JudikaturJustiz15Os97/21k

15Os97/21k – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen A***** A***** und weitere Angeklagte wegen mehrerer Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall, 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten M***** B***** und über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2021, GZ 46 Hv 17/21m 205, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der vom Schuldspruch II./A./ erfassten Tat des Angeklagten B***** unter § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB, demzufolge auch im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch, weiters im Einziehungserkenntnis bezüglich die Gaspistole Beretta Modell 92 aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden der Angeklagte B***** und die Staatsanwaltschaft, soweit sich deren Rechtsmittel auf diesen Angeklagten bezieht, auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Angeklagten A***** I***** obliegt dem Oberlandesgericht Wien.

Dem Angeklagten B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche anderer Angeklagter enthält, wurde M***** B***** „der Verbrechen“ (erkennbar gemeint – US 25: des Verbrechens) des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (II./A./), des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB (II./B./1./) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (II./B./2./) schuldig erkannt.

[2] Danach haben – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant –

I./ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abgenötigt, und zwar

A./ A***** A***** und A***** M***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB)

2./ am 12. August 2020 in S***** Angestellten der R***** eGen Bargeld im Gesamtwert von 28.700 Euro, indem sie einen Revolver auf B***** Br***** und A***** W***** richteten und Geld forderten;

C./ A***** M***** alleine am 19. Oktober 2020 in Wien Angestellten der U***** AG Bargeld im Gesamtwert von 9.800 Euro, indem er eine Faustfeuerwaffe Beretta Mod 92 auf T***** J***** richtete und Geld forderte;

II./ M***** B*****

A./ am 12. August 2020 in S***** zu den unter I./A./2./ angeführten strafbaren Handlungen von A***** A***** und A***** M***** beigetragen, indem er diese mit dem Pkw von Wien nach S***** „sowie wieder zurück“ chauffierte, sie vor Ort beim Auskundschaften der Örtlichkeiten unterstützte und sie nach der Tat im Nahebereich der Bankfiliale abholte;

B./ in Wien

1./ am 19. Oktober 2020 A***** I*****, der die zu III./ angeführte strafbare Handlung begangen hat, dabei unterstützt, die Beute von 1.150 Euro zu verheimlichen, indem er ihn zum Einzahlen der Raubbeute zu einer Bankfiliale chauffierte;

2./ seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt bis 19. Oktober 2020 eine verbotene Waffe unbefugt besessen, indem er einen Schlagring mit drei aufgesetzten Stichklingen in seinem Zimmer in der B***** verwahrte;

III./ A***** I***** am 19. Oktober 2020 in Wien zu der unter I./C./ angeführten strafbaren Handlung von A***** M***** beigetragen, indem er in der Bankfiliale mit ihm gemeinsam als eine Einheit auftrat sowie maskiert direkt neben A***** M***** stand, um dadurch die Einschüchterung von T***** J***** zu verstärken und A***** M***** erforderlichenfalls durch aktives Eingreifen zu unterstützen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die vom Angeklagten B***** gegen die ihn betreffenden Schuldsprüche aus § 281 Abs 1 Z 5 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – teilweise berechtigt.

[4] Entgegen dem zum Schuldspruch II./A./ (in Bezug auf den Grundtatbestand des § 142 Abs 1 StGB) erhobenen Einwand der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist zwar die Ableitung (US 21) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 12 f) aus dem objektiven Tatgeschehen (hier) unbedenklich (vgl RIS Justiz RS0116882; RS0098671), zumal der Beschwerdeführer nach den – ausführlich begründeten (US 14 ff) – Feststellungen zum Tatablauf in den Tagen vor dem Raubüberfall in S***** nicht nur mögliche Ziele für die Raubüberfalle und allfällige Fluchtrouten auskundschaftete (US 9), sondern auch „in voller Kenntnis des Tatplans“ und bereit, die unmittelbaren Täter A***** und M***** „schnell wegzufahren“, mit dem Fluchtfahrzeug in der Nähe des Tatorts wartete (US 10).

[5] Gleichfalls unzutreffend ist der Einwand fehlender Begründung der Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten, A***** I***** bei der Verheimlichung dessen Anteils an der Raubbeute zu unterstützen (US 13).

[6] Denn auch diese Feststellung haben die Tatrichter – unter dem Aspekt des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO unbedenklich (abermals RIS Justiz RS0116882) – aus dem äußeren Geschehensablauf abgeleitet (US 21; vgl auch US 16 f), dem zufolge die am Raub beteiligten Angeklagten A*****, M***** und I***** den Beschwerdeführer nach dem Einsteigen in das von ihm gelenkte Fahrzeug über den stattgefundenen Überfall informierten und der Angeklagte „sodann“ (US 12) die Mittäter zur Bankfiliale in 1160 Wien fuhr, wo I***** seinen Beuteanteil auf ein Konto einzahlte.

[7] Die weitere auf § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO gestützte Beschwerdekritik an der Begründung der Feststellung zur subjektiven Tatseite betreffend den (unbefugten) Besitz des Schlagrings (II./B./2./; US 13) geht daran vorbei (vgl RIS Justiz RS0119370), dass der Angeklagte sich zu diesem Vorwurf „voll geständig“ verantwortete (US 14).

[8] Zum Schuldspruch II./A./ zeigt die Beschwerde hingegen zutreffend einen Begründungsmangel (abermals Z 5 vierter Fall) der Feststellung zum Vorsatz des Angeklagten in Bezug auf die qualifikationsverwirklichende (§ 143 Abs 1 zweiter Fall StGB) Verwendung einer Waffe beim Raub am 12. August 2020 in S***** (US 12) auf.

[9] Denn (auch) insoweit führte das Erstgericht nur aus, dass sich die jeweilige subjektive Tatseite „zwanglos“ aus dem äußeren Ablauf des Geschehens ableiten lasse und die Verantwortung des Angeklagten B*****, „von nichts gewusst und nur als Fahrer fungiert zu haben“, nur eine Schutzbehauptung darstelle (US 21). Da aber aus den Konstatierungen zum Tatablauf und zu den (vom Beschwerdeführer stets generell geleugneten) Beteiligungshandlungen (US 9 f) gerade nicht (laut Ersturteil) „zwanglos“ auf einen (bedingten) Vorsatz des Beitragstäters, dass die unmittelbaren Täter bei Verübung des Bankraubs eine Waffe iSd § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB verwenden, geschlossen werden kann (vgl demgegenüber [zur subjektiven Tatseite der anderen Angeklagten in Bezug auf die Qualifikation] US 21), erweist sich die Begründung in diesem Punkt als offenbar unzureichend (RIS Justiz RS0098671 [T9]). Dass der Angeklagte nach den Urteils feststellungen „in voller Kenntnis des Tatplans“ war (US 10), lässt – mangels weiterer Ausführungen zum Inhalt dieses Tatplans – den Schluss auf die subjektive Tatseite (allein) ebenfalls nicht zu.

[10] Die dadurch erforderliche Aufhebung des Schuldspruchs II./A./ im Umfang der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB zog die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich, weshalb auf das Vorbringen der Sanktionsrüge (Z 11) nicht mehr einzugehen war.

[11] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) überzeugte sich der Oberste Gerichtshof – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – davon, dass dem Einziehungserkenntnis betreffend die beim Angeklagten B***** sichergestellte Gaspistole Beretta Mod 92 (US 7) nicht geltend gemachte, dem Angeklagten B***** jedoch zum Nachteil gereichende Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO) anhaftet.

[12] Denn dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, dass diese Gaspistole zur Begehung einer Anlasstat tatsächlich verwendet oder zur Verwendung bei deren Begehung bestimmt worden wäre (vgl RIS Justiz RS0090394; RS0090481 [T6]). Die Erwägung, wonach es „laut dem Sachverständigen nicht ausgeschlossen“ sei, dass es sich bei der sichergestellten Waffe um die Tatwaffe vom 8. Oktober und 19. Oktober 2020 handle (US 19; vgl auch US 26), reicht als Grundlage für eine Einziehung nicht hin.

[13] Es war daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie aus deren Anlass das angefochtene Urteil bereits bei nichtöffentlicher Beratung wie im Spruch ersichtlich aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen (§ 285e StPO).

[14] Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[15] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte B***** und die Staatsanwaltschaft, soweit sich deren Rechtsmittel gegen diesen Angeklagten richtet, auf die Aufhebung zu verweisen.

[16] Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft betreffend den Strafausspruch gegen A***** I***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.