JudikaturJustiz15Os71/97

15Os71/97 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Markus K***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 18.April 1997, GZ 21 Ns 137/97-3, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß sprach das Oberlandesgericht Wien als nach § 6 Abs 1 StEG zuständiger Gerichtshof aus, daß bei Markus K***** die im § 2 Abs 1 lit a StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen für die durch seine strafgerichtliche Anhaltung im oben bezeichneten Verfahren vom 5.August 1993, 21 Uhr, bis zum 18.Juli 1994, 16,50 Uhr, entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile nicht vorliegen, weil (mittlerweile) die von ihm zwischen Verhaftung (5.August 1993, 21 Uhr - S 69/I) und (der vom Oberlandesgericht Wien angeordneten) Enthaftung (18.Juli 1994, 16,50 Uhr - ON 69) in verwaltungsbehördlicher und gerichtlicher Haft zugebrachte Zeit auf die mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 23.Dezember 1993, GZ 1 c E Vr 10.948/93-34a, im Strafausspruch abgeändert mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 15.Dezember (im angefochtenen Beschluß versehentlich "2.")1994, GZ 15 Os 112/94-17 (= ON 66 des Vr-Aktes), verhängte Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten, von der ein Strafteil von zwölf Monaten gemäß § 43 a Abs 3 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurde, zur Gänze angerechnet worden und demnach ein Ersatzanspruch gemäß § 3 lit b StEG ausgeschlossen sei; daher bedürfe es auch keiner Prüfung der (vom Antragsteller aufgeworfenen) Frage, ob die über den unbedingten Strafteil hinausgehende Untersuchungshaft vom 5.Februar bis 18.Juli 1994 gesetzwidrig war oder nicht.

Dagegen richtet sich die vom Verurteilten K***** erhobene Beschwerde mit dem Antrag, "den bekämpften Beschluß aufzuheben und antragsgemäß festzustellen, daß hinsichtlich der über die Dauer von sechs Monaten hinaus fortgesetzten Untersuchungshaft des Antragsteller vom 05.02.1994 bis 18.07.1994, für den Fall des Eintritts der endgültigen Nachsicht vorläufig bedingt nachgesehenen Teils der Freiheitsstrafe, die in § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind und die in § 3 lit a und b StEG bezeichneten Ausschlußgründe nicht vorliegen" (ON 4 im Akt 21 Ns 137/97).

Die Beschwerde ist zwar zulässig (§ 6 Abs 5 StEG), jedoch nicht begründet.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 6 Abs 1 StEG hat der Gerichtshof, der dem Gericht, das die Anhaltung angeordnet oder verfügt hat, übergeordnet ist, auf Antrag des Angehaltenen oder des Staatsanwaltes durch Beschluß festzustellen, ob die in § 2 Abs 1 lit a und Abs 3 StEG bezeichneten Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind oder ob einer der in § 3 lit a und b leg cit bezeichneten Ausschlußgründe vorliegt.

In dem hier aktuellen Fall hat der Gerichtshof zweiter Instanz die Frage nach der Gesetzwidrigkeit der Haft ab 5.Februar 1994 offengelassen, deren Verneinung einen Ersatzanspruch schon von vorneherein ausschließen würde; er hat aber jedenfalls den Ausschluß eines Ersatzanspruchs nach § 3 lit b StEG zutreffend bejaht, weil die Haftzeiten vom Erstgericht (letztendlich) zur Gänze auf die verhängte Strafe angerechnet wurden (S 365 c/I iVm ON 80). Die zusätzliche Prüfung des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 lit a StEG war demnach entbehrlich.

Die vom Beschwerdeführer gegen die (seiner Ansicht nach) nicht "grundrechtskonforme" Rechtsansicht des Oberlandesgerichtes ins Treffen geführten Argumente gehen fehl.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in einem ähnlich gelagerten Fall in der Entscheidung vom 25.August 1993, GZ 13 Os 118/93-7 (= EvBl 1993/203 - im bekämpften Beschluß irrtümlich mit EvBl 1994/203 bezeichnet), ausgesprochen hat - von der abzugehen der konkrete Fall keinen Anlaß bietet -, erstreckt sich die Wirksamkeit des in Rede stehenden Ausschlußgrundes nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes, das keine Einschränkung des Anwendungsbereiches - wie sie etwa der Rechtsmittel- werber anstrebt - vorsieht, nicht nur auf eine unmittelbar zu vollziehende (unbedingt verhängte) Strafe, sondern gleichermaßen auch auf eine ganz (§ 43 Abs 1 StGB) oder nur zum Teil bedingt nachgesehene Freiheits- oder/und Geldstrafe (§ 43 a StGB).

Soweit die Beschwerde überdies noch einwendet, die vom Gerichtshof zweiter Instanz vertretene - zu ihrem Rechtsstandpunkt gegenteilige - Rechtsansicht verletze den Beschwerdeführer "in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf angemessene Entschädigung für rechtswidrige Haft (Art 5 Abs 5 EMRK) und auf ein faires Strafverfahren (Art 6 EMRK)", liege doch in der "Anrechnung" einer (rechtswidrig) erlittenen Haft auf eine bedingte Strafe oder auf einen bedingt nachgesehenen Strafteil lediglich eine Scheinentschädigung vor, die einen Ausgleich durch Ersparnis des Vollzuges einer Freiheitsstrafe fingiere, die ohnehin nicht vollzogen worden wäre, ist sie einerseits auf die vorstehenden Ausführungen, andererseits darauf zu verweisen, daß das strafrechtliche Entschädigungsgesetz ein Ausführungsgesetz der verfassungsrechtlichen Vorschriften der Art 8 Abs 3 StGG und Art 5 Abs 5 EMRK ist. Soweit daher nach § 1 StEG ersetzungsfähiger Schaden begehrt wird, kann er nur nach den Bestimmungen dieses Gesetzes, nicht aber unmittelbar nach Art 8 Abs 3 StEG und Art 5 Abs 5 EMRK geltend gemacht werden (vgl EvBl 1987/118 = SZ 60/1; SZ 60/117; Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht3 zweiter Halbband § 6 StEG E 29 ff; erster Halbband Art 5 EMRK E 7). Schließlich ist nicht nachvollziehbar, inwiefern der Beschwerdeführer im Recht auf ein fair trial nach Art 6 EMRK verletzt worden sein soll.

Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.