JudikaturJustiz17Os25/15b

17Os25/15b – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Feyza A***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. Juni 2015, GZ 125 Hv 17/15h 28, sowie ihre Beschwerde gegen dessen Beschluss vom 4. August 2015, GZ 125 Hv 17/15h 32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Feyza A***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (A) und des Vergehens der Bestechung nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

Danach hat sie im November 2011 in Wien

(A) mit dem Vorsatz, dadurch die Gemeinde Wien an ihrem Recht unter anderem auf Einhebung der Parkometerabgabe (§§ 45 Abs 4 und 4a StVO iVm §§ 2 und 4 Wiener PauschalierungsVO) zu schädigen, den abgesondert verfolgten Manuel H*****, der als Vertragsbediensteter der Stadt Wien für die Ausstellung von Ausnahmebewilligungen gemäß § 45 Abs 4 StVO (iVm § 43 Abs 2a Z 1 StVO; [„Parkpickerl“]) zuständig war, mithin einen (im strafrechtlichen Sinn) Beamten der Gemeinde Wien, wissentlich zu bestimmen (§ 12 zweiter Fall StGB) versucht, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, dadurch zu missbrauchen, dass er ein „Parkpickerl ohne entsprechenden formellen Antrag sowie (damit einhergehend) ohne Prüfung der von der Gemeinde Wien im Sinne einer effektiven und zielführenden Parkraumbewirtschaftung erstellten Voraussetzungen für“ den von ihr gewünschten Bezirk „gegen Bezahlung eines nicht den standardmäßigen Tarifen entsprechenden, geringeren Betrages herstellte und“ den solcherart eingehobenen Betrag „nicht an die Gemeindekasse abführte, sondern für private Zwecke verwendete“, indem sie einem nicht ausgeforschten Mittelsmann das Kennzeichen (ihres Pkw) samt dem gewünschten Bezirk und der gewünschten Gültigkeitsdauer von zwei Jahren mitteilte, wobei der Mittelsmann die Daten zwecks Herstellung des „Parkpickerls“ per SMS an Manuel H***** weiterleitete;

(B) den nicht ausgeforschten Mittelsmann durch die zu A beschriebene Handlung dazu bestimmt, Manuel H***** als Amtsträger für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts einen Vorteil für diesen anzubieten, indem sie ihm die Zahlung eines nicht festgestellten Betrags anlässlich der Herstellung des „Parkpickerls“ in Aussicht stellte, wobei sie wusste, dass ein Teil davon an Manuel H***** weitergeleitet würde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 5, 8 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Mit Beschluss vom 4. August 2015 (ON 32) berichtigte der Vorsitzende des Schöffengerichts zu Punkt 1 das Hauptverhandlungsprotokoll dahingehend, dass der Schuldspruch zu Punkt B wegen des Vergehens „der Bestechung als Beteiligte nach §§ 12 zweiter Fall, 307 Abs 1 StGB“ (statt wie ursprünglich vermerkt: „der Bestechung nach § 307 Abs 1 StGB“) mündlich verkündet worden sei. Zu Punkt 2 des Beschlusses wurde die Urteilsausfertigung in Punkt B des Schuldspruchs (der schriftlich zunächst auf das Vergehen „der Bestechung als Bestimmungstäterin nach §§ 12 2. Fall, 307 StGB“ also ohne „Abs 1“ lautete) an das mündliche Urteil angeglichen.

Gleichzeitig mit der Nichtigkeitsbeschwerde erhob die Angeklagte auch Beschwerde gegen diesen Beschluss.

Zur Beschwerde:

Die Beschwerdeführerin weist zunächst zutreffend darauf hin, dass die 14-tägige Beschwerdefrist (§ 270 Abs 3 [teils] iVm § 271 Abs 7 StPO) noch nicht zu laufen begonnen hat, weil der angefochtene Beschluss ohne Rechtsmittelbelehrung (vgl § 86 Abs 1 erster Satz StPO) zugestellt, also nicht im Sinn des § 88 Abs 1 zweiter Satz StPO fristauslösend bekannt gemacht wurde (RIS-Justiz RS0123942). Mit der Formulierung, es werde gegen diesen Beschluss „innerhalb offener Frist“ das „Rechtsmittel der Beschwerde erhoben“, erklärte die Beschwerdeführerin allerdings unmissverständlich, ihre Anfechtungslegitimation schon vor Beginn der Beschwerdefrist mit dem als „I. Beschwerde“ und „II. Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung“ bezeichneten Schriftsatz (unbedingt) in Anspruch zu nehmen. Ungeachtet des Fehlens weiterer Ausführungen war daher über die Beschwerde in der Sache zu entscheiden (13 Os 107/08x [13 Os 108/08v, 13 Os 109/08s, 13 Os 130/08d], EvBl 2008/183, 966; vgl auch [insbesondere zur Begründung von Beschwerden] Ratz , WK StPO Vor §§ 280 296a Rz 6 f), was durch Erledigung im Spruch klargestellt wurde (vgl RIS Justiz RS0126057).

Gründe für die Annahme, dass das berichtigte Hauptverhandlungsprotokoll nicht den Inhalt der (tatsächlich erfolgten) Urteilsverkündung wiedergäbe, zeigt weder die (nicht begründete) Beschwerde auf, noch sind solche aus dem Akt (vgl ON 29 S 1) ersichtlich.

Die (zu Punkt 2 des Beschlusses erfolgte) Angleichung der Urteilsausfertigung an das mündlich verkündete Urteil wurde vom Vorsitzenden des Schöffensenats zutreffend analog § 270 Abs 3 StPO vorgenommen (zum Ganzen Danek , WK-StPO § 270 Rz 56 f).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde:

Das zu Z 3 erstattete Vorbringen, welches die zuvor beschriebene Abweichung der Urteilsausfertigung vom verkündeten Urteil releviert, kann mit Blick auf die Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses auf sich beruhen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 280; RIS-Justiz RS0098867, RS0098511).

Gleiches gilt für den aus Z 8 erhobenen Einwand, der aus der (ursprünglich) fehlerhaften Protokollierung des verkündeten Urteils eine von der Anklage abweichende Beteiligungsform ohne vorherige Information der Angeklagten (vgl RIS-Justiz RS0113755) ableitet.

Feststellungen sind nur dann mit Mängelrüge (Z 5) bekämpfbar, wenn sie (für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage) entscheidende Tatsachen betreffen (RIS Justiz RS0117499). Die Annahme der Tatrichter von der (in der Regel erheblichen Tatsache der) Glaubwürdigkeit einer Beweisperson stellt solcherart als (bloß) beweiswürdigende Erwägung keinen zulässigen Bezugspunkt des hier erhobenen Einwands offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) dar ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 431; RIS-Justiz RS0106588). Das Erstgericht stützte die hier nicht entscheidenden, sondern bloß den Hintergrund der verfahrensgegenständlichen Handlungen erklärenden Feststellungen betreffend die „Vorgehensweise und die subjektiven Vorstellungen“ des unmittelbaren Täters Manuel H***** auf dessen (einverständlich vorgetragene [ON 27 S 7]) geständige Verantwortung (US 5 iVm ON 2 S 13 ff und ON 3). Deren Glaubwürdigkeit sah es „durch die bisherigen Ermittlungs- und Beweisergebnisse in diesem (wie auch in zahlreichen anderen, bereits abgesondert abgeführten Verfahren)“ als gegeben. Die Beschwerdeführerin erblickt einen Begründungsmangel (Z 5 vierter Fall) darin, dass die Tatrichter eine (unter dem Aspekt der Verfahrensfairness [Art 6 MRK] gebotene) Erörterung der (bloß gerichts-)notorischen „Ergebnisse dieser abgesondert geführten Verfahren“ in der Hauptverhandlung unterlassen hätten. Das solcherart angesprochene Überraschungsverbot findet jedoch in Bezug auf beweiswürdigende Erwägungen des Gerichts hier im Zusammenhang mit der Bejahung der Glaubwürdigkeit des Manuel H***** keine Anwendung (RIS-Justiz RS0120025 [T1]; vgl Ratz , WK StPO § 281 Rz 463, 492).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) moniert einen Rechtsfehler mangels Feststellungen zur Wissentlichkeit der Beschwerdeführerin in Bezug auf zumindest vorsätzlichen (also auch gewollten) Fehlgebrauch der Befugnis durch den unmittelbaren Täter (vgl RIS Justiz RS0108964). Sie orientiert sich dabei nicht am gesamten Urteilsinhalt, der genau das unmissverständlich zum Ausdruck bringt (US 11). Im Übrigen inkludiert das vom Erstgericht an anderer Stelle (US 5) konstatierte Wissen (des Beamten) ohnedies die allen Vorsatzformen immanente Willenskomponente (RIS-Justiz RS0088835 [T4]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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