JudikaturJustiz15Os35/21t

15Os35/21t – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. April 2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen J***** F***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. September 2020, GZ 20 Hv 67/20k 31, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde J***** F***** eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1./; US 2 iVm US 20), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2./), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (3./) und mehrerer Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in A***** und W***** von Anfang März 2019 bis Ende März 2020

1./ mit seiner am ***** 2009 geborenen Großnichte und Stiefenkelin L***** G***** den Beischlaf sowie dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er zumindest einmal seinen Penis in ihre Scheide einführte und sie in mehrfachen Angriffen digital oder mit der Zunge vaginal penetrierte, wobei „die Tat“ eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung in Form einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Angstsymptomatik mit Hyperarousal, Vermeidungsverhalten sowie „Affektinkonsistenz“ von neun Wochen, zur Folge hatte,

2./ außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung von der Genannten an sich vornehmen lassen, indem sie sich auf seinen entblößten Penis setzen musste, wobei er sie anwies, ihr Becken derart zu bewegen, dass sich ihr Genitalbereich an seinem Penis rieb, sie in mehreren Fällen über seine Anweisung den Handverkehr an ihm vornahm, wobei sie seinen Penis küssen musste, sie mit einem Waschlappen seinen Penis wusch und ihn im Genitalbereich rasierte,

3./ durch die zu 1./ und 2./ beschriebenen Taten mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung als Aufsichtsperson gegenüber dieser Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen,

4./ eine Handlung, die geeignet war , die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er vor der Genannten den Handverkehr an sich selbst durchführte, wobei sie ihm dabei über seine Anweisung aus nächster Nähe zusehen musste, sowie ihr pornographische Filme mit Geschlechtsverkehr zwischen Erwachsenen zeigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung „die Beiziehung eines weiteren kinderpsychologischen Sachverständigen“ zur „Bewertung der Aussagequalität“ der Angaben der Zeugin L***** G***** sowie die Beiziehung eines Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie sowie eines Sachverständigen für Kinderpsychologie zum Beweis dafür, dass das Opfer – entgegen dem Gutachten der beigezogenen kinderpsychologischen Sachverständigen Mag. R***** – keineswegs eine behandlungsbedürftige psychische Gesundheitsschädigung mit einer Dauer von mehr als 24 Tagen erlitten habe (ON 30 S 52).

[5] Der Verfahrensrüge zuwider wurden durch die Abweisung dieses Beweisantrags Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Der Angeklagte legte nämlich einerseits nicht dar, dass das Tatopfer sowie dessen gesetzliche Vertreter die erforderliche Zustimmung zu einer weiteren Exploration erteilt hätten oder eine solche erteilen würden (RIS Justiz RS0097584, RS0108614 [T3]). Andererseits sind auf behauptete mangelnde Sachkunde des Sachverständigen gegründete Einwendungen (§ 126 Abs 4 zweiter Satz StPO) nach Vorliegen eines (schriftlichen) Gutachtens nicht mehr zulässig. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen kann daher nur mehr im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens nach § 127 Abs 3 StPO erwirkt werden. Der vorliegende Antrag zeigte jedoch derartige Mängel nicht auf, sondern begehrte bloß eine Überprüfung der Beurteilung der beigezogenen Expertin (in der nicht indizierten Erwartung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses) und zielte damit auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (RIS Justiz RS0117263 [T17]).

[6] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[7] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.