JudikaturJustiz1Ob251/51

1Ob251/51 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 1951

Kopf

SZ 24/213

Spruch

Der Auftrag des Erblassers an eine Mittelsperson zur Aufbewahrung von Gegenständen und Ausfolgung derselben an den Bedachten nach dem Tode des Erblassers berechtigt den Bedachten, von der Mittelsperson die Ausfolgung der Gegenstände zu verlangen. Gegenüber den Erben des Erblassers besteht ein Ausfolgungsanspruch nur bei Einhaltung der Formvorschriften des § 956 ABGB.

Entscheidung vom 12. September 1951, 1 Ob 251/51.

I. Instanz: Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:

Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Das Erstgericht wies die auf Ausfolgung einer goldenen Herrenuhr samt goldener Uhrkette und eines Sparkassenbuches gerichtete Klage ab. Es sei zwar als erwiesen anzunehmen, daß Ida K., die Schwester des Klägers, vor ihrem Tode mündlich geäußert habe, die in Frage stehenden Gegenstände sollten einmal dem Kläger gehören. Ida K. habe die Gegenstände der Anna K. zur Aufbewahrung gegeben. Allein die nach § 956 ABGB. geforderte Form einer gültigen Schenkung auf den Todesfall fehle. Denn es liege weder ein gültiger mündlicher letzter Wille vor, noch sei erwiesen worden, daß Ida K. ihr Vermächtnis an den Kläger auf einem Zettel schriftlich niedergelegt habe, wie der Kläger behauptet habe. Von einer Schenkung unter Lebenden könne mangels wirklicher Übergabe gleichfalls nicht gesprochen werden. Der Kläger habe somit keinen Rechtstitel, von der Erbin der Ida K. die Gegenstände zu verlangen.

Infolge Berufung des Klägers hob das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verhandlung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht übernahm zwar die Feststellungen des Erstgerichtes und kam gleich diesem zur Überzeugung, daß weder eine schriftliche noch eine mündliche letztwillige Erklärung der Ida K. in rechtsverbindlicher Form vorliege. Die Behauptungen des Klägers und die bisherigen Beweisergebnisse ließen aber die Äußerung der Ida K. über die Zuwendung der fraglichen Sachen an den Kläger möglicherweise als Auftrag auf den Todesfall erscheinen. Anna K. habe den Auftrag der Erblasserin, nach deren Tod die Gegenstände an den Kläger auszufolgen, möglicherweise als dessen Geschäftsführer ohne Auftrag übernommen, so daß nach Lehre und Rechtsprechung von einer Schenkung mit wirklicher Übergabe gesprochen werden könnte, die den Förmlichkeiten des § 956 ABGB. nicht unterliege. Das Berufungsgericht folge aber der Lehre Gschnitzers in Klangs Kommentar 1. Aufl., zu § 881 ABGB., S. 230, der den Auftrag auf den Todesfall als Vertrag zugunsten Dritter ansehe und dem Begünstigten (hier dem Kläger) sowohl gegen den Erben (hier die Beklagte) als auch gegen den Beauftragten (Anna K.) ein direktes Klagerecht nach dem Tod der Erblasserin einräume. Diese Konstruktion entspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens und werde in der Regel auch den Absichten des Erblassers gerecht. In dieser Richtung müsse das Erstgericht Feststellungen treffen, damit klargestellt werde, ob ein Auftrag der Erblasserin an Anna K. auf den Todesfall vorliege.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei Folge, hob den Beschluß des Berufungsgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Klägers auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat Ida K. einen Koffer mit den in Frage stehenden Gegenständen der Anna K. zur Aufbewahrung gegeben und dabei geäußert, daß die darin befindliche Uhr samt Kette und das Sparkassenbuch dem Kläger gehören sollten. Der Sinn dieser Äußerung der Ida K. konnte nur der sein, daß die Sachen nach ihrem Tode dem Kläger zukommen sollten. Ida K. bezweckte damit nichts anderes als ein Vermächtnis für den Kläger.

Das Berufungsgericht meint, die Rechtshandlung der Ida K. müsse nicht notwendig den Formvorschriften für Vermächtnisse oder Schenkungen auf den Todesfall (§ 956 ABGB.) unterstellt werden, denn sie habe zu ihren Lebzeiten mit Anna K. zugunsten des Klägers vereinbart, daß dieser von Anna K. die Gegenstände übergeben erhalten solle. Anna K. habe die Uhr samt Kette und das Einlagebuch zu diesem Zweck in Verwahrung genommen. Es liege deshalb ein Vertrag zugunsten Dritter vor, der den Formvorschriften des § 956 ABGB. nicht unterliege. Das Berufungsgericht folgt dabei der bereits erwähnten Lehrmeinung Gschnitzers, die wiederum auf die von Hellwig, Verträge auf Leistung an Dritte, S. 363, vertretene Rechtsansicht zurückgeht.

Der Oberste Gerichtshof kann den Ausführungen des Berufungsgerichtes nicht zustimmen. Es handelt sich bei den Rechtsbeziehungen zwischen der Erblasserin und Anna K. einer- und dem Kläger anderseits nicht um denselben Rechtsgrund. Anna K. hatte sich der Erblasserin gegenüber aus dem Rechtstitel des Auftrages zur Aufbewahrung der Gegenstände und zu deren Ausfolgung an den Kläger nach dem Tode der Ida K. verpflichtet. Diese Abmachung bedurfte so wie jeder andere Bevollmächtigungsvertrag naturgemäß nicht der Förmlichkeit nach § 956 ABGB. (SZ.XVI/158). Es ist auch richtig, daß die Vereinbarung den Zweck hatte, dem Kläger einen Nutzen zuzuwenden, so daß sie als Vertrag zugunsten eines Dritten, nämlich des Klägers, angesehen werden kann (ZBl 1917, Nr. 180). Der Kläger konnte demgemäß nach § 881 ABGB. das Recht haben, gegen Anna K. den Anspruch auf Ausfolgung der Gegenstände geltend zu machen. Denn der bedachte Dritte sollte nach dem Sinn der Abmachung zwischen Ida und Anna K. nach dem Tod der Erstgenannten die Gegenstände von Anna K. fordern können.

Im Verhältnis zwischen der Erblasserin und dem Kläger lag hingegen der erwähnten Abmachung nicht das Auftragsverhältnis, sondern die Schenkungsabsicht der Erblasserin auf den Todesfall als rechtsbegrundende Tatsache zugrunde. Diese Absicht löste überhaupt erst die Abmachung mit Anna K. aus (GlUNF. 1208). Dem Kläger kann deshalb gegenüber der Erbin der Ida K. ein klagbarer Anspruch auf Ausfolgung der ihm zugedachten Sachen nur auf Grund der Schenkung und daher nur unter der Voraussetzung eingeräumt werden, daß die Zuwendung auf den Todesfall den Formvorschriften des § 956 ABGB. Genüge leistet. Dies ist nach den Feststellungen der Untergerichte nicht der Fall. Der Kläger kann unter dem Titel des Auftrages auf den Todesfall gegen die Beklagte nicht mit Erfolg vorgehen, weil er sich damit dieser gegenüber eines ihm nicht zustehenden Rechtsgrundes bedienen würde.

Ehrenzweig (System, Familien- und Erbrecht, 1924, S. 530 ff., und:

Die Schenkung auf den Todesfall, Festschr. z. Jhdf. des ABGB. II, S.

680) hat mit großer Schärfe die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erblasser und der beauftragten Mittelsperson, zwischen dem Erblasser und dem Bedachten sowie zwischen der beauftragten Mittelsperson und dem Bedachten auseinandergehalten. Diese Rechtsbeziehungen beruhen auf verschiedenen Titeln, die ihrerseits verschiedenen Formvorschriften unterliegen können. Gschnitzer (a. a. O.) meint, daß schon aus der Rechtsnatur des Vertrages zugunsten Dritter das Klagerecht des Begünstigten nach dem Tode des Erblassers sowohl gegenüber dem Beauftragten als auch dem Erben zu folgern sei. Dieser nicht näher begrundeten Rechtsansicht vermag sich das Revisionsgericht nicht anzuschließen. Es folgt vielmehr im wesentlichen der von Ehrenzweig vertretenen Meinung.

Es ist auch nicht möglich, die Abmachung zwischen Ida und Anna K. als Schenkung unter Lebenden aufzufassen, weil diese als Geschäftsführerin ohne Auftrag für den Kläger gehandelt habe, so daß die Übergabe an Anna K. zugleich als eine an den Kläger anzusehen und damit die Voraussetzung der wirklichen Übergabe noch zu Lebzeiten der Erblasserin erfüllt sei. Diese von mehreren älteren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (GlU. 8229, 10345, GlUNF. 1898, 5327; entgegengesetzt aber Entscheidung vom GlUNF. 5290, ebenso auch von Krasnopolski, Erbrecht, S. 171) vertretene Rechtsansicht kann schon deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil gegen die Annahme einer wirklichen Übergabe die der Natur der Sache entsprechende Überlegung spricht, daß die Zuwendung an den Bedachten bis zum Tode des Erblassers als frei widerruflich angesehen werden muß und deshalb die zugewendeten Sachen aus dem Vermögen des Erblassers noch keineswegs ausgeschieden sind. Im übrigen ist die Übergabe an den Geschäftsführer ohne Auftrag, der die Sache später an den Bedachten nicht ausfolgt, nicht als wirkliche Übergabe an diesen selbst anzusehen.

Es ergibt sich, daß die vom Berufungsgericht ins Auge gefaßte Konstruktion auf den vorliegenden Fall, der die Rechtsbeziehung zwischen dem Bedachten und der Erbin der Zuwendenden betrifft, nicht anwendbar sein kann. Damit entfällt der vom Berufungsgericht herangezogene Aufhebungsgrund. Es wird Sache des Berufungsgericht sein, unter Abstandnahme von seiner Rechtsansicht in der Sache selbst zu entscheiden.

Dem Rekurs mußte stattgegeben, der Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache an dieses zurückverwiesen werden.