JudikaturJustiz1Fsc1/22w

1Fsc1/22w – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. November 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. P* A*, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens AZ 31 Cg 18/13i des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, hier wegen Fristsetzung, über den im zu AZ 14 R 120/22b des Oberlandesgerichts Wien anhängigen Rechtsmittelverfahren gestellten Fristsetzungsantrag der klagenden Partei vom 24. Oktober 2022 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

1. Der Fristsetzungsantrag der klagenden Partei wird mangels anwaltlicher Fertigung, soweit er nicht die Rechtsmittelverfahren über seine Verfahrenshilfeanträge betrifft, dem Oberlandesgericht Wien zurückgestellt.

2. Dem Oberlandesgericht Wien wird aufgetragen, binnen vier Wochen in den Rechtsmittelverfahren über die Verfahrenshilfeanträge über den Antrag der klagenden Partei vom 30. 9. 2022 zu entscheiden.

Text

Begründung:

[1] Gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. 11. 2021, mit dem dieses die Wiederaufnahmsklage des Klägers (zu einem rechtskräftig abgeschlossenen Amtshaftungsverfahren) zurückgewiesen und seinen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (nach § 64 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO) abgewiesen hatte, erhob der damals noch anwaltlich vertretene Kläger einen Rekurs und lehnte zugleich die Erstrichterin als befangen ab.

[2] Nachdem der Ablehnungssenat des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien den Ablehnungsantrag zurückgewiesen hatte, gab die Rechtsvertreterin am 4. 2. 2022 die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zum Kläger bekannt; der Kläger begehrte zugleich die Unterbrechung des Verfahrens „im Sinne des § 191 ZPO“ und ersuchte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, „ein strafgerichtliches Verfahren iSd § 539 Abs 1 ZPO einzuleiten, wobei die Ermittlungen von einer durch die Generalprokuratur nach § 25 Abs 4 StPO zu bestimmenden Staatsanwaltschaft durchzuführen sind“. Weiters beantragte er die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO. Am 28. 2. 2022 verzichtete die Rechtsvertreterin des Klägers auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft.

[3] Gegen den Beschluss des Ablehnungssenats erhob der Kläger einen nicht mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehenen Rekurs. Über diesen entschied das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht bislang nicht, weil dieses Rekursverfahren seit 1. 3. 2022 gemäß § 160 Abs 1 ZPO unterbrochen sei.

[4] Das Rekursverfahren über den Rekurs des Klägers gegen den eingangs genannten Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. 11. 2021 ist beim Oberlandesgericht Wien zu AZ 14 R 120/22b anhängig.

[5] Mit Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. 6. 2022 wies es den Antrag des Klägers vom 4. 2. 2022 auf Unterbrechung des Verfahrens sowie „den erweiterten Verfahrenshilfeantrag“ (gemeint: Antrag auf unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts nach § 64 Abs 1 Z 3 ZPO) ab. Den dagegen vom nicht anwaltlich vertretenen Kläger erhobenen Rekurs legte das Landesgericht mit der Stellungnahme des Revisors, auf eine Rekursbeantwortung zu verzichten, dem Oberlandesgericht Wien „im Nachhang zu 14 R 120/22b“ vor. Einen Vorlagebericht forderte das Oberlandesgericht Wien im Zusammenhang mit der am 12. 7. 2022 erfolgten Vorlage dieses Rechtsmittels nicht an.

[6] Im Rechtsmittelverfahren des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 14 R 120/22b stellte der anwaltlich nicht vertretene Kläger am 30. 9. 2022 folgenden Antrag:

[7] „1. Zur Wahrung der gesetzlichen Ergänzungspflicht des § 496 Abs 3 ZPO die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens iSd § 539 Abs 1 ZPO veranlassen;

[8] 2. das anhängige Rekursverfahren zu 14 R 120/22b für die Dauer dieser strafgerichtlichen Ermittlungen gemäß § 191 ZPO unterbrechen; und

[9] 3. die gesamten Akten (einschließlich die der ursprünglichen Wiederaufnahmsklage vom 13. 9. 2021 beigelegten Beweisurkunden) an die Generalprokuratur weiterzuleiten, zwecks Bestimmung (gemäß § 25 Abs 4 StPO) der für die Führung des Ermittlungsverfahrens iSd § 539 Abs 1 ZPO zuständigen Staatsanwaltschaft.“

[10] Nachdem das Oberlandesgericht Wien darüber nicht entschied, stellte der anwaltlich nicht vertretene Kläger am 24. 10. 2022 beim Oberlandesgericht einen an den Obersten Gerichtshof gerichteten Fristsetzungsantrag zur Entscheidung über diesen Antrag.

[11] Das Oberlandesgericht Wien legte den Fristsetzungsantrag mit einer Stellungnahme dem Obersten Gerichtshof vor, in der es seine Entscheidungspflicht verneinte .

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Da im Hauptverfahren – der Wiederaufnahme des Amtshaftungsverfahrens – absolute Anwaltspflicht besteht (§ 27 Abs 1 ZPO), müssen schriftliche Rekurse mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. Auch ein Fristsetzungsantrag gemäß § 91 GOG bedarf bei Anwaltspflicht stets der Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt (RS0118184). Von dieser Anwaltspflicht weiß der Kläger durch entsprechende Beschlüsse des Oberlandesgerichts Wien im Verfahren zu AZ 14 R 34/22f.

[13] Der Fristsetzungsantrag ist damit, soweit er nicht die Rechtsmittelverfahren über seine Verfahrenshilfebegehren betrifft, mangels anwaltlicher Vertretung dem vorlegenden Gericht unerledigt zurückzustellen.

[14] 2. Soweit dem Rekursverfahren ein Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe zugrunde liegt, bedarf ein Rekurs des Klägers i Sd § 72 Abs 3 ZPO keiner Anwaltsunterfertigung. Das gilt auch für einen entsprechenden Fristsetzungsantrag.

[15] Entscheidungen über – wie hier jedenfalls vor einer Unterbrechung gestellte – Verfahrenshilfeanträge können trotz Stillstands auch während der Unterbrechung gefällt werden (4 Ob 3/18x mwN = RS0131939 = SZ 2018/3; Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5 § 163 ZPO Rz 6; Fink in Fasching/Konecny 3 II/3 § 163 ZPO Rz 10).

[16] 3. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat den Rekurs des Klägers gegen seinen Beschluss vom 15. 6. 2022, mit dem es insbesondere den Antrag des Klägers auf unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts abgewiesen hatte, dem Oberlandesgericht Wien „im Nachhang zu 14 R 130/22b“ mit der Stellungnahme des Revisors, keine Rekursbeantwortung abzugeben, vorgelegt.

[17] Nach § 522 Abs 2 ZPO hat das Erstgericht den Rekurs nach Einlangen der Rekursbeantwortung oder nach fruchtlosem Ablauf der hier offenstehenden Frist, mit allen für die Beurteilung des Rekurses erforderlichen Akten, „gegebenenfalls mit einem aufklärenden Bericht,“ dem Rekursgericht vorzulegen. Dass das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien entgegen § 179 Abs 2 Geo keinen Vorlagebericht erstattete, veranlasste das Oberlandesgericht Wien nicht zur Durchführung eines entsprechenden Verbesserungsverfahrens. Vorlageberichte sind Berichte, womit Rechtsmittel vorgelegt werden (§ 178 Abs 1 Geo).

[18] Das Rechtsmittelverfahren des Klägers betreffend die Abweisung seines Verfahrenshilfeantrags auf unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts (§ 64 Abs 1 Z 3 ZPO) war damit – anders als das vorlegende Gericht in seiner Stellungnahme meint – ebenfalls beim Oberlandesgericht Wien anhängig.

[19] 4. Auch im Rahmen der beiden beim Oberlandesgericht Wien anhängigen Rechtsmittelverfahren über die Verfahrenshilfe stellte der Kläger den (unberechtigten) Antrag auf Unterbrechung der Verfahren. Er bemängelt im Fristsetzungsantrag nicht, dass das Oberlandesgericht Wien mit der Entscheidung über seine Rekurse gegen die Abweisung der beiden Verfahrenshilfeanträge säumig ist, sondern nur mit der Entscheidung über seinen Antrag vom 30. 9. 2022 .

[20] Über diesen Antrag hat das Rekursgericht zu entscheiden. Dadurch, dass es eine Entscheidung darüber verweigert, ist es säumig geworden (vgl § 91 Abs 1 GOG). Für die Vornahme dieser Verfahrenshandlung im Rahmen der Rechtsmittelverfahren über die Verfahrenshilfe ist daher gemäß § 91 GOG eine als angemessen erachtete Frist zu setzen (vgl 8 Fsc 1/03v: Verpflichtung zur Entscheidung über ein unzulässiges Rechtsmittel).