JudikaturJustiz1Ob408/52

1Ob408/52 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Mai 1952

Kopf

SZ 25/146

Spruch

Zur Frage der Umkehrung der Beweislast im Schlußsatze des § 1237

ABGB.

Entscheidung vom 28. Mai 1952, 1 Ob 408/52.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm das gleichteilige Miteigentum an dem Branntweingeschäft in Wien III., X.straße zusteht, und die Verurteilung der Beklagten zur Vorlage eines Verzeichnisses der Waren, die Anfang 1942, als der Kläger einrückte, vorhanden waren, und zur Angabe, was aus diesem Warenvorrat geworden ist.

Die Klage wurde von den Unterinstanzen abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hat der Revision der klagenden Partei nicht Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht geht davon aus, die Beklagte hätte zu beweisen, daß das gegenständliche Geschäft während der Ehe von ihr erworben wurde. Das Erstgericht habe einwandfrei festgestellt, daß nur die Beklagte, nicht aber der Kläger zum Erwerb der Unternehmen beigetragen habe. Dies gelte insbesondere auch für das Geschäft in der A.gasse, von welchem nicht feststehe, ob es vor oder während der Ehe von der Beklagten übernommen wurde.

Es muß zunächst die Bedeutung der Vermutung des § 1237, am Schlusse, ABGB. untersucht werden. Nach der Auslegung des Berufungsgerichtes kehrt sie schlechtweg die Beweislast um, wenn es strittig ist, ob ein Erwerb vom Gatten oder von der Gattin herrührt. Eine Vermutung bedeutet jedoch nur dann eine völlige Umkehrung der Beweislast, wenn sie selbst an keine Voraussetzung geknüpft ist. Sonst muß wenigstens die Voraussetzung der Vermutung bewiesen werden. So ist die Vermutung des § 163 ABGB. an den Nachweis geknüpft, daß ein Verkehr in der kritischen Zeit stattgefunden hat. Für den Nachweis dieses Verkehrs gelten die allgemeinen Beweislastregeln. Auch die Vermutung des § 1237 ABGB. kehrt die Beweislast nicht schlechtweg, sondern nur "im Zweifel" um. Derjenige, der Erwerb durch den Gatten behauptet, kann den Zweifel, der Voraussetzung für die Vermutung ist, nicht schon durch seine Bestreitung schaffen. Er muß vielmehr zunächst beweisen, daß die Frage, durch welchen der beiden Ehegatten der Erwerb erfolgte nach den Verhältnissen zweifelhaft sei. Dieser Zweifel wird immer dann berechtigt sein, wenn ein Erwerb in solcher Weise erfolgte, daß die Person des erwerbenden Ehegatten unklar blieb und die Sache in gemeinsamer Gewahrsame der Ehegatten gelangte. Wenn der äußere Anschein dafür spricht, daß die Gattin allein die Erwerberin gewesen ist und die Sache sich in ihrem alleinigen Besitz befindet, wird der Nachweis des Umstandes, daß der Gatte mit Geldbeiträgen beim Erwerbe mitgewirkt hat oder daß hiezu wenigstens Geldquellen verwendet wurden, deren Zugehörigkeit zum Vermögen des einen oder anderen Ehegatten nicht klarzustellen ist, geeignet sein, Zweifel als gegeben zu erachten.

Im vorliegenden Falle spricht nun die Tatsache, daß das Geschäft auf Grund eines auf den Namen der Beklagten ausgestellten Gewerbescheines betrieben wird, daß die Klägerin allein Mieterin des Geschäftslokales ist, daß auch das Geschäftslokal nur den Namen der Klägerin aufweist, ebenso wie die Tatsache, daß das nunmehr betriebene Geschäft sich als die Fortsetzung einer jedenfalls schon vor der Ehescheidung von der Klägerin ausgeübten Geschäftstätigkeit darstellt, dafür, daß das Geschäft von der Beklagten allein erworben wurde. Die Behauptung des Klägers, daß er mit Geldbeträgen an dem Erwerb dieses Geschäftes oder des vielleicht schon während der Ehe gepachteten früheren Geschäftes in der A.gasse mitgewirkt hat, vermag die Voraussetzung der Vermutung des § 1237 ABGB. noch nicht zu begrunden. Er müßte nach dem vorliegenden äußeren Tatbestand beweisen, daß er in irgendeiner Form durch seine Mittel wesentlich zum Erwerb des Geschäftes beigetragen hat. Erst damit wäre nachgewiesen, daß die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Vermutung des § 1237 ABGB. eintritt. In ähnlichem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung GlUNF. 3342 ausgesprochen, daß dem § 328 ABGB. auch gegenüber der Vermutung des § 1237 ABGB. eine gewisse Bedeutung zukommt.

Geht man von dieser Rechtsauffassung aus, dann ist es ohne Belang, daß das Berufungsgericht in aktenwidriger Weise angenommen hat, das Erstgericht habe bereits festgestellt, daß die Beklagte zum Erwerbe des Geschäftes in der A.gasse 3000 S, der Kläger hingegen nichts beisteuerte, obwohl das Erstgericht von seiner Meinung ausgehend, nur ausgesprochen hat, daß dem Kläger der Beweis einer Leistung von seiner Seite nicht gelungen sei, insbesondere nicht der Beweis, daß die Zahlungen, die der Kläger regelmäßig an die Beklagte geleistet hat, etwas anderes als die Leistung eines Wirtschaftsgeldes bedeuteten. Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, die darin liegen könnte, daß das Berufungsgericht von den Feststellungen des Erstgerichtes ohne Beweiswiederholung abgegangen ist, ist demnach belanglos, denn das Berufungsgericht hätte sich auch auf die bloß negative Feststellung des Erstgerichtes stützen können.

In rechtlicher Beziehung ist wohl zuzugeben, daß sich aus § 92 ABGB. weder unmittelbar noch im Wege der Auslegung eine Verpflichtung des Ehegatten ableiten läßt, die Gattin in ihrem Erwerbe zu unterstützen. Aber damit ist für den Standpunkt der Revision insofern nichts gewonnen, als sich aus einer Mitarbeit des Klägers allein, auch wenn sie bloßer Bereitschaft und nicht, wie das Berufungsgericht annimmt, aus eherechtlicher Verpflichtung erfolgte, noch keinesfalls ein irgendwie begrundetes Anzeichen ableiten läßt, daß der Gatte Miteigentümer des von seiner Gattin nach außen hin allein betriebenen Unternehmens gewesen ist. Selbst wenn man annehmen sollte, daß dem Gatten, der in solcher Weise im Unternehmen seiner Gattin mitwirkt, gemäß § 1125 ABGB. ein angemessenes Entgelt gebührt, so lassen sich doch aus dieser Tatsache allein noch nicht Zweifel an dem Eigentum des Unternehmens ableiten. Die Ansprüche, die dem Kläger aus dieser Mittätigkeit etwa gebühren, mögen die Erklärung dafür geben, daß er über das Bankkonto, auf welchem die Erträgnisse des Geschäftes hinterlegt wurden, mitverfügungsberechtigt war und daß die Klägerin ihm die Hälfte des Hauses überschreiben ließ, welches aus den Erträgnissen ihres Geschäftes erworben wurde. Ein irgendwie tragfähiger Rückschluß aus dieser Beteiligung an den Erträgnissen des Geschäftes auf das Eigentum an dem Geschäfte ist bei der gegebenen Sachlage nicht möglich.

Die Revision erweist sich also im Enderfolg als nicht begrundet.