. Mit Schreiben vom 20.5.1992 habe der Kläger der Beklagten das Vollmachtsverhältnis aufgekündigt und ihr in der Folge eine Honorarnote übermittelt, die unter Abzug eines Akontos von S 6.000, einen Anspruch von S 263.451,72 ausgewiesen habe. In dem schon erwähnten Honorarstreit habe der Kläger für die Beklagte am 18.2.1992 die Klagebeantwortung eingebracht, den Antrag auf Verfahrenshilfe unter Anschluß des Vermögensbekenntnisses der Beklagten jedoch erst am 30.3.1992 gestellt. Hätte der Kläger den Antrag bereits unmittelbar nach dem 10.2.1992 gestellt, wären der Beklagten die Kosten der Klagebeantwortung sowie der Verhandlungstagsatzung vom 30.3.1992 nicht entstanden, weil ihr Verfahrenshilfe im vollen Umfang auch durch Beigebung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe noch vor weiteren Verfahrensschritten durch den Kläger gewährt worden wäre.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten seien bei Anhängigkeit der Verfahren, in welchen sie der Kläger vertreten habe, stets so gewesen, daß ihr Verfahrenshilfe gewährt worden wäre. Eine Beschlußfassung über die Verfahrenshilfe sei aber nicht erfolgt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Beklagte habe ihre Behauptung, daß sie der Kläger über die Verfahrenshilfe unrichtig aufgeklärt habe, nicht beweisen können. Damit habe er als gewählter Vertreter Anspruch auf Entlohnung seiner Tätigkeit für sie. Der Honoraranspruch des Klägers betrage zuzüglich Umsatzsteuer und Barauslagen S 172.082,60 (richtig S 172.042,60) und erweise sich abzüglich des Akontos von S 6.000, - und einer Forderung der Beklagten von S 1.935,36 mit S 164.147,24 (richtig S 164.107,24) als berechtigt. Demgegenüber habe der Kläger der Beklagten für die durch die Unterlassung der Exekutionsführung gegen den früheren Ehegatten erwachsenen Kosten einzustehen.

Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die eingeklagte Forderung mit S 156.064,84 und die eingewendete Gegenforderung mit S 35.185,22 zu Recht bestünden, gab dem Klagebegehren mit S 120.879,62 statt, wies das Mehrbegehren von S 127.185,02 ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die erstinstanzlichen Feststellungen und ergänzte diese durch den Inhalt des Schreibens des Klägers an die Beklagte vom 12.11.1991 mit nachstehendem teilweise wiedergegebenen Wortlaut:

„...

Im Aufteilungsverfahren....ist meines Erachtens die Bestellung eines Verfahrenshelfers gar nicht mehr möglich, da für dieses Verfahren die Verfahrenshilfebestellung nicht vorgesehen ist.

Im Verfahren wegen ehelichen Unterhalt... wird es vor allem darum gehen, einen für Sie günstigen Vergleich zu erwirken. Verfahrenshelfer sind an sich nicht berechtigt, Vergleiche zu schließen, sondern haben diese lediglich den Prozeß zu führen.

...“

In Erledigung der Rechtsrüge führte das Berufungsgericht aus, der Kläger übe als Rechtsanwalt einen freien, auf angemessenen Erwerb gerichteten Beruf aus und habe ein von der Rechtsordnung anerkanntes Interesse daran, Mandate zu übernehmen und für seine Tätigkeit ein Honorar zu verrechnen. Er sei nicht verpflichtet, einen „potentiellen Mandanten“ unter Hinweis auf die zu erwartenden Kosten geradezu davon abzuhalten, ihn zu beauftragen. Abgesehen davon sei die Beklagte ohnedies über die Möglichkeit der Verfahrenshilfe durch den für die Verfahren zuständigen Richter, den die Beklagte immer wieder ratsuchend kontaktiert habe, belehrt worden und habe auch Verfahrenshilfe im vollem Umfang beantragt, jedoch nicht weiter verfolgt, als ihr der Kläger seine Zustimmung zur Bestellung als Verfahrenshelfer verweigert habe. Der Rechtsanwalt müsse auch vor Beendigung seiner Tätigkeit das schon angefallene oder noch zu erwartende Honorar nicht bekanntgeben. Der Umfang der Tätigkeit des Klägers sei über das in solchen Fällen übliche Ausmaß nicht hinausgegangen, sodaß eine Belehrung der Beklagten über die voraussichtlichen Kosten nicht notwendig gewesen sei. Der Kläger habe Anspruch auf angemessene Entlohnung. Die Allgemeinen Honorar Richtlinien stellten ein qualifiziertes Sachverständigengutachten über die Angemessenheit der im Rechtsanwaltstarif gesetzlich näher geregelten anwaltlichen Leistungen dar, für die keine besondere Vereinbarung getroffen wurden. Als Honoraransätze seien die im § 5 AHR angeführten Beträge angemessen, soweit sich aus den Bestimmungen des Rechtsanwaltstarifgesetzes oder der Jurisdiktionsnorm bzw. aufgrund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst kein anderer Wert ergebe. Nach diesen Grundsätzen betrage das angemessene Honorar des Klägers S 136.416, - zuzüglich 20 % Umsatzsteuer und Barauslagen (S 301, ), daher S 164.000,20, wovon ein Akonto von S 6.000, - und eine berechtigte Gegenforderung der Beklagten von S 1.935,36 abzuziehen seien; daraus ergebe sich ein berechtigter Honoraranspruch von S 156.064,84.

Die von der Beklagten dagegen erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihren Revisionsausführungen führt sie nur mehr die ihr vom Kläger in dessen Schreiben vom 12.11.1991 dessen Wortlaut das Berufungsgericht in Ergänzung der erstinstanzlichen Sachverhaltsgrundlage festgestellt hat erteilte Auskunft über die Verfahrenshilfe ins Treffen und macht damit geltend, der Kläger habe sie über die Möglichkeit und die Zweckmäßigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts zur Verfahrenshilfe falsch belehrt, sodaß er ihr für den Vermögensnachteil einzustehen habe, der ihr daraus erwachsen sei, daß sie die von ihr gestellten Verfahrenshilfeanträge deshalb nicht weiter verfolgt habe. Sie schließt daraus, daß dem Kläger angesichts dieser Schadenersatzverpflichtung kein Honorar zustehe bzw. die Honorarforderung durch die aufrechnungsweise eingewendet Gegenforderung erloschen sei.

Die Beklagte berief sich schon in erster Instanz in erster Linie auf diese aus unrichtiger Belehrung über die Verfahrenshilfe durch den Kläger abgeleitete Schadenersatzforderung und wendete diese folgerichtig zur Aufrechnung gegen die Honorarforderung des Klägers ein, führte auch ins Treffen, der Kläger habe infolge Verletzung seiner anwaltlichen Auskunftspflicht keinen Anspruch auf (volle) Honorierung. Auf die einredeweise geltend gemachte Irrtumsanfechtung (ON 9) kam die Beklagte im Rechtsmittelverfahren nicht mehr zurück.

Nun hat die Beklagte mit der Berufung ihrer Anfechtungserklärung zufolge das erstinstanzliche Urteil nur so weit angefochten, als die Klagsforderung mit S 164.147,24 zu Recht erkannt wurde, und dort auch dementsprechend den Antrag gestellt, das Ersturteil im Rahmen der Anfechtungserklärung entweder im Sinne der Klagsabweisung abzuändern oder zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Damit ist aber der Ausspruch des Erstgerichts über die Gegenforderung der Beklagten die lediglich, soweit der Kläger die exekutive Eintreibung einer Kostenforderung gegen den früheren Ehegatten der Beklagten unterließ, mit S 35.185,22 als zu Recht bestehend erkannt wurde mangels Anfechtung durch die Beklagte in Teilrechtskraft erwachsen, sodaß es dieser schon deshalb verwehrt bleibt, die auf die falsche Belehrung durch den Kläger gestützte Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung in dritter Instanz weiter zu verfolgen. Nur der Vollständigkeit halber ist die Beklagte auch noch auf ihren Revisionsantrag zu verweisen, mit dem sie das berufungsgerichtliche Urteil ebenso wie mit ihrer Berufung das Ersturteil nur soweit bekämpft, als die eingeklagte Forderung als nicht zu Recht bestehend erkannt wurde.

Die falsche Belehrung der Beklagten über die Verfahrenshilfe im Rahmen einer Äußerung des Klägers gemäß § 67 zweiter Satz ZPO bedeutet auch nur die Verletzung der selbständigen vertraglichen Nebenpflicht des beauftragten Rechtsanwalts, dessen Mandanten richtig zu belehren, hat aber keinesfalls zur Folge, daß die mit der eingeklagten Honorarforderung in Rechnung gestellte Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht die Vertretung der Beklagten in den noch anstehenden Verfahren unbrauchbar und für sie wertlos wäre, sodaß ihm auch das dafür verrechnete Honorar nicht gebührte; die Beklagte hat auch weder im vorinstanzlichen noch im Revisionsverfahren Argumente vorgetragen, die diesen Standpunkt stützen könnten. Auch die einredeweise von der Beklagten in erster Instanz ins Treffen geführte Irrtumsanfechtung ist nicht weiter zu erörtern, weil sie von ihr im Rechtsmittelverfahren nicht mehr verfolgt wird.

Da die Ausführungen in der Revision somit ausschließlich die auf die unrichtige Belehrung über die Verfahrenshilfe gestützte Gegenforderung der Beklagten betreffen, aber schon der erstinstanzliche Ausspruch, daß die Gegenforderung in diesem Umfang nicht zu Recht besteht, mangels Anfechtung in Teilrechtskraft erwachsen ist, muß der Revision schon deshalb ein Erfolg versagt bleiben, ohne daß in die Prüfung der sachlichen Berechtigung der Revisionsausführungen in dieser Richtung einzutreten wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.