JudikaturJustiz15Os76/21x

15Os76/21x – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. September 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Lampret als Schriftführer in der Strafsache gegen Mag. ***** O***** wegen des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 24. März 2021, GZ 18 Hv 143/19s 113, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. ***** O***** von der wider ihn erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, er habe

in K***** von April bis Mai 2008 zur Ausführung der strafbaren Handlung von Dr. ***** M***** und Mag. ***** X*****, die in K***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter die ihnen als Vorstandsmitglieder der „K*****“ (kurz: K*****) eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft zu verfügen, wissentlich missbrauchten und d iese dadurch im Betrag von 5,7 Mio Euro am Vermögen schädigten, indem sie für die K***** mit Vertrag vom 28. April 2008 für die im Auftrag des Dr. ***** Ma***** und des Dr. ***** H***** zwischen 23. April und 21. Mai 2007 von Dr. ***** B***** im Vorfeld des Verkaufs von Anteilen der K***** an der H***** (H*****) an die Ba***** erbrachten Leistungen einen Betrag in der Höhe von 6 Mio Euro anerkannten und an Dr. B***** überwiesen, obwohl die Leistungen einen tatsächlichen Wert von maximal 300.000 Euro hatten (Untreueschaden 5,7 Mio Euro),

dadurch beigetragen, dass er als von den Vorständen beigezogener Rechtsanwalt

1./ „den am 28. April 2008 geschlossenen schriftlichen Vertrag ausarbeitete, in dem unter anderem vereinbart wurde, dass die K***** die gegenüber Dr. H***** und Dr. Ma***** bestehende Honorarforderung des Dr. B***** in Höhe von 6 Mio Euro direkt übernimmt und Dr. H***** und Dr. Ma***** mit rechtswirksamer Fertigung dieser Vereinbarung durch die K***** aus der Zahlungsverpflichtung entlassen werden, und

2./ am 6. Mai 2008 eine abschließende rechtliche Stellungnahme verfasste, in der er festhielt, dass die Frage, ob der Anspruch des Dr. Ma***** und des Dr. H***** auf Zahlung des Honorars Dris. B***** in Höhe von 6 Mio Euro dem Grunde und der Höhe nach zu Recht bestehe, vom Vorstand sorgfältig unter Zugrundelegung und Beauftragung von insgesamt fünf Gutachten geprüft worden sei, diese Überprüfung ergeben habe, dass die Übernahme des Honorars im auf 6 Mio Euro reduzierten Betrag gemäß § 1037 ABGB durch die K***** gerechtfertigt sei, es sich daher um einen gesetzlichen Aufwandersatzanspruch handle und dementsprechend in dieser Höhe auch ein entsprechender Aufwandersatzanspruch der handelnden Personen ***** Dr. H***** und ***** Dr. Ma***** bestehe, der Vorstand der K***** mit der Übernahme des diesbezüglichen Honorarbetrags in Erfüllung eines durch Sachverständigengutachten verifizierten gesetzlichen Anspruchs und daher keinesfalls rechtswidrig und unter Verstoß gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters handle, und er unter Zugrundelegung des der Kanzlei BK***** zur Verfügung stehenden Informationsstands und insbesondere auch der der Kanzlei BK***** übermittelten Gutachten daher keine Gefahr sehe, dass sich der Vorstand mit der Übernahme des Honorars Dris. B***** im Wege des Aufwandsersatzes nach § 1037 ABGB, wie dies als Ergebnis der Begutachtung geplant sei, der Gefahr aussetze, sich gegenüber der K***** schadenersatzpflichtig zu machen,

und dadurch Dr. M***** und Mag. X***** in ihrem Tatentschluss bestärkte und unterstützte, der Honorarauszahlung den Anschein der Rechtmäßigkeit zu geben, wobei er den vorsätzlichen Fehlgebrauch der Befugnis durch die genannten Vorstände der K***** für gewiss hielt und weiters mit dem Vorsatz handelte, die K***** mit einem 300.000 Euro übersteigenden Betrag (5,7 Mio Euro) am Vermögen zu schädigen“.

Rechtliche Beurteilung

[2] Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.

[3] Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit des Urteils (Z 5 zweiter Fall) in Ansehung der – den Freispruch fundierenden – (Negativ )Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten (US 5, 7, 9 und 14 f).

[4] Sie moniert eine unterlassene Auseinandersetzung mit diversen, in der Beschwerdeschrift konkret bezeichneten Schriftstücken, mit dem Urteil im Verfahren AZ 14 Hv 42/12y des Landesgerichts Klagenfurt sowie mit einzelnen Passagen der Aussagen von Dr. M*****, Mag. X*****, Dr. B***** und Dr. S***** sowie des Angeklagten selbst. Diese „in abstracto erheblichen“ Beweismittel seien „zur Gänze unerörtert“ geblieben.

[5] Der Beschwerde zuwider fanden aber das Schreiben Dris. B***** vom 15. Mai 2007 (vgl US 4, 5 und 13), die vom Angeklagten verfasste Sachverhaltsdarstellung an Univ. Prof. Dr. N***** vom 21. Februar 2008 (vgl US 5), der „vorläufige“ Entwurf der gutachterlichen Stellungnahme DDris. A***** vom 6. März 2008 (vgl US 6 f und 12), das „Gutachten der Au***** GmbH (= Dris. Sp*****/D*****) vom 12. März 2008“ (vgl US 8), die gutachterliche Stellungnahme von Mag. Si***** vom 14. März 2008 (vgl US 8), das zu AZ 14 Hv 42/12y ergangene Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 1. Oktober 2012 (vgl US 11, 12 und 15), die Bekundungen der Zeugen Dr. M*****, Mag. X***** und Dr. B***** (US 12 ff) sowie das Einlassungsverhalten des Angeklagten seit Beginn des Ermittlungsverfahrens im September 2014 (US 9 ff) durchaus Berücksichtigung in den – gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO gedrängt darzustellenden – Entscheidungsgründen.

[6] Dabei entschieden sich die Tatrichter in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) letztlich dafür, eine Wissentlichkeit des – im Tatzeitraum als junger Rechtsanwalt in komplexen Wirtschaftsverfahren noch unerfahrenen (US 9) – Angeklagten in Ansehung der (nicht den Leistungen einer Investmentbank entsprechenden) Tätigkeit des Dr. B***** und solcherart des (in der Honorarübernahme gelegenen) Befugnismissbrauchs zu verneinen und auch einen (bedingten) Schädigungsvorsatz für nicht erweislich zu halten (US 5, 7, 9 und 14 f), indem sie seine Verantwortung als „durchaus glaubwürdig“ und nicht widerlegbar erachteten (US 9 und 14). Dass aus diesen Verfahrensresultaten nicht andere, von der Beschwerde angestrebte Schlüsse gezogen wurden, begründet keine Unvollständigkeit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0098400).

[7] In der Beschwerde referierte, isoliert herangezogene Bekundungen des – die eigene Wissentlichkeit sowie einen Schädigungsvorsatz in Abrede stellenden – Angeklagten zur Frage, welche Urkunden ihm bei den jeweiligen Schritten seiner anwaltlichen Tätigkeit zur Verfügung standen und welche Schriftstücke den jeweiligen Korrespondenzen angeschlossen waren, mögen ihrer Eignung nach zwar allenfalls Rückschlüsse auf eine – bei entsprechender Sorgfalt denkbare – Erkennbarkeit einer Sachverhaltsverwirklichung (§ 6 StGB) zulassen, eine die Erörterungspflicht (Z 5 zweiter Fall) auslösende Indizwirkung für das hier in Rede stehende Wissen und Wollen (§ 5 StGB) des Genannten entfalten sie aber nicht (RIS-Justiz RS0089023).

[8] Gleiches gilt für die ins Treffen geführten Depositionen von Dr. M*****, Mag. X***** sowie Dr. B***** darüber, welche Urkunden anlässlich welcher anwaltlichen Schritte zur Einsicht auflagen oder sonst zur Verfügung standen bzw welche Schriftstücke einzelnen Schreiben angeschlossen waren.

[9] Die – seine anwaltlichen Tätigkeiten dokumentierende – Leistungsaufstellung des Angeklagten (ON 18 S 115 ff) sowie seine (anlässlich der Gegenausführungen zur Anklageschrift gebotene) Darstellung zeitlicher Abläufe der Mandatsausübung (ON 97 S 33 ff) lassen ebenfalls keine Rückschlüsse auf ein positives Wissen und Wollen des Angeklagten zu (vgl RIS-Justiz RS0089023, RS0088968, RS0088934).

[10] Da Gegenstand von Zeugenaussagen nur sinnliche Wahrnehmungen über tatsächliche Umstände sein können (aus denen dann gegebenenfalls auch Rückschlüsse zur subjektiven Tatseite möglich sind), stellen bloße Wertungen und Schlussfolgerungen eines Zeugen keine relevanten Beweismittel her (RIS Justiz RS0097540). Dementsprechend bedurfte die in der Rüge angesprochene Einschätzung des Zeugen Dr. S***** betreffend die Angemessenheit der Honorarforderung Dris. B***** anlässlich seiner zeugenschaftlichen Vernehmung (ON 23 S 43 f) keiner Erörterung im Urteil.

[11] Insgesamt gelingt es der Anklagebehörde mit ihren eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen nicht, ein (aus Z 5 zweiter Fall) beachtliches Urteilsdefizit aufzuzeigen.

[12] Das aus Z 9 lit a erstattete Vorbringen, mit welchem weitere Feststellungen zum (äußeren) Tatgeschehen eingefordert werden, bedarf sohin keiner Erörterung mehr.

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).