JudikaturJustiz15Os96/02

15Os96/02 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder, Dr. Schmucker, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weiser als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Werner S***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 22. März 2002, GZ 11 Hv 22/02b-16, sowie über dessen Beschwerde gegen den gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO verkündeten Beschluss nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit seines ordungsgemäß geladenen Verteidigers Dr. Maynoff, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil und er gleichzeitig gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO verkündete Beschluss aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Werner S***** ist schuldig, er hat am 15. Juli 2001 in V***** an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers, nämlich an dem von ihm gepachteten und im Eigentum des Harald G***** stehenden Gastlokal "Gertis Kupferstüberl" in *****, durch vorsätzliches Einbringen einer Zündquelle im Bereich der Garderobe eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, wobei die Vollendung der Tat nur durch Zufall, nämlich mangels ausreichender Sauerstoffzufuhr, unterblieb.

Er hat hiedurch das im Stadium des Versuchs (§ 15 StGB) gebliebene Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB begangen und wird hierfür nach dieser Gesetzesstelle sowie gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wels vom 17. Oktober 2001, GZ 12 E Vr 1113/00-17, zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wird. Gemäß § 366 Abs 2 StPO wird der Privatbeteiligte Harald G***** mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO (§ 55 Abs 1 StGB) wird vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. Oktober 2001, GZ 12 E Vr 1113/00-17, bedingt nachgesehenen Geldstrafe abgesehen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß §§ 389, 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des gesamten Strafverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Manfred S***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 15. Juli 2001 in V***** an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers, nämlich an dem von ihm gepachteten und im Eigentum des Harald G***** stehenden Gastlokal "Gertis Kupferstüberl" in **********, durch vorsätzliches Einbringen einer Zündquelle im Bereich der Garderobe eine Feuersbrunst verursacht hat, wodurch am Gebäude ein Schaden von 43.385,68 Euro entstanden ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten nominell aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl. Zu Unrecht wird unter dem zuerst genannten Nichtigkeitsgrund (Z 5) ein bloß isoliert aus dem Zusammenhang gelöster, für sich allein betrachtet keinen entscheidenden (also entweder für die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes bedeutsamen) Umstand berührender Feststellungsteil (US 11 unten bis 12 oben: "Alle anderen Schlüsselbesitzer wie die Reinigungsfrau ...... und stand als einziger im ausschließlichen Gelegenheitsverhältnis zur Verursachung dieser Feuersbrunst".) als unbegründet und ohne jede Verbindung zum Beweisverfahren gerügt. Indes findet die kritisierte Urteilspassage in den zureichend erörterten (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) sicherheitsbehördlichen Erhebungen (S 17 iVm 41, 105 bis 109) sowie in den Aussagen der Zeugen Harald G***** (S 277, 283) und der Gertraude K***** (S 292, 293 f) ihre beweismäßige Deckung (vgl auch US 7 vorletzter Absatz). Bei gebotener gesamtheitlicher Betrachtung der Entscheidungsgründe (US 7 bis 13) schlossen die Erkenntnisrichter aus der Tatsache, dass neben vier anderen Personen auch der Beschwerdeführer einen Schlüssel zum Brandobjekt besaß, auf sein ausschließliches Gelegenheitsverhältnis und aus drei zusätzlichen Indizien (plausibles Tatmotiv, Anwesenheit am Brandort zum maßgeblichen Zeitpunkt, Verhalten nach der Tat gegenüber den Feuerwehrmännern) auf seine Täterschaft. Ein zwar in Ausführung der Rechtsrüge (Z 9 lit a) erhobener, aber ausdrücklich Nichtigkeit nach der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO relevierender Vorwurf, die Ausführungen zur inneren Tatseite des § 169 Abs 1 StGB, nämlich zum geforderten "zumindest bedingten Verletzungsvorsatz hinsichtlich der Feuersbrunst" seien mangelhaft, bzw es fehle an der Feststellung, ob die subjektive Tatseite hinsichtlich des "Verletzungsvorsatzes" erfüllt sei, sowie das Erstgericht verwende nur die verba legalia, orientiert sich weder am festgestellten Urteilssachverhalt noch an der darauf angewendeten Strafnorm des § 169 Abs 1 StGB, welcher ein "Verletzungsvorsatz" fremd ist. Unzutreffend ist der weitere Einwand, das Urteil enthalte zur subjektiven Tatseite, wonach sich der entsprechende bedingte Vorsatz schlüssig aus dem Einbringen einer Zündquelle in den Garderobenbereich ergebe (US 13 fünfter Absatz), nur eine Scheinbegründung und eine abstrakt gehaltene Vermutung des Erstgerichts. Lässt doch die Beschwerde auch insoweit prozessordnungswidrig alle sonstigen wesentlichen, im Kontext stehenden Entscheidungsteile außer Acht.

Die vermissten eindeutigen Konstatierungen über die "Eigentumsverhältnisse am Brandobjekt" sowie dazu, dass der Angeklagte das Feuer "ohne Einwilligung des Eigentümers an dessen Sache" versucht hat, finden sich auf Urteilsseiten S 3, 7, 11, 13 und

14. Die ungeklärt gebliebene Frage hinwieder, in wessen Eigentum die Lokaleinrichtung stand (US 7 oben), betrifft schon angesichts des festgestellten Brandschadens am Gebäude (US 7 oben) keinen entscheidenden Umstand.

Die Rechtsrüge behauptet ohne konkrete Rechtsausführung des weiteren, der Brand sei keine Feuersbrunst gewesen, weshalb der Tatbestand des § 169 Abs 1 StGB nicht erfüllt sei. Wie sich aus den unten näher auszuführenden Überlegungen ergibt, kann - gestützt auf diese Ausführungen - der mit der erhobenen Rechtsrüge (Z 9 lit a) angestrebte Freispruch des Angeklagten nicht erfolgen. Die Beschwerde unterlässt es zudem, ein anderes Strafgesetz anzugeben, das auf die Tat hätte angewendet werden sollen, und entbehrt somit auch aus dem Blickwinkel einer Subsumtionsrüge (Z 10) der prozessrechtlich vorausgesetzten Darstellung (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 10 E 8). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher insgesamt zu verwerfen. Als ihrem Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon, dass das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten angewendet wurde, indem ein Subsumtionsirrtum und deshalb eine Urteilsnichtigkeit unterlief, welche in der Beschwerde nicht mit der formalrechtlich erforderlichen Ausführung des in Frage kommenden Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht wurde (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge war es gegen 2 Uhr durch die vom Angeklagten verwendete Zündquelle im Bereich der Garderobe zunächst zur Flammenbildung gekommen. Wegen der ordnungsgemäß verschlossenen Türen und Fenstern fehlte es jedoch an ausreichender Luft(Sauerstoff-)zufuhr. Daher konnte sich das im Garderobenbereich gelegte Feuer nur über die dortige Wand zur Dachbzw Deckenkonstruktion hin ausbreiten, wobei der Brand auf eine räumliche Ausdehnung von ca. 10-14 m2 beschränkt blieb. Zum Zeitpunkt des Feuerwehreinsatzes nach 2 Uhr 50 herrschte im Gebäude eine massive Rauchentwicklung, sodass die Brandbekämpfung nur unter Verwendung schwerer Atemschutzgeräte durchgeführt werden konnte. Die Einsatzkräfte fanden vorerst keinen Brandherd und keinen Flammenbrand, vielmehr war der Brand zu dieser Zeit bereits selbständig erloschen. In der Folge wurden zwar zwei kleinere Glutnester entdeckt, jedoch rasch gelöscht. Die Brandbekämpfungszeit betrug 10 bis 15 Minuten (US 5 f).

Nach ständiger Rechtsprechung ist unter einer Feuersbrunst ein in räumlicher Hinsicht ausgedehnter, d.h. nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkter, sondern sich weiter ausbreitender, ausgedehnter und fremdes Eigentum in großem Ausmaß erfassender Brand zu verstehen, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist. Essentielle Begriffsmerkmale einer solchen Feuersbrunst sind die Unbeherrschbarkeit und eine gewisse räumliche Ausdehnung des Feuers. Diese beide Komponenten hängen insofern eng zusammen, als das Feuer zum einen gerade auf Grund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein muss, zum anderen aber auch die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung ist. Somit muss es sich um ein auf Grund seiner Ausdehnung (zumindest abstrakt) gemeingefährliches Feuer handeln, wobei sich die Gefährlichkeit bereits aus seiner vorhandenen Größe ergeben muss. Hingegen genügt die bloße Möglichkeit zukünftiger Vergrößerung eines (noch) kleinen Feuers nicht (vgl 11 Os 76, 77/02 mwN). Dies gilt für den hier zu beurteilenden Fall, weil der Brand auf einen beschränkten Umfang eingegrenzt blieb und selbständig erlosch. Daran vermag nichts zu ändern, dass ein Feuerwehreinsatz vorweg notwendig schien und die zwei kleinen Glutnester letztlich unter Verwendung von Atemschutzgeräten unschädlich gemacht wurden. So gesehen war daher unter den gegebenen Umständen - entgegen der verfehlten Rechtsansicht des Tatgerichtes - (noch) keine Feuersbrunst im Sinne des § 169 Abs 1 StGB eingetreten. Nach dem vom Erstgericht - wie dargelegt - mängelfrei getroffenen Konstatierungen war der Vorsatz des Angeklagten jedoch auf die Herbeiführung einer solchen Feuersbrunst gerichtet, welche nur zufällig mangels entsprechender Luft(Sauerstoff-)zufuhr nicht entstehen konnte (vgl dazu Mayerhofer in WK2 § 169 Rz 8). Daher verantwortet der Angeklagte lediglich das Verbrechen der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB. Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO war somit in der Sache selbst zu erkennen. Bei der durch die Urteilsaufhebung notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen (§ 31 StGB), als mildernd demgegenüber, die teilweise Schadensgutmachung durch die Versicherung (S 281) und dass es beim Versuch des Verbrechens geblieben ist.

Unter Abwägung der Zahl des Gewichtes dieser Strafzumessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht die zusätzlich verhängte Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowohl der personalen Täterschuld als auch dem Unrechtsgehalt der Tat. Diese Sanktion war (schon wegen des Verschlimmerungsverbotes) gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von 3 Jahren bedingt nachzusehen.

Die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg sowie das Absehen von Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 17. Oktober 2001 ausgesprochenen bedingten Nachsicht einer Geldstrafe hatte aus den vom Tatgericht zutreffend angestellten Überlegungen (US 15) zu erfolgen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.