JudikaturJustiz15Os39/16y

15Os39/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Isep als Schriftführer in der Strafsache gegen Mike N***** wegen Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 18. Jänner 2016, GZ 17 Hv 37/15b 66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch IV., demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB aufgehoben und die Sache in diesem Umfang mit dem Auftrag, in Betreff des dem kassierten Schuldspruch zugrundeliegenden Verhaltens des Angeklagten nach § 37 SMG vorzugehen, zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde Mike N***** der Verbrechen der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (I.), der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (II.) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (IV.) schuldig erkannt, zu einer (Zusatz )Freiheitsstrafe verurteilt und gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er

I.) in der Nacht von 6. auf 7. Juni 2015 an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursacht, indem er

1) in W***** in der Scheune des Hubert F***** mitgeführtes Benzin ausschüttete und dieses mit seinem Feuerzeug anzündete, worauf die gesamte Scheune samt den darin gelagerten landwirtschaftlichen Geräten des Michael S***** und der Denise R***** sowie der Stroh und Heuballen des Michael S***** Feuer fing und vollständig abbrannte;

2) in S***** in der Scheune des Randolf B***** die Kunststoffabdeckung eines Fensters mit seinem Feuerzeug anzündete, worauf die gesamte Scheune samt den darin befindlichen landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten Feuer fing und vollständig abbrannte;

II.) am 15. April 2015 die Polizeibeamten Robert M***** und Michael W*****

mit Gewalt und gefährlicher Drohung an einer Amtshandlung zu hindern versucht, und zwar

1) in R*****, indem er ein Stanley Messer mit geöffneter Klinge gegen die Polizeibeamten hielt, als diese ihn wegen fortgesetzter Ruhestörung festnehmen wollten;

2) in F*****, indem er sich seiner (neuerlichen) Verbringung in die Arrestzelle der Polizeiinspektion durch heftige (auch gegen die Beamten gerichtete Gewaltanwendung beinhaltende; vgl US 8) Gegenwehr zu entziehen versuchte;

III.) von Juni 2014 bis 7. Juni 2015 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich „eine unerhobene Menge Cannabis, Kokain, Subotex, Speed und Ecstasy erworben und besessen, wobei er die Straftaten ausschließlich zum persönlichen Gebrauch begangen hat“.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Zu I. vermisst die eine rechtliche Unterstellung der Taten unter § 125 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) Feststellungen zur Gemeingefährlichkeit des Schadensfeuers, übergeht dabei aber die Konstatierungen, wonach „die entfachten Feuer an beiden Scheunen […] geeignet [waren], Leib und Leben der Feuerwehrmänner zu gefährden“ (US 7; vgl auch US 5: „..., wodurch eine nicht unerhebliche Gefahr für die Feuerwehrkräfte bestanden hat“). Weshalb dies nicht genügen sollte, eine potenzielle Gefahr für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl von Personen darzustellen (vgl 12 Os 149/09t; Murschetz in WK 2 StGB § 169 Rz 6), leitet die Beschwerde ebenso wenig aus dem Gesetz ab wie den Ansatz, dass es bei der Beurteilung der Gemeingefährlichkeit auf den Zeitpunkt des „Anzündens“ ankommen sollte.

Soweit sie „eine konkrete Gefährdung einer größeren Zahl von Personen“ zur Erfüllung des Tatbestands für erforderlich hält, legt sie nicht dar, warum es entgegen der Lehre und Rechtsprechung (siehe oben) im Fall des Abs 1 (anders als im Fall des Abs 2) des § 169 StGB auf eine konkrete und nicht bloß auf eine abstrakte Gefahr ankommen soll.

Die Sanktionsrüge (Z 11), die sich gegen die vorbeugende Maßnahme der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB wendet, vermisst Feststellungen zur Kausalität der geistigen oder seelischen Abartigkeit des Angeklagten für die Verübung einer Prognosetat (arg: „unter dem Einfluss“), übergeht dabei aber die dazu getroffene Konstatierung, wonach zu befürchten sei, dass der Angeklagte in Anbetracht seiner Persönlichkeitsstörung, insbesondere aufgrund Impulskontrollstörungen, auch in Hinkunft Taten mit schweren Folgen verüben werde (US 9).

Diese wurden entgegen der weiteren Kritik der Rüge als mit den Anlasstaten vergleichbare „Brandstiftungsdelikte“ auch hinreichend konkret bezeichnet (US 9 unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten ON 50 S 40, 48 ff; ON 65 S 16 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof allerdings von einer dem Schuldspruch IV. anhaftenden, nicht gerügten, dem Angeklagten aber zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10a StPO).

Nach den zu IV. getroffenen Feststellungen hat der Angeklagte Cannabis und Kokain (sowie weitere allenfalls [RIS Justiz RS0114428] Suchtgift enthaltende Substanzen) ausschließlich für den eigenen persönlichen Gebrauch erworben und besessen (US 8 letzter Absatz), womit naheliegt, dass insoweit die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Vorgehen des Gerichts nach § 37 SMG gegeben waren, die unabhängig von den anderen, mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehenden strafbaren Handlungen sind (RIS Justiz RS0113621).

Da das Erstgericht, nachdem es dennoch nicht nach § 37 SMG vorgegangen war, im Urteil keine ein solches diversionelles Vorgehen (etwa mangels Bereitschaft zu einer gesundheitsbezogenen Maßnahme, vgl § 35 Abs 6 SMG) ausschließende Konstatierung traf, haftet dem Urteil ein Feststellungsdefizit an, das zur Aufhebung des Schuldspruchs IV., demgemäß auch des Strafausspruchs und der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB zwingt . Hinsichtlich des dem aufgehobenen Schuldspruch IV./ zugrunde liegenden Verhaltens des Angeklagten wird das Erstgericht nach § 37 SMG vorzugehen haben.

Bleibt zum Ausspruch der Konfiskation (§ 19a Abs 1 StGB) der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Annahme der Tatrichter, derzufolge der Angeklagte im Urteilszeitpunkt Eigentümer des zu II./1./ verwendeten Stanley Messers war, für den Obersten Gerichtshof gerade noch deutlich genug zu erkennen war ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 19).

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Die Entscheidung über die gegen das Adhäsionserkenntnis gerichtete Berufung des Angeklagten (ON 68 S 2) kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.