JudikaturJustiz15Os49/17w

15Os49/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Juli 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Mag. Heinz P***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH Co KG, wegen §§ 9 ff MedienG, AZ 111 Hv 41/16m des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag der K***** GmbH Co KG auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Der gegenständlichen Medienrechtssache liegt ein Antrag des Mag. Heinz P***** zugrunde, die K***** GmbH Co KG einerseits gemäß §§ 14 ff MedienG zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu verpflichten, die sich auf zwei im periodischen Druckwerk „K*****“ erfolgte Publikationen vom 12. Februar 2016 mit dem Titel „Lieber Heinz P*****“ und vom 24. Februar 2016 mit der Überschrift „Unsäglicher Herr P*****“ bezieht, sowie andererseits ihr gemäß § 18 MedienG die Zahlung einer Geldbuße an den Antragsteller aufzuerlegen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Mai 2016, GZ 111 Hv 41/16m 7, wurde die Antragsgegnerin als Medieninhaberin des genannten Druckwerks zur Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung in Frist und Form des § 13 MedienG unter der Sanktion des § 20 MedienG sowie nach § 18 Abs 1 und 3 MedienG zur Zahlung einer Geldbuße von 500 Euro verpflichtet. Dem Einwand der Antragsgegnerin, es sei am 11. April 2016 eine gleichwertige redaktionelle Richtigstellung nach § 12 Abs 2 MedienG veröffentlicht worden, hielt das Erstgericht entgegen, dass das Veröffentlichungsbegehren am 4. April 2016 bei der Antragsgegnerin eingelangt sei, weshalb die Veröffentlichung einer redaktionellen Richtigstellung am 11. April 2016 gemäß § 12 Abs 2 iVm § 13 Abs 1 Z 1 MedienG verspätet gewesen sei und die Antragstellerin ihren Anspruch auf Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung daher nicht verloren habe.

Der dagegen ergriffenen Berufung der Antragsgegnerin gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 29. März 2017, AZ 17 Bs 215/16s (ON 26), nicht Folge. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass § 12 Abs 2 MedienG dem Medieninhaber vorprozessual die Möglichkeit einräume, dem Veröffentlichungsanspruch des Gegendarstellungswerbers durch Publikation einer fristgebundenen gleichwertigen redaktionellen Richtigstellung, Ergänzung oder Mitteilung zu entsprechen. Verabsäume der Medieninhaber eine fristgerechte Veröffentlichung, so erlösche der Anspruch auf Gegendarstellung nach den klar formulierten gesetzlichen Vorgaben auch dann nicht, wenn der Medieninhaber die redaktionelle Richtigstellung verspätet vornimmt. § 18 Abs 1 MedienG sei nicht auf den Fall der verspäteten Veröffentlichung einer redaktionellen Richtigstellung, Ergänzung oder Mitteilung nach § 12 Abs 2 MedienG auszudehnen.

Den aus Anlass der Berufung von der K***** GmbH Co KG gemäß Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestellten Parteiantrag auf Normenkontrolle in Ansehung des § 12 Abs 2 und des § 18 Abs 1 MedienG wies der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 24. November 2016, AZ G 208/2016, zurück.

Am 20. April 2017 stellte die K***** GmbH Co KG in der gegenständlichen Medienrechtssache einen Antrag auf Erneuerung des Verfahrens nach § 363a StPO per analogiam (iVm § 14 Abs 3 MedienG), der durch die Verpflichtung zur Publikation der Gegendarstellung trotz – wenn auch verspätet erfolgter – Veröffentlichung einer redaktionellen Richtigstellung Art 10 MRK verletzt erachtet. § 12 Abs 2 MedienG sei dahin zu interpretieren, dass die Wortfolge „spätestens zu dem im § 13 bezeichneten Zeitpunkt“ lediglich für die redaktionelle Richtigstellung das wiederhole, „was in § 13 Abs 1 MedienG für die Gegendarstellung normiert“ sei. „Da aber auch eine verspätete Veröffentlichung der Gegendarstellung den Veröffentlichungsanspruch des Betroffenen zum Erlöschen“ bringe, müsse „dies auch für die redaktionelle Richtigstellung gelten“. Weiters müsse aus der Wortfolge „die Gegendarstellung“ in § 18 Abs 1 MedienG nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Geldbußen nicht (auch) bei verspäteter Veröffentlichung der redaktionellen Mitteilung zustünden, „weil die redaktionelle Richtigstellung kraft Gesetzes (§ 12 Abs 2 MedienG) ein Surrogat für die Gegendarstellung“ sei und es daher „durchaus sachgerecht“ sei, diese „auf Grund der Vorschrift des § 12 Abs 2 MedienG ohnehin immer mitzuberücksichtigen“.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Erneuerungsantrag gegen das (ohnehin mit Berufung bekämpfte) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Mai 2016, GZ 111 Hv 41/16m 7, richtet, wird übersehen, dass für diesen subsidiären Rechtsbehelf (unter anderem) die Zulässigkeitsvoraussetzung der Rechtswegerschöpfung nach Art 35 Abs 1 MRK sinngemäß gilt, weshalb er sich nur gegen letztinstanzliche Entscheidungen richten kann (RIS Justiz RS0122737 [T40], RS0124739 [T2]).

Der gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 29. März 2017, AZ 17 Bs 215/16s gerichtete Antrag ist offenbar unbegründet.

Nach § 9 Abs 1 MedienG hat jede durch eine Tatsachenmitteilung, die in einem periodischen Medium verbreitet worden ist, nicht bloß allgemein betroffene natürliche oder juristische Person (Behörde) Anspruch auf unentgeltliche Veröffentlichung einer Gegendarstellung in diesem Medium, es sei denn, dass die Gegendarstellung unwahr oder ihre Veröffentlichung aus anderen Gründen ausgeschlossen ist.

Das Veröffentlichungsbegehren ist schriftlich an den Medieninhaber oder an die Redaktion des Medienunternehmens zu richten (§ 12 Abs 1 MedienG). Ihm kann auch dadurch entsprochen werden, dass in dem Medium spätestens zu dem in § 13 MedienG bezeichneten Zeitpunkt eine gleichwertige redaktionelle Richtigstellung, Ergänzung oder Mitteilung veröffentlicht wird (Abs 2 leg cit).

Wird die Gegendarstellung nicht oder nicht gehörig veröffentlicht, so kann der Betroffene binnen sechs Wochen bei Gericht einen Antrag gegen den Medieninhaber als Antragsgegner auf Anordnung der Veröffentlichung der Gegendarstellung stellen (§ 14 Abs 1 erster Satz MedienG). Das Gericht hat gemäß § 17 Abs 1 MedienG auf Veröffentlichung der Gegendarstellung zu erkennen, wenn sie zu Unrecht nicht oder nicht gehörig veröffentlicht worden ist. In diesen Fällen sowie dann, wenn die Gegendarstellung verspätet veröffentlicht worden ist, ist auf Verlangen des Antragstellers dem Antragsgegner gemäß § 18 Abs 1 MedienG die Zahlung einer Geldbuße an den Antragsteller aufzuerlegen, es sei denn, dass weder den Medieninhaber noch den mit der Veröffentlichung Beauftragten ein Verschulden trifft.

Grundgedanke der Gegendarstellung ist es, demjenigen, der zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen in den Medien geworden und von einer unrichtigen oder irreführend unvollständigen Tatsachenmitteilung betroffen ist, den aus seinen Persönlichkeitsrechten erfließenden Anspruch zuzugestehen, alsbald (vgl § 13 Abs 1 MedienG) an gleicher Stelle und mit möglichst derselben Publizität vor dem gleichen Forum der Öffentlichkeit mit einer eigenen berichtigenden oder ergänzenden Darstellung (vgl § 13 Abs 2 bis 7 MedienG) zu Wort zu kommen („audiatur et altera pars“; RIS Justiz RS0074796; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll , MedienG 3 Vor §§ 9–21 Rz 4 f). Die aktive Informationsfreiheit der Medien (vgl dazu Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 23 Rz 6) wird dadurch in keiner Weise eingeschränkt oder zensuriert und der Anspruch auf Veröffentlichung stellt auch keine staatliche Sanktion dar (vgl 15 Os 101/11h).

Zwar dient auch eine redaktionelle Richtigstellung oder Ergänzung nach § 12 Abs 2 MedienG dem Zweck, das Medienpublikum über die Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit einer Tatsachenmitteilung aufzuklären, dabei setzt aber nicht der Betroffene dem ihm abträglichen Medienbericht seine eigene Darstellung entgegen, sondern es handelt sich um eine eigene Äußerung des Mediums, die dem Gegendarstellungsbegehren gleichwertig sein muss (vgl Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll , MedienG 3 § 12 Rz 16). Ist die redaktionelle Richtigstellung oder Ergänzung der begehrten Gegendarstellung gleichwertig und wurde sie fristgerecht (also spätestens zu dem in § 13 Abs 1 MedienG normierten Zeitpunkt) veröffentlicht, so wurde „dem Veröffentlichungsbegehren entsprochen“ (vgl § 12 Abs 2 MedienG) und erlischt der Anspruch auf Gegendarstellung, während jener auf Geldbuße nach § 18 MedienG (arg „die Gegendarstellung zu Unrecht nicht, oder nicht gehörig oder verspätet“) gar nicht entsteht (vgl Rami in WK 2 MedienG § 12 Rz 11 ff und § 14 Rz 3).

Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes – und in Übereinstimmung mit dem Recht auf aktive Informationsfreiheit der Medien – kann die Veröffentlichung einer redaktionellen Richtigstellung oder Ergänzung – als eigene Äußerung des Mediums – weder in Bezug auf einen bestimmten Inhalt noch auf einen bestimmten Zeitpunkt erzwungen werden, weshalb sich die dem Betroffenen zustehenden Ansprüche nach dem MedienG ausschließlich auf die Gegendarstellung beziehen (vgl § 9 Abs 1, §§ 13 f und §§ 17 f MedienG). In diesem Sinn ist die Geldbuße nach § 18 MedienG einerseits immaterieller Schadenersatz für die Kränkung, die der Antragsteller durch die verzögerte Veröffentlichung einer Gegendarstellung erfahren hat, als auch Beugemittel zur raschen Realisierung (nur) des Begehrens auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung ( Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll , MedienG 3 § 18 Rz 2; Frohner/Haller , MedienG 6 § 18 Rz 1).

Wie die Gerichte im vorliegenden Fall daher zutreffend erkannt haben, führte die verspätete, also entgegen § 12 Abs 2 MedienG nicht innerhalb der Frist des § 13 Abs 1 MedienG vorgenommene redaktionelle Richtigstellung nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht zum Erlöschen des Anspruchs auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung und resultierte aus dem Unterbleiben einer fristgerechten Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung ein Anspruch nach § 18 MedienG.

Für die vom Erneuerungswerber gewünschte, mit dem Wortlaut des Gesetzes und seinem (zuvor dargelegten) Zweck nicht in Einklang zu bringende Interpretation, § 18 MedienG sei auch auf verspätet veröffentlichte redaktionelle Richtigstellungen und Ergänzungen anwendbar, bleibt mangels Vorliegens eines (behaupteten) Redaktionsversehens oder einer planwidrigen Lücke kein Raum, differenziert doch das MedienG gezielt zwischen der Gegendarstellung und der redaktionellen Richtigstellung oder Ergänzung (vgl etwa die ausdrückliche Nennung der redaktionellen Richtigstellung beim Kostenersatz nach § 19 Abs 1 Z 3 MedienG; zur Auslegung des § 18 MedienG vgl auch 15 Os 168/10k [15 Os 169/10g]; VfGH 24. 11. 2016, G 208/2016 IV./4.).

Unter Verweis auf JAB 851 BlgNR 18. GP 6 behauptet der Erneuerungsantrag, der Gesetzgeber habe die Verpflichtung zu einer doppelten Veröffentlichung nach verschiedenen Anspruchsgrundlagen vermeiden wollen, und es sei auch nach Art 10 MRK nicht sachgerecht, einen Medieninhaber, der den vom Antragsteller begehrten Inhalt – wenn auch verspätet – bereits in gleichwertiger Weise veröffentlicht habe, zur nochmaligen Veröffentlichung zu verpflichten.

Zwar sind Doppelveröffentlichungen oder Doppelentschädigungen grundsätzlich zu vermeiden, dabei darf jedoch der Charakter der jeweiligen Veröffentlichung oder Entschädigung nicht außer Betracht bleiben. So nimmt der zitierte Justizausschussbericht auf die Geltendmachung von Ansprüchen außerhalb des MedienG Bezug (arg „nach anderen Rechtsvorschriften [etwa nach § 1330 ABGB, nach § 78 Urheberrechtsgesetz oder nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb]“) und legt dar, dass im Medienverfahren zuerkannte Entschädigungsbeträge auf gleichgerichtete Ansprüche anzurechnen seien und bei Urteils und Widerrufsveröffentlichungen nach anderen Rechtsvorschriften zu prüfen sei, ob ein über die Urteilsveröffentlichung im Medienverfahren hinausreichendes Rechtsschutzinteresse besteht. Das Verhältnis zwischen der (gerichtlich durchsetzbaren) Gegendarstellung, der zu entnehmen ist, dass sich der von einer Tatsachenbehauptung Betroffene zur Wehr setzt, und dem (im Ermessen des Mediums stehenden) Surrogat der redaktionellen Richtigstellung oder Ergänzung (als eigene Äußerung des Mediums) wird hingegen gar nicht angesprochen (vgl im Übrigen zur Konkurrenz des Anspruchs auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung mit anderen Rechtsgrundlagen Rami in WK 2 MedienG § 9 Rz 5).

Unter dem Aspekt des Art 10 MRK konfligiert das Recht auf Gegendarstellung („right of reply“) zwar mit jenem auf freie Äußerung der Medien, das Gegendarstellungsrecht nach dem MedienG zwingt jedoch nicht zu inhaltlichen Änderungen von Beiträgen, lässt Kommentierungen zu Gegendarstellungen zu (vgl zur Glossierung § 13 Abs 7 zweiter Satz MedienG; Höhne in Berka/Heindl/Höhne/Noll , MedienG 3 § 13 Rz 26 f; Rami in WK 2 MedienG § 13 Rz 31 ff) und räumt im Rahmen des § 12 Abs 2 MedienG (s auch § 11 Abs 1 Z 8 MedienG) den Medien sogar die Möglichkeit ein, Veröffentlichungsbegehren durch eigene Äußerungen zu unterlaufen. Da im letzten Fall dem von einer unrichtigen oder irreführend unvollständigen Tatsachenmitteilung Betroffenen aber seinerseits das Recht auf eine eigene Äußerung genommen wird, solcherart auch die durch das Recht auf Entgegnung sichergestellte Meinungsvielfalt (vgl EGMR 12. 7. 1989, 13010/87, Tiempo/Spanien ; EGMR 5. 7. 2005, 28743/03, Melnychuk/Ukraine ) eingeschränkt wird, ist die vom Erneuerungswerber angestrebte interpretative Lösung, den Medieninhaber (unter Auferlegung einer Geldbuße für eine ihm bloß eingeräumte Möglichkeit alternativen Vorgehens) selbst dann von der Pflicht zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung zu entbinden, wenn er die in § 12 Abs 2 MedienG normierte Möglichkeit nicht gesetzeskonform wahrnimmt und damit das Interesse des von der Berichterstattung Betroffenen auf rasche Information der Öffentlichkeit verletzt, weder vom Gesetzgeber intendiert, noch nach Maßgabe des Art 10 MRK sachgerecht.

Der Eingriff in das Recht der Antragsgegnerin auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK war daher im konkreten Fall im Interesse des Schutzes des guten Rufs des Antragstellers (vgl Art 10 Abs 2 MRK) gesetzlich vorgesehen, erforderlich und mit Blick auf die auferlegte Geldbuße, die lediglich 10 Prozent des gesetzlich zulässigen Höchstbetrags umfasste (vgl § 18 Abs 3 zweiter Satz zweiter Fall MedienG), nicht unverhältnismäßig.

Der offenbar unbegründete Erneuerungsantrag war daher schon in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG zurückzuweisen.