JudikaturJustiz1Ob2061/96m

1Ob2061/96m – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Julia D*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses des zum gesetzlichen Vertreter der Minderjährigen bestellten Magistrats der Stadt W*****, gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichts vom 20.Dezember 1995, GZ 43 R 835/95 5, womit der Beschluß des Bezirksgerichts Josefstadt vom 18.August 1995, GZ 1 P 243/95 2, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Minderjährige wurde am 11.6.1995 von einer deutschen Staatsangehörigen als uneheliches Kind geboren; beide wohnen in Wien.

Am 18.August 1995 beantragten die Mutter und deren Begleiter, der sich selbst als Vater des Kindes bezeichnete und an derselben Anschrift wohnt wie die Mutter, beim Erstgericht zu Protokoll, das Amt für Jugend und Familie für den 6. und 7.Bezirk somit in Wahrheit den Magistrat der Stadt Wien zum Pfleger im Sinne des § 1706 BGB zu bestellen, damit dieses für das Kind die Zustimmung zum Vaterschaftsanerkenntnis dieses Mannes erkläre.

Das Erstgericht bestellte auch dieses Amt antragsgemäß zum gesetzlichen Vertreter des Kindes „zur Abgabe der Zustimmung zum Vaterschaftsanerkenntnis“. Zur Begründung führte es aus, es sei deutsches Recht anzuwenden; gemäß § 1706 BGB werde ein nicht eheliches Kind einer deutschen Mutter in Angelegenheiten der Vaterschaftsfeststellung nicht von dieser, sondern von einem „Pfleger“ vertreten. Die Bestellung eines solchen gesetzlichen Vertreters habe das Erstgericht gemäß Art.1 des Haager Minderjährigenschutzabkommens (in der Folge MjSchÜbk) vorzunehmen, weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es führte aus, für die Vaterschaftsfeststellung erhalte das uneheliche Kind, sofern es nicht eines Vormunds bedürfe, gemäß § 1706 Z 1 BGB einen Pfleger, der gesetzlicher Vertreter des Kindes sei. Zur Anerkennung der Vaterschaft sei gemäß § 1600 c BGB die Zustimmung des Kindes erforderlich. Diese Zustimmungserklärung könne auch schon vor der Anerkennung der Vaterschaft abgegeben werden. Das Kind sei deutsche Staatsangehörige; die inländische Gerichtsbarkeit sei gegeben.

Der vom Magistrat gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht zweiter Instanz hat die inländische Gerichtsbarkeit und die Zuständigkeit des Erstgerichts für die getroffene Maßnahme zu Recht bejaht (§ 110 Abs 1 Z 2 JN; Art 1 MjSchÜbk), weil das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt unbestrittenermaßen im Inland hat. Das wird vom Rechtsmittelwerber ebensowenig in Zweifel gezogen wie die Ansicht des Rekursgerichts, daß die Zustimmung des Kindes zur Anerkennung der Vaterschaft gemäß § 1600 c BGB schon vor der Beurkundung der Anerkennungserklärung erteilt werden kann (vgl dazu Mutschler in MünchK3 § 1600 c BGB Rz 3; Göppinger in Staudinger, BGB 12 § 1600 c Rz 8). Der Magistrat vertritt indessen die Auffassung, das Kind bedürfe seiner Vertretung durch ihn schon deshalb nicht, weil die Vertretungsbefugnis in Angelegenheiten der Vaterschaftsfeststellung seiner volljährigen Mutter zukomme. Dieser Ansicht kann indes nicht beigetreten werden:

Vorauszuschicken ist zunächst, daß die Vaterschaftsfeststellung und damit auch das Vaterschaftsanerkenntnis aus dem Anwendungsbereich des MjSchÜbk ausgeschlossen ist, weil sie schon begrifflich keine „Schutzmaßnahme“ darstellt (Schwimann in JBl 1976, 240; ders., Grundriß des IPR, 249 mwN; Kropholler in Staudinger aaO Vorbem zu Art 18 EGBGB Rz 328). In diesem Umfang wird somit die Anwendung des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht (IPR Gesetz) durch das MjSchÜbk nicht verdrängt (vgl. Schwimann , Grundriß, 248).

Gemäß § 25 Abs 1 IPR Gesetz sind die Voraussetzungen der Feststellung und der Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind nach dessen Personalstatut, hier also nach deutschem Recht, zu beurteilen. Die genannte Bestimmung regelt somit auch das freiwillige Vaterschaftsanerkenntnis ( Schwimann in Rummel , ABGB 2 § 25 IPRG Rz 2). Schreibt das Anerkenntnisstatut die Zustimmung des Kindes vor, so ist die gesetzliche Vertretung für die Zustimmungserklärung primär nach § 25 IPR Gesetz anzuknüpfen ( Schwimann aaO Rz 3). Demnach ist deutsches Recht auch in diesem Bezug anzuwenden. Gemäß § 1600 c BGB ist zur Anerkennung die Zustimmung des Kindes erforderlich. Ohne diese Zustimmung genügt die Anerkennung nicht den gesetzlichen Erfordernissen. Auch ein ausländisches Vaterschaftsanerkenntnis ist für den deutschen Rechtsbereich unwirksam, sofern das Kind der Anerkennung nicht zugestimmt hat, selbst wenn nach dem betreffenden ausländischen Recht diese Zustimmung nicht erforderlich wäre (ZfRV 1987, 68; Mutschler aaO Rz 7; Göppinger aaO Rz 2; vgl. dazu auch den Erlaß des BMI vom 27.Juli 1989 in ÖStA 1989, 85). Gemäß § 1706 BGB erhält ein Kind, sofern es nicht eines Vormunds bedarf, unter anderem in allen die Feststellung der Vaterschaft und demnach auch die Zustimmung zur Anerkennung ( Hinz in MünchK3 § 1706 BGB Rz 5; Göppinger aaO § 1706 Rz 13) betreffenden Angelegenheiten einen „Pfleger“; nach § 1709 Abs 1 BGB wird das Jugendamt mit der Geburt eines nichtehelichen Kindes Pfleger für die Wahrnehmung der in § 1706 BGB bezeichneten Angelegenheiten, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat und nach § 1705 BGB unter der elterlichen Sorge der Mutter steht. Diesem Gebot des deutschen Familienrechts, das im vorliegenden Fall nach Art 20 und 23 EGBGB anzuwenden ist, weil eine Rück oder Weiterverweisung nicht in Frage kommt ( Heldrich in Palandt , BGB54 Art 20 EGBGB Rz 4 und Art 23 EGBGB Rz 2 bis 5), steht auch die vom Rechtsmittelwerber ins Treffen geführte Entscheidung des Kammergerichts (Berlin) vom 26.November 1991 (veröffentlicht in IPrax 1994, 306) bei richtigem Verständnis nicht entgegen: Das Kammergericht hatte dabei nur zu befinden, welche rechtlichen Auswirkungen die Tatsache, daß die Mutter und das Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt von Deutschland in einen anderen Staat, dessen Rechtsordnung eine kraft Gesetzes bestehende Pflegschaft entsprechend der Amtspflegschaft im Sinne des § 1709 BGB nicht kennt, verlegt, auf den Bestand einer solchen Amtspflegschaft hat. Zu einem solchen Fall sprach das Kammergericht aus, daß die deutschrechtliche Amtspflegschaft mit der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts in einen solchen Staat von selbst erlösche, ohne daß es noch deren Aufhebung durch ein deutsches Vormundschaftsgericht bedürfe. Das hat aber bloß zur Folge, daß das mit der Geburt eines „nichtehelichen“ Kindes gemäß § 1709 bzw § 1791 c BGB zum Pfleger bzw zum gesetzlichen Amtsvormund berufene (deutsche) Jugendamt seine Stellung als Pfleger bzw Amtsvormund verliert und sodann nicht mehr dazu berufen ist, die Aufgaben eines Pflegers für das Kind gemäß § 1706 BGB wahrzunehmen. Das bedeutet aber nicht, daß von der an sich zwingenden deutschen Familienrechtslage abweichend kein „Pfleger“ durch das nun hiefür zuständige Gericht zu bestellen sei, um den in § 1706 bezeichneten Aufgaben für das (deutsche) Kind nachzukommen. Den gegenteiligen Schlußfolgerungen, die Schütz dort allerdings für den jedoch gleichgeregelten Bereich der Unterhaltsansprüche (§ 1706 Z 2 BGB) aufgrund der kammergerichtlichen Entscheidung in RZ 1995, 242 f, anstellt, vermag der erkennende Senat nicht beizutreten: Wohl hat das zuständige österreichische Gericht dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zufolge gemäß Art 1 und 2 MjSchÜbk die nach österreichischem Recht vorgesehenen Schutzmaßnahmen für den Minderjährigen zu treffen, doch ist wie schon dargestellt die Anerkennung der Vaterschaft vom Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen: In diesem Belang ist, wie gleichfalls bereits dargelegt, das Heimatrecht des Kindes und somit deutsches Recht maßgeblich, danach aber die Zustimmung des Kindes zur Wirksamkeit des Anerkenntnisses erforderlich, das aber in diesem Umfang, sofern es unter der Sorge der Mutter steht, von einem „Pfleger“ zu vertreten ist, damit der vom Gesetzgeber unterstellten möglichen Interessenkollision (vgl dazu Mutschler aaO § 1600 c BGB Rz 1 und Hinz aaO § 1706 Rz 1; Göppinger aaO § 1600 c Rz 1 und 4) ausreichend Rechnung getragen werden könne. Folgt man nun der treffend begründeten Ansicht des Kammergerichts, dem auch Klinkhardt in IPrax 1994, 285 f, beipflichtet, so kommt zwar die Amtspflegschaft durch das deutsche Jugendamt nicht in Betracht, weil diese, erlischt sie, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt ins Ausland verlegt, umso mehr gar nicht wirksam werden kann, wenn das Kind schon in Österreich geboren wurde und seither seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat (vgl dazu auch die in Ablichtung im Akt liegende Geburtsurkunde), doch hat dann das österreichische Pflegschaftsgericht in Wahrnehmung seiner Kompetenzen nach Art 1 und 2 MjSchÜbk zum Schutz des Kindes angesichts der § 1600 c BGB unterstellten Interessenkollision zwischen Mutter und Kind bei der Vaterschaftsanerkennung einen besonderen Sachwalter zu bestellen, weil sonst schwerwiegende Vertretungslücken offen blieben (vgl Schwimann , Grundriß, 251). Überließe man dagegen die nach deutschem Recht erforderliche Zustimmung zum Vaterschaftsanerkenntnis der Mutter als Ausfluß deren Sorgerechts, so hätte das zur Folge, daß der der Bestimmung des § 1600 c BGB innewohnende Zweck der Interessenkollision zu begegnen unterlaufen würde; gerade deshalb könnte auch ein solches Vaterschaftsanerkenntnis entgegen den §§ 1600 c und 1706 BGB für den deutschen Rechtsbereich keine rechtliche Wirkungen entfalten.

Zu Recht haben deshalb die Vorinstanzen einen Sachwalter zur Wahrnehmung der in den §§ 1600 c und 1706 BGB, die hier anzuwenden sind, vorgezeichneten Aufgaben bestellt (vgl auch BMI in ÖStA 1989, 85).

Rechtssätze
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