JudikaturJustiz15Os85/22x

15Os85/22x – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Buttinger als Schriftführer in der Strafsache gegen * G* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. Juni 2022, GZ 44 Hv 12/22p 113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird – soweit sie sich auf den Schuldspruch bezieht – zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der zu I./ erfassten Tat auch unter Abs 2 Z 3 des § 28a Abs 1 SMG, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung und des Ausspruchs der Konfiskation) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner auf den Sanktionsausspruch bezogenen Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte ebenso wie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über den Verfall obliegt dem Oberlandesgericht Wien.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 2 Z 3 SMG (I./A./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in W* und andernorts vorschriftswidrig Suchtgift

I./ A./ in einer das 15 f ache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge erzeugt, nämlich im Jahr 2017 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit D* K*, * E* und N* K* als Mittäter (§ 12 StGB), indem sie in P* eine Cannabisplantage betrieben und insgesamt 10,5 Kilogramm getrocknetes Cannabiskraut (enthaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta 9 THC) abernteten;

II./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich Kokain (enthaltend 79,02 % Cocain bzw zu B./ enthaltend mindestens 30 % Cocain) und Cannabiskraut (enthaltend 4,6 % THCA und 0,4 % Delta 9 THC), von zumindest Oktober 2016 bis März 2018 anderen gewinnbringend gegen Entgelt überlassen, und zwar

A./ * E* in einer Vielzahl von Angriffen „eine nicht festzustellende Menge Kokain und mindestens zwei Kilogramm Cannabiskraut zu einem nicht mehr feststellbaren Gesamtpreis;

B./ weiteren unbekannten Abnehmern eine nicht feststellbare Menge an Kokain und nicht feststellbare Mengen Cannabiskraut zu jeweils nicht mehr feststellbaren Preisen,

wobei die Grenzmenge (§ 28b SMG) an überlassenen Kokain und Cannabiskraut insgesamt jedenfalls überschritten wurde“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 3 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Aus Z 3 kritisiert die Rüge, die Tatrichter hätten sich bei ihrer Entscheidung auf Zeugenaussagen gestützt, die „erst durch eine rechtswidrige Ermittlungsmaßnahme veranlasst wurden“. Sie würden nämlich auf der Auswertung von „Sky Chats“ beruhen, wobei es für die Überwachung der Mobiltelefone weder eine gesetzliche Grundlage noch eine richterliche Genehmigung gegeben habe.

[5] Dieses Vorbringen scheitert schon daran, dass sich der Beschwerdeführer nicht auf einen Vorgang in der Hauptverhandlung bezieht (vgl Ratz , WK-StPO § 281 Rz 192; Hinterhofer/Oshidari , Strafverfahren Rz 9.46), durch den eine der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO taxativ (RIS-Justiz RS0099118) genannten Bestimmungen verletzt worden wäre.

[6] Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon, dass dem Schuldspruch I./A./ eine nicht geltend gemachte, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende Nichtigkeit aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[7] Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat der Angeklagte eine Cannabisplantage betrieben und insgesamt 10,5 Kilogramm Cannabiskraut enthaltend zumindest 4,6 % THCA und 0,4 % Delta 9 THC erzeugt (US 2, 4). Ausgehend von der verfehlten Annahme einer Grenzmenge von 20 Gramm THCA (US 5, 9) statt – richtig – 40 Gramm (laut Anhang zur Suchtgiftverordnung, Punkt 4) gelangten die Tatrichter irrig zur Annahme einer das 15 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge an erzeugtem Suchtgift. Tatsächlich enthalten 10,5 Kilogramm Cannabiskraut bei einem Reinheitsgehalt von 4,6 % THCA und 0,4 % Delta 9 THC 483 Gramm THCA (das 12,075 fache der Grenzmenge) und 42 Gramm Delta 9 THC (das 2,1 fache der Grenzmenge). Die Annahme eines Überschreitens der 15 fachen Grenzmenge erfolgte somit zu Unrecht.

[8] Überdies zeigt die Sanktionsrüge (Z 11) auf, dass die Wertung des Mangels an „jeglicher Kooperation“ und „jeglicher Verantwortungsübernahme bzw Schuldeinsicht“ als eine für die Ablehnung der Gewährung (teil-)bedingter Strafnachsicht (mit-)entscheidende Tatsache (US 10) eine im Sinn der Z 11 dritter Fall unrichtige Gesetzesanwendung darstellt (vgl RIS Justiz RS0090897).

[9] Diese Rechtsfehler erforderten die Aufhebung der rechtlichen Unterstellung der zu I./A./ angelasteten Tat auch unter die Qualifikation des Abs 2 Z 3 des § 28a Abs 1 SMG sowie des Strafausspruchs (einschließlich der Vorhaftanrechnung). Zugleich war von Amts wegen auch der Ausspruch über die Konfiskation aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), weil dem Urteil Feststellungen zur Eigentümerschaft des „sichergestellten Plantagenequipment“ fehlen und dieses auch (insbesondere im Verhältnis zu dem ausgeschieden Faktum I./B./ der Anklageschrift [„Plantage P*“]) nicht ausreichend individualisiert ist (US 3; vgl RIS-Justiz RS0090439).

[10] Mit den Berufungen war wie aus dem Spruch ersichtlich zu verfahren.

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO, wobei sich die Ersatzpflicht nicht auf die mit dem amtswegigen Vorgehen verbundenen Kosten erstreckt ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12).