JudikaturJustiz1Ob183/08f

1Ob183/08f – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2008

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** reg. Gen.mbH, *****, vertreten durch Pallauf Pullmann Meißnitzer Partner Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. Michael R*****, wegen 52.663,70 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 19. Mai 2008, GZ 2 R 208/07g-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juli 2007, GZ 2 Cg 2/06b-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit als Teilurteil aufrecht erhalten, als dieses zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 10.422,41 EUR samt 6 % Zinsen p.a. und 5,5 % Verzugszinsen p.a aus 12.272,41 EUR vom 19. 12. 2005 bis 28. 3. 2006 und aus 10.422,41 EUR seit 29. 3. 2006 binnen 14 Tagen zu zahlen, wobei die Zinsen und Verzugszinsen kontokorrentmäßig zu berechnen und vierteljährlich zum Quartalsende zu kapitalisieren sind.

Die Entscheidung über die diesem Teil des Klagebegehrens zuzurechnenden Kosten wird dem Endurteil vorbehalten."

Im Übrigen wird die Entscheidung des Berufungsgerichts einschließlich der Kostenentscheidung aufgehoben und dem Berufungsgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die auf den von der Aufhebung betroffenen Teil des Klagebegehrens entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen bestand eine langjährige Geschäftsbeziehung, wobei Ende der 90er-Jahre das Obligo auf den Konten des Beklagten stark anstieg und der ihm gewährte Überziehungsrahmen regelmäßig überzogen wurde. Im Jahr 2001 zahlte er schließlich zur Besicherung der offenen Kreditverbindlichkeiten einen Betrag von (umgerechnet) 107.192,43 EUR auf ein Sparbuch bei der Klägerin ein. Da der Beklagte mit diesem Geld nicht die Kontoverbindlichkeiten abdecken, sondern durch Veranlagung in Wertpapieren höhere Erträge erwirtschaften wollte, verwies ihn der Zweigstellenleiter an die „Abteilung für Vermögensanlage" in der Zentrale der Klägerin. Dort wurde er von einer Dame beraten, die ihm eine Anlageform empfahl, die von einer GmbH angeboten wurde. Diese GmbH ist eine 100%ige Tochter der Klägerin, deren Geschäftsgebiet die Vermögensverwaltung ist; ihr Geschäftssitz befindet sich in den Räumlichkeiten der Klägerin. Die erwähnte Dame gehört zu ihren Mitarbeiterinnen. Der Klägerin selbst kommt bei diesen Geschäften nur die Rolle der Depotbank zu; die Betreuung des Depots und die „Umschichtung" der Veranlagung - hier in Aktienfonds - erfolgt durch die GmbH. Der Beklagte erteilte der GmbH am 6. 2. 2001 einen „Vermögensverwaltungsauftrag", wobei das Guthaben auf dem zur Sicherheit gegebenen Sparbuch zur Veranlagung übergeben wurde. Am 7. 3. 2002 schlossen die Streitteile mehrere Kreditverträge ab, von denen zwei der Abdeckung der Außenstände auf den Konten des Beklagten bei der Klägerin dienten. Zur Besicherung der Forderung der Klägerin aus den neuen Kreditverträgen wurde unter anderem auch das Wertpapierdepot des Beklagten verpfändet, das zum damaligen Zeitpunkt einen Wert von 91.171,69 EUR aufwies. Nachdem der Beklagte die Kredite nicht vereinbarungsgemäß zurückzahlte und die Klägerin zur teilweisen Abdeckung ihrer Forderungen die ihr verpfändeten Wertpapiere realisiert hatte, betrugen die offenen Kreditverbindlichkeiten des Beklagten zum 19. 12. 2005 54.513,70 EUR; am 28. 3. 2006 wurden 1.850 EUR bezahlt.

Die Klägerin begehrte letztlich die Zahlung dieser offenen Kreditverbindlichkeiten im Betrag von 52.663,70 EUR sA. Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wandte zwei Gegenforderungen über insgesamt 42.241,29 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes aufrechnungsweise gegen die Klageforderungen ein. Über Vermittlung eines Filialleiters der Klägerin sei ihm in den Räumlichkeiten der Zentrale von einer Mitarbeiterin erklärt worden, es sei eine (langfristige) Rendite von mehr als 7 % (pro Jahr) realistisch, die aufgrund des Vermögensverwaltungsauftrags erzielt werden könne. Mit der zuständigen Sachbearbeiterin sei auch vereinbart worden, dass das Depot ständig beobachtet werde, um auf eine negative Entwicklung rasch reagieren zu können, sodass keinesfalls eine zu große Differenz zwischen Kreditsumme und sich möglicherweise negativ entwickelndem Depot entstehe, wobei ihm die stete Beobachtung des Depots im Rahmen des Vermögensverwaltungsauftrags garantiert worden sei. Obwohl sich das Depot negativ entwickelt habe und er in mehreren Gesprächen mit der Sachbearbeiterin versucht habe, zu erreichen, dass eine Veränderung der Anlageinstrumente stattfindet, habe es diesbezüglich keinerlei Reaktionen gegeben. Andere Banken hätten viel rascher und effizienter auf die Veränderungen an den Aktien- und Fondsmärkten reagiert als die Klägerin. Die Klägerin habe es durch ihre Unterlassungen und mangelnde kaufmännische Sorgfalt im Rahmen des Vermögensverwaltungsauftrags und des Vermögensberatungsauftrags zu verantworten, dass sich der Wert seines Depots um 28.544,11 EUR verringert habe. Letztlich habe die Klägerin „beziehungsweise" die GmbH auch ihre Verpflichtung verletzt, sein Depot im Sinn eines ordentlichen Kaufmanns zu verwalten und gegebenenfalls zur Verringerung und Minimierung der Verluste bei gleichzeitiger Rückführung der Kreditverbindlichkeiten „glatt zu stellen". Zwischen ihm und der die Klägerin repräsentierenden Sachbearbeiterin sei klargestellt gewesen, dass Vermögensverluste in jedem Fall vermieden bzw in einem sehr engen Rahmen gehalten werden müssten, weil das Aktienportfolio eben als Sicherheit für die Kredite dienen sollte. Die Klägerin „beziehungsweise" die GmbH hätte bei Abschluss des Vermögensverwaltungsauftrags bereits von der negativen Entwicklung auf den Aktienmärkten im Jahr 2000 gewusst, darauf jedoch nicht hingewiesen und auch keine Empfehlung ausgesprochen, möglicherweise doch den als Sicherheit erlegten Geldbetrag zur Zurückzahlung der Kreditverbindlichkeiten zu verwenden. Hätte die Klägerin das ihr anvertraute Depot ordnungsgemäß bewirtschaftet und hätte sie die Vermögensberatung ordnungsgemäß durchgeführt, wäre das Depot spätestens Ende 2003 wieder „positiv zu verwerten" gewesen. Die für das Jahr 2004 bis zur tatsächlichen Verwertung des Depots angefallenen Zinsen und Spesen in Höhe von (weiteren) 13.697,18 EUR wären dann nicht entstanden. Die Klägerin hafte für den Schaden des Beklagten auch deshalb, weil „im Endeffekt" auch die Vermögensverwaltung stets unter ihrer Kontrolle geführt worden sei. Die Klägerin habe ab November 2004 auch die Vermögensverwaltung übernommen und daher auch für Fehler der GmbH einzustehen, die im Übrigen ihre 100%ige Tochter sei. Abgesehen davon, dass die Geschäfte im Gesamten übernommen worden seien, sei auch für den Beklagten nicht erkennbar gewesen, „wer was" gemacht habe. Die Geschäfte seien immer im Haus der Klägerin geführt worden, wenn auch zunächst von einer 100%igen Tochtergesellschaft.

Die Klägerin wandte dagegen im Wesentlichen ein, sie sei lediglich Depotbank gewesen, wogegen die Disposition über das Depot der das Vermögen verwaltenden GmbH oblegen sei. Der Beklagte sei auch über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufgeklärt und zu seiner Risikobereitschaft befragt worden. Die Zulässigkeit einer Aufrechnung sei in den Vertragsinhalt gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin eingeschränkt worden, insbesondere auf Forderungen des Kunden, die mit seiner Verbindlichkeit im Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang sei nicht gegeben, zumal weder der Vermögensverwaltungsauftrag noch der Depotvertrag im Zusammenhang mit der erst später erfolgten Kreditvereinbarung abgeschlossen worden seien.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als zu Recht, die eingewendeten Gegenforderungen hingegen als nicht zu Recht bestehend und verurteilte den Beklagten zur Zahlung des Klagebetrags samt Zinsen. Die Kreditforderungen der Klägerin seien ordnungsgemäß fällig gestellt worden. Ein Auswahlverschulden der Klägerin habe der Beklagte nicht behauptet. Allfällige Ansprüche wegen mangelhafter Vermögensverwaltung, welche aber ohnedies nicht vorliege, bestünden nur gegen die GmbH, nicht aber gegen die Klägerin. Mangels Gegenseitigkeit komme es auf das vereinbarte Aufrechnungsverbot gar nicht an.

Das Berufungsgericht „bestätigte" das Ersturteil „mit der Maßgabe", dass über die eingewendeten Gegenforderungen nicht meritorisch abgesprochen, sondern ausgesprochen wird, dass die Aufrechnungseinrede abgewiesen werde; es erklärte die Revision für zulässig. Auf die Mängel- und Beweisrüge in der Berufung des Beklagten müsse nicht eingegangen werden, weil er sich in seinem Rechtsmittel allein mit den eingewandten Gegenforderungen auseinandergesetzt habe, der Kompensationseinrede aber die vereinbarte Kompensationseinschränkung entgegenstehe. Die Forderungen des Beklagten stünden nämlich nicht im Zusammenhang mit seinen Verbindlichkeiten aus den Kreditverträgen. Für die Annahme der Konnexität könnte nur ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang in Betracht kommen, der im konkreten Fall allerdings im Hinblick darauf zu verneinen sei, dass die Kreditforderungen nicht der Finanzierung der Wertpapiergeschäfte des Beklagten gedient hätten und darüber hinaus der im Zentrum der Behauptungen des Beklagten stehende Wertpapierverwaltungsvertrag mit der Tochtergesellschaft der Klägerin ein Jahr vor Abschluss der den Kreditforderungen zugrundeliegenden Verträge eingegangen worden sei. Nach Auffassung des Berufungsgerichts sei der Zusammenhang zwischen den Kreditforderungen und den aus fehlerhafter Beratung und schlechter Verwaltung des später zur Besicherung verpfändeten Wertpapierdepots abgeleiteten Schadenersatzforderungen so weit, dass der Aufrechnung das vertraglich vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegenstehe. Damit habe eine urteilsmäßige Entscheidung über die Gegenforderung zu entfallen. Vielmehr sei die Aufrechnungseinrede abzuweisen, ohne dass über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung abgesprochen werde. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Auslegung der Z 60 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, die der entsprechenden Klausel der Musterbedingungen für Bankgeschäfte entspreche, über den vorliegenden Fall hinaus erhebliche Bedeutung zukomme und Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten ist zulässig und mit ihrem Aufhebungsantrag teilweise berechtigt.

Zutreffend hat schon das Berufungsgericht ausgeführt, dass zur Auslegung der Klausel, nach der eine Aufrechnung nur zulässig ist, wenn die Forderung des Kunden im Zusammenhang mit seiner Verbindlichkeit steht, auf die Rechtsprechung zum „rechtlichen Zusammenhang" gemäß § 391 Abs 3 ZPO zurückgegriffen werden kann, nach der ein solcher Zusammenhang unter anderem dann vorliegt, wenn zwischen den beiden Ansprüchen ein „inniger wirtschaftlicher Zusammenhang" besteht, der die Durchsetzung des Klagsanspruchs ohne Rücksicht auf den Gegenanspruch als Treu und Glauben widersprechend erscheinen ließe (RIS-Justiz RS0040692). Nach Auffassung des erkennenden Senats ist ein solcher Zusammenhang hier zu bejahen. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist festzuhalten, dass die Beurteilung des Zusammenhangs nicht nach der tatsächlichen materiellen Rechtslage, sondern allein nach den Prozessbehauptungen des Beklagten zu beurteilen ist.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann ein inniger wirtschaftlicher Zusammenhang nicht mit dem Argument geleugnet werden, dass der Wertpapierverwaltungsvertrag bereits ein Jahr vor Abschluss der den Kreditforderungen der Klägerin zugrundeliegenden Verträge eingegangen worden ist. In Wahrheit bestanden schon früher Verbindlichkeiten des Beklagten bei der Klägerin aus (teilweise sogar vereinbarungswidrigen) Kontoüberziehungen, für die der Beklagte vorerst ein Sparbuch mit einer Einlage von mehr als 107.000 EUR als Sicherheit bestellte, das später - mit Einverständnis der Klägerin als Pfandgläubigerin - durch die Ansprüche aus dem Wertpapierdepot ersetzt wurde. In der Folge wurden die (so besicherten) Verbindlichkeiten des Beklagten formal auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt, indem Kreditverträge mit neu geregelten Rückzahlungsmodalitäten abgeschlossen und mit den vereinbarten „Kreditsummen" die offenen Salden auf den bisherigen Konten (überwiegend) ausgeglichen wurden. Da sich bei dieser Konstruktion an den Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber der Klägerin grundsätzlich nichts geändert hat, sondern lediglich die Vertragsmodalitäten geändert bzw neu festgelegt wurden, kann ein enger Zusammenhang zwischen den nur formal „neuen" Kreditverbindlichkeiten des Beklagten einerseits und der Abrede, mit der die Wertpapiere bei der Beklagten aufs Depot gelegt und zugleich zur Sicherung der damals bestehenden Verbindlichkeiten verpfändet wurden, nicht geleugnet werden.

Der Beklagte leitet seine Schadenersatzansprüche nun aus der Behauptung ab, Vertreter der Klägerin hätten ihn bei der Umschichtung des zur Sicherheit hingegebenen Geldbetrags von einem Sparbuch auf ein Wertpapierdepot schlecht beraten, die Klägerin hätte trotz einer entsprechenden Vereinbarung auf negative Entwicklungen des Wertpapierdepots nicht reagiert und das ihr anvertraute Depot auch nicht ordnungsgemäß bewirtschaftet. Ebenso hätte sie ihre Verpflichtung verletzt, die Sicherheit bei ungünstiger Entwicklung des Wertpapierdepots zu verwerten und den Erlös zur Rückführung der Kreditverbindlichkeiten zu verwenden.

Angesichts dieser Prozessbehauptungen ist die Frage, ob der Beklagte Ansprüche geltend macht, die mit der Klageforderung in einem engen Zusammenhang stehen, zu bejahen, sodass die Kompensationseinrede durch das von der Klägerin angesprochene Aufrechnungsverbot nicht ausgeschlossen wird. Das Berufungsgericht ist aufgrund seiner gegenteiligen Rechtsansicht von einer Unzulässigkeit der Aufrechnung ausgegangen und hat sich daher im Übrigen mit der Berufung des Beklagten nicht weiter auseinandergesetzt. Dies wird im fortgesetzten Verfahren nachzuholen sein.

Die Urteile der Vorinstanzen sind allerdings insoweit als Teilurteil aufrecht zu erhalten, als die - auch in der Revision für sich nicht mehr bekämpfte - Klageforderung als zu Recht bestehend erkannt wurde und auch im Falle einer vollständigen Berechtigung der eingewandten Gegenforderungen von diesen betragsmäßig nicht erreicht würde. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 bzw § 392 Abs 2 ZPO.