JudikaturJustiz15Os192/15x

15Os192/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Februar 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Mag. Herwig B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 30. Juni 2015, GZ 24 Hv 5/14v 305, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Krems an der Donau verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Mag. Herwig B***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er in Graz und andernorts unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung,

I./ von Juni 2012 bis November 2014 in insgesamt 143 Angriffen im Urteil genannte Personen gefährlich mit dem Tod oder einer erheblichen Verstümmelung bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er Drohbriefe mit im Urteil angeführten Inhalten übersendete „bzw teilweise die Drohungen verbal aussprach“;

II./ zwischen 9. Jänner 2012 und 28. September 2014 in neun Angriffen versucht hat, im Urteil genannte Beamte durch gefährliche Drohung mit einer erheblichen Verstümmelung oder mit dem Tod an jeweils bezeichneten Amtshandlungen zu hindern;

III./ am 15. Mai 2014 Mag. Philipp C***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zur Unterfertigung eines von ihm verfassten Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens zu nötigen versucht hat, indem er ihm schrieb: „Dann KRACHTS Philipp!! Unterschreibe und du lebst länger! Deine Familie ebenso!“;

sohin Taten begangen hat, die als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (I./), die Verbrechen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall und Abs 2 StGB (II./) und als das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III./) jeweils mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt Berechtigung zu.

Zutreffend zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu I./ bis III./ zur Gänze unbegründet geblieben sind.

Dieser (sämtliche Anlasstaten betreffende) Begründungsmangel erfordert - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - die Aufhebung des gesamten Urteils bereits bei der nichtöffentlichen Beratung und die Verweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 285e StPO). Das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde kann daher auf sich beruhen.

Mit seiner Berufung war der Betroffene auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung (Anlasstat) voraussetzt, die (nur) vorliegt, wenn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand erfüllt sind (RIS Justiz RS0119623, RS0090295; Ratz in WK² StGB § 21 Rz 14).

Letzterer fordert bei der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (neben der Absicht, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen) den Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB), beim Bedrohten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Anschlags auf das Leben zu erwecken (RIS Justiz RS0129802 = 15 Os 141/14w mwN; RS0092878, RS0092559, RS0092973). Dementsprechend erfordert der zweite Fall des § 107 Abs 2 StGB einen auf die Erweckung des Eindrucks einer ernst gemeinten Ankündigung des bevorstehenden Verlusts eines wesentlichen Körperteils gerichteten Vorsatz.

Ebenso wird zu beachten sein, dass das Hindern an einer Amtshandlung - somit das Veranlassen der Unterlassung einer solchen - (nur) § 269 Abs 1 StGB zu subsumieren ist, während Abs 2 leg cit das Nötigen zu einer Amtshandlung - somit das Veranlassen der Verrichtung einer solchen - erfasst ( Danek in WK 2 StGB § 269 Rz 52).