JudikaturJustiz15Os88/94

15Os88/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juni 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr.Würzburger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Sieglinde Pe***** wegen des Vergehens nach § 91 Abs 1 UrhG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.November 1993, GZ 6 d EVr 7109/90-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Raunig, und des Verteidigers Dr.Mag.Jelinek, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.November 1993, GZ 6 d EVr 7109/90-27 (S 143 des Aktes), verletzt, soweit darin über die Angeklagte Sieglinde Pe***** eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 2.000 S verhängt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 235 StPO.

Dieser Beschluß wird im Umfang der Verhängung der Ordnungsstrafe aufgehoben.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Beim Landesgericht für Strafsachen Wien ist zum AZ 6 d EVr 7109/90 ein von den Privatanklägern Warner B***** GesmbH und P***** GesmbH gegen Sieglinde Pe***** wegen § 91 Abs 1 UrhG angestrengtes Strafverfahren anhängig. In der Hauptverhandlung vom 12.November 1993 störte die Angeklagte Sieglinde Pe***** die von den Parteienvertretern im Anschluß an eine Zeugenvernehmung geführten Vergleichsgespräche durch Zwischenrufe, wobei sie sich äußerte, daß "alles, was hier geschieht, haarsträubend" sei. Da sie dem Hauptverhandlungsprotokoll zufolge "ihr Verhalten" ungeachtet der - mit der Androhung ihrer Entfernung aus dem Verhandlungssaal verbundenen - Ermahnung des Einzelrichters nicht einstellte, wurde sie von diesem durch einen gemäß § 234 StPO gefaßten Beschluß von der weiteren Teilnahme an der Verhandlung ausgeschlossen. Überdies verhängte der Einzelrichter - gleichfalls unter Berufung auf die vorzitierte Gesetzesstelle - über die Angeklagte eine Ordnungsstrafe in der Höhe von 2.000 S (S 142 und 143).

Der zuletzt bezeichnete Beschluß, mit dem der Angeklagten eine Ordnungsstrafe auferlegt wurde, steht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Dem Einzelrichter, der gemäß § 488 Z 4 StPO die im schöffengerichtlichen Verfahren dem Vorsitzenden und dem Gerichtshof zukommenden Befugnisse und Obliegenheiten wahrzunehmen hat, stehen zur Aufrechterhaltung von Ruhe, Ordnung und Anstand in der Hauptverhandlung (§ 233 Abs 1 StPO) gegenüber dem Angeklagten folgende Mittel zu Gebote:

Stört dieser die Ordnung der Verhandlung durch ungeziemendes Benehmen und steht er von diesem Verhalten trotz Ermahnung des Richters und der Androhung der Entfernung aus der Sitzung nicht ab, so kann er - wie dies vorliegend insoweit dem Gesetz gemäß geschehen ist - nach § 234 StPO durch Beschluß von der - diesfalls in seiner Abwesenheit fortzusetzenden - Verhandlung auf einige Zeit oder für deren ganze Dauer ausgeschlossen werden. Die Verhängung einer Geld- oder Arreststrafe (als Ordnungsstrafe) ist hingegen nach dem Wortlaut des § 234 StPO in einem solchen Fall nicht vorgesehen.

Eine Ordnungsstrafe bis zu 10.000 S, wenn es zur Aufrechterhaltung der Ordnung unerläßlich ist, sogar eine Freiheitsstrafe bis zu 8 Tagen, darf zufolge der Bestimmung des § 235 StPO u.a. über den Angeklagten nur dann verhängt werden, wenn er in der Hauptverhandlung gegen jemanden Beschimpfungen oder offenbar unbegründete oder zur Sache nicht gehörige Beschuldigungen vorgebracht hat.

Derartige Äußerungen liegen der Angeklagten hier aber nicht zur Last, hat sie doch mit der hier allein aktuellen, im Hauptverhandlungsprotokoll beurkundeten Bemerkung (S 142 und 143) der Sache nach - ohne ein Schimpfwort zu gebrauchen - lediglich in laienhafter Weise an Vorgängen in der Hauptverhandlung eine - allenfalls überzogene - Kritik geübt. Die aus Anlaß dieser Bemerkung erfolgte Verhängung einer Ordnungsstrafe entbehrt daher der gesetzlichen Grundlage.

Der von der Generalprokuratur deswegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.