JudikaturJustiz15Os160/11k

15Os160/11k – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Mai 2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Mai 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richterin Mag. Weiß als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Harald S***** wegen des Verbrechens nach § 3g VG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Geschworenengericht vom 7. Oktober 2011, AZ 703 Hv 1/11i, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Dr. Harald S***** mehrerer Verbrechen nach § 3g VG (I./) sowie des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 und Abs 2 (richtig: nur Abs 2) StGB (idF BGBl 1996/762; II./) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

I./ zwischen 3. Mai und 28. September 2010 sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er im Internet unter Verwendung des Benutzernamens „A*****“ die im Urteilstenor (zu I./1./ bis 10./) detailliert wiedergegebenen Beiträge („postings“), in denen er typisch nationalsozialistische Forderungen und Behauptungen aufstellte, an das „A*****-D*****-Forum“ richtete;

II./ am 13. August 2010 durch eine im Urteilstenor (zu II./) zitierte Textstelle in einem Beitrag im Internet, den er an das „A*****-D*****-Forum“ richtete, sohin öffentlich, die Angehörigen der islamischen Religionsgemeinschaft in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft oder verächtlich zu machen gesucht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs 1 Z 6 und Z 11 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde schlägt fehl.

Indem die Fragenrüge (Z 6) die Stellung einer Zusatzfrage (§ 313 StPO) „in Richtung Rechtsirrtum“ vermisst und dies mit der in der Rechtsmittelschrift unvollständig wiedergegebenen Verantwortung des Beschwerdeführers begründet, lässt sie das (über Befragen des Vorsitzenden erfolgte) Eingeständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung außer Acht, wonach er wusste, dass das, was er in L***** in den Computer eintippt, in Österreich, wo er es geschrieben hat, verboten ist (ON 15 S 15). Ist aber dem Täter die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bekannt, so liegt (gegebenenfalls) bloß ein Strafbarkeitsirrtum vor, der im Licht des § 9 StGB unbeachtlich ist (vgl RIS-Justiz RS0102148, RS0089684, RS0087951; ebenso Höpfel in WK 2 § 9 Rz 6).

Mit der Kritik, es wären „keine Feststellungen dazu“ getroffen worden, „wo im gegenständlichen Fall der Handlungsort der Tat gelegen war“, orientiert sich die Rechtsrüge (Z 11 lit a) in Verfehlung ihres gesetzlichen Bezugspunktes nicht am Wahrspruch der Geschworenen, nach dessen Inhalt der Beschwerdeführer die Tathandlungen „in L*****“ gesetzt hat (Beilage ./D zu ON 15, Hauptfragen 1./ bis 11./, und US 13), womit nach § 67 Abs 2 erster Fall StGB jedenfalls ein inländischer Tatort (im Sinn des § 62 StGB) vorliegt.

Weshalb die inländische Gerichtsbarkeit als objektive Bedingung der Strafbarkeit (vgl dazu Höpfel/U. Kathrein in WK 2 § 62 Rz 10 mwN) vom Tätervorsatz umfasst sein müsse und einer entsprechenden Beantwortung durch die Geschworenen bedürfe, legt die Rüge nicht dar.

Die Behauptung, der Wahrspruch enthalte „keine Feststellungen dazu, ob der Angeklagte die Tat öffentlich begangen hat“, lässt die entsprechenden, den Schuldspruch wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 2 StGB (II./) betreffenden Annahmen im Verdikt (nochmals Beilage ./D zu ON 15, Hauptfrage 11./, sowie US 17) außer Acht. Soweit sich dieser Einwand auch auf die Urteilsfakten I./ bezieht, wird nicht dargetan, weshalb Strafbarkeit nach § 3g VG eine derartige Publizitätswirkung voraussetzen sollte (vgl dazu RIS-Justiz RS0079825 [T4 und T5]).

Indem die Rechtsrüge unter Hinweis auf bloß hypothetische Erwägungen des Angeklagten (ON 15 S 13) die im Wahrspruch bejahte Öffentlichkeit (zum Schuldspruch II./) in Frage stellt, bekämpft sie nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die den Laienrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung, bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
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