JudikaturJustiz1Ob138/53

1Ob138/53 – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Februar 1953

Kopf

SZ 26/47

Spruch

Vor dem Notar als Gerichtskommissär abgeschlossene Vergleiche sind keine gerichtlichen Vergleiche und daher keine Exekutionstitel. Entscheidung vom 25. Feber 1953, 1 Ob 138/53.

I. Instanz: Bezirksgericht St. Pölten; II. Instanz: Kreisgericht St.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung des Obersten Gerichtshofes:

Nachdem eine abhandlungsbehördliche Genehmigung zur Aufnahme eines Darlehens erteilt worden war, wurde in der weiteren Abhandlungspflege vor dem Notar Dr. Harald M. am 19. Oktober 1951 von den drei erbserklärten Erben und der erblasserischen Adoptivtochter die zwischen ihnen abgeschlossene obgenannte Vereinbarung unter Hinweis darauf, daß sie nachstehenden Vergleich schließen, zu Protokoll gegeben. Nach diesem Vergleich erhält die Pflichtteilsberechtigte zur vollständigen Abfertigung aller Ansprüche aus dem Gründe ihres Pflichtteilsrechtes und aus einer allfälligen Verkürzung ihres Pflichtteiles durch eine Schenkung einen Betrag von 150.000 S, wobei die Zinsen bis 23. August 1951 mit dem Betrag von 11.000 S pauschaliert wurden. Die weiteren Zinsen ab 23. August 1951 betragen 5%. Weiters wurde in diesem Vergleiche festgestellt, daß der Betrag von 100.000 S bereits berichtigt wurde, die 11.000 S bis 1. Jänner 1952 zu bezahlen sind und der Restbetrag von 50.000 S in zwei gleichen Raten am 31. August 1952 und am 31. August 1953 zur Zahlung fällig wird.

Mit Beschluß vom 14. Jänner 1952 hat das Abhandlungsgericht u. a. dieseszwischen den erbserklärten Erben und der Adoptivtochter abgeschlossene Übereinkommen zur Kenntnis genommen. Unter Hinweis auf den obgenannten Vergleich vom 19. Oktober 1951 beantragte die betreibende Partei, ihr zur Hereinbringung des Betrages von 5000 S, dessen Fälligkeit am 31. August 1952 eingetreten sei, gegen die verpflichteten Parteien, nämlich die drei obgenannten erbserklärten Erben, die Exekution mittels Pfändung, Verwahrung und Verkauf der beweglichen Sachen zu bewilligen. Während das Erstgericht diese Exekution auf Grund des Vergleiches vom 19. Oktober 1951 bewilligt hat, wurde vom Gericht zweiter Instanz infolge Rekurses der verpflichteten Parteien der Exekutionsantrag abgewiesen. Das Rekursgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß es sich bei dem Vergleich vom 19. Oktober 1951 um keinen vor einem Zivilrichter im Sinne des § 1 Z. 5 EO. abgeschlossenen Vergleich handle, denn der gegenständliche Vergleich sei nur von einem Gerichtskommissär vereinbart und vom Abhandlungsgericht lediglich zur Kenntnis genommen worden. Die Voraussetzungen des § 1 Z. 5 EO. träfen daher nicht zu, da der vor einem Notar abgeschlossene Vergleich nicht als vor einem Richter abgeschlossen gelten könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionrekurs der betreibenden Partei, dem aber Berechtigung nicht zukommt. Bei Entscheidung der vorliegenden Rechtsfrage muß davon ausgegangen werden, daß zwischen einem privatrechtlichen Vergleich und einem gerichtlichen Vergleich unterschieden werden muß. Ersterer wird in den §§ 1380 ff. ABGB. behandelt; den letzteren regeln die Bestimmungen der §§ 204 ff. ZPO.

Der gerichtliche Vergleich besteht in übereinstimmenden Verfügungserklärungen beider Prozeßparteien im Zivilprozeß oder der Parteien im Verfahren außer Streitsachen, durch die der Streit über den seinen Gegenstand bildenden Privatrechtsanspruch oder das strittige Privatrechtsverhältnis ganz oder zum Teil gütlich beigelegt wird (Pollak, S. 413). Demgegenüber ist der Vergleich nach bürgerlichem Recht ein zweiseitiger verbindlicher und entgeltlicher Vertrag, in dem die Parteien an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften Verbindlichkeit eine feststehende setzen (Klang, § 1380 ABGB.).

Wenn auch der Zweck beider Arten des Vergleiches derselbe ist, so setzt der gerichtliche Vergleich voraus, daß er von den Parteien im Rahmen eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens vor dem Richter abgeschlossen wird. Nur der vor einem Richter während eines gerichtlichen Verfahrens abgeschlossene und protokollierte Vergleich ist ein gerichtlicher (Neumann - Lichtblau, S. 21) und stellt sich, insofern er auf eine Leistung lautet, im Sinne des § 1 Z. 5 EO. als Exekutionstitel dar.

Daraus ergibt sich, daß ein Vergleich im Sinne des § 1 Z. 5 EO. nur dann als Exekutionstitel angesehen werden kann, wenn er ein gerichtlicher ist, d. h. vor einem Zivil- oder Strafrichter abgeschlossen und zu Protokoll genommen wurde.

Im gegenständlichen Falle führte im Sinne der Bestimmungen der §§ 183 ff. der Notariatsordnung vom 21. Mai 1855, RGBl. Nr. 94, in der Fassung des Art. V der 7. Gerichtsentlastungsnovelle vom 23. Dezember 1931, BGBl. 1932, Nr. 6, der Notar die Abhandlung durch. Wenn gelegentlich dieser Abhandlungspflege vor dem Notar die Erben hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche mit der Berechtigten einen Vergleich abgeschlossen haben, so muß, wenn auch dieser Vergleich vom Abhandlungsrichter zur Kenntnis genommen wurde, gesagt werden, daß es sich hiebei um keinen gerichtlichen Vergleich handelt, da jedenfalls dieser Vergleich nicht vor einem Richter zustande gekommen ist.

Daran ändert auch nichts der Umstand, daß im Sinne der obbezogenen Gesetzesstellen der die Abhandlung durchführende Notar verpflichtet ist, bei der Abhandlungspflege die für die Gerichte selbst bestehenden Vorschriften zu beachten, und daß dieser Vergleich der weiteren Abhandlungspflege zugrunde gelegt wurde. Denn trotz der Bestimmung des § 186 der Notariatsordnung vom 21. Mai 1855, RGBl. Nr. 94, wird der Notar bei der Abhandlungspflege nicht Richter, und wenn der Abhandlungsrichter nachträglich diesen Vergleich zur Kenntnis genommen hat, ist hiedurch nicht der Vergleich vor dem Außerstreitrichter abgeschlossen worden. Der privatrechtliche Vergleich der erblasserischen Erben und der Adoptivtochter wurde somit nicht ein gerichtlicher. Mit Recht hat daher das Rekursgericht mangels Vorliegens eines Exekutionstitels im Sinne des § 1 Z. 5 EO. den Exekutionsantrag abgewiesen. Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.