JudikaturJustiz15Os148/11w

15Os148/11w – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. Dezember 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger und Dr. Michel Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer in der Medienrechtssache der Antragstellerin t*****at Reise GmbH gegen die Antragsgegnerin O***** GmbH Co KG wegen § 14 MedienG, AZ 24 Hv 81/10g des Landesgerichts Linz, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2011, AZ 8 Bs 14/11g, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, des Vertreters der Antragstellerin Dr. Wukoschitz sowie des Vertreters der Antragsgegnerin Dr. Bumberger zu Recht erkannt:

Spruch

In der Medienrechtssache der Antragstellerin t*****at Reise GmbH gegen die Antragsgegnerin O***** GmbH Co KG wegen § 14 MedienG verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 22. März 2011, AZ 8 Bs 14/11g (ON 15), § 9 Abs 3 MedienG.

Text

Gründe:

Der Medienrechtssache der Antragstellerin t*****at Reise GmbH gegen die Antragsgegnerin O***** GmbH Co KG wegen § 14 MedienG liegt folgender am 17. August 2010 in den O***** in der Rubrik Wirtschaft auf Seite 9 veröffentlichter Artikel zu Grunde, über dem sich ein Bild von Edi K*****, versehen mit dem Begleittext „Bergspecht Edi K*****: Etappensieg vor dem OGH“ befand:

„MARKENRECHT: Werbung auf Google

Internet-Werbung mit fremder Marke vom OGH verboten

LINZ. Die Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort für Werbeanzeigen im Internet ist nicht zulässig. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) zu einer Einstweiligen Verfügung in einem Rechtsstreit zwischen zwei oberösterreichischen Veranstaltern von Bergreisen entschieden.

Der OGH folgte damit einer Entscheidung des EuGH, an den er den Fall verwiesen hatte. Konkret ging es um eine Klage der 'BergSpechte Ou***** Edi K***** GmbH' gegen die Firma 't*****at Reisen', nachdem sie festgestellt hatte, dass bei Eingabe des Suchbegriffes 'Bergspechte' und 'Edi K*****' bei Google Werbeanzeigen von t*****at erschienen.

Die Geschäftsführerin der BergSpechte, Ulrike S*****, ist mit der Entscheidung zufrieden, weil damit eine Verwechslung verhindert werde. Für den Anwalt von t*****at, Michael W*****, ist das Urteil für die Kläger ein 'Pyrrhus-Sieg'. Es werde klargestellt, dass sie die Verwendung von Schlüsselwörtern nicht untersagen können, solange sich der Mitbewerber in der Anzeige klar von ihnen abgrenze.“

Die Antragstellerin begehrte dazu fristgerecht nachfolgende

G E G E N D A R S T E L L U N G

In den „O *****“ vom 17. August 2010 berichten Sie in der Rubrik „Wirtschaft“ auf Seite 9 unter der Überschrift „ Internet Werbung mit fremder Marke vom OGH verboten “ über einen Rechtsstreit zwischen der „Bergspechte Ou***** und Alpinschule Edi K***** GmbH“ und der „t*****at Reise GmbH“ weiters:

„Die Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort für Werbeanzeigen im Internet ist nicht zulässig. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH) zu einer einstweiligen Verfügung in einem Rechtsstreit zwischen zwei oberösterreichischen Veranstaltern von Bergreisen entschieden.“

und zitieren in der Bildunterschrift „Bergspecht“ Edi K ***** mit den Worten:

„Etappensieg vor dem OGH (K *****)“

Diese Behauptungen sind unrichtig bzw in irreführender Weise unvollständig:

Der OGH hat die Verwendung der fremden Marke als Schlüsselwort für Werbeanzeigen im Internet nur dann untersagt, wenn aus der Anzeige nicht oder nur schwer erkennbar ist, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber keine wirtschaftliche Verbindung besteht. Das Mehrbegehren, die Verwendung als Suchwort zur Generierung von Anzeigen auf Trefferlisten ganz allgemein zu untersagen, hat der OGH abgewiesen.

Beide Parteien haben daher je zur Hälfte obsiegt.

Mit Urteil vom 3. November 2010, GZ 24 Hv 81/10g 8, wies das Landesgericht Linz die Anträge der Antragstellerin auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Veröffentlichung der Gegendarstellung und auf Verhängung einer Geldbuße ab. Ohne Feststellungen zum Bedeutungsinhalt des inkriminierten Artikels zu treffen, ging der Einzelrichter davon aus, der Artikel habe keine Falschinformation, sondern lediglich eine „laiengerecht aufbereitete Entscheidungswiedergabe einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Zivilrechtssachen“ enthalten (US 5). Unter Hinweis auf § 11 Abs 1 Z 4 MedienG, wonach die Pflicht zur Veröffentlichung (ua) einer Gegendarstellung nicht besteht, wenn die begehrte Gegendarstellung, sei es auch nur in einzelnen Teilen, ihrem Inhalt nach unwahr ist, merkte der Einzelrichter zudem an, die begehrte Gegendarstellung füge „letztlich eine weitere Interpretation des OGH an“, wodurch „eine zusätzliche Verwirrung“ eintreten könnte (US 6). Zudem läge der Ausschlussgrund des § 11 Abs 1 Z 8 MedienG vor, weil in dem Artikel (auch) der Vertreter der Antragstellerin zu Wort gekommen sei, der das Urteil des Obersten Gerichtshofs als „Pyrrhus-Sieg“ bezeichnet habe.

Mit Urteil vom 22. März 2011, AZ 8 Bs 14/11g (ON 15), gab das Oberlandesgericht Linz der Berufung der Antragstellerin nicht Folge.

Zunächst trug es die im erstgerichtlichen Urteil fehlenden Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Primärveröffentlichung nach, nämlich dass der inkriminierte Artikel den (falschen) Eindruck erwecke, die Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort für Werbeanzeigen im Internet ohne Einschränkung sei unzulässig, zumal nicht im geringsten auf die vom OGH „manifestierten“ Einschränkungen hingewiesen worden sei, wonach eine derartige Vorgangsweise lediglich dann unzulässig wäre, wenn aus der Anzeige nicht oder nur schwer erkennbar sei, dass zwischen dem Werbenden und dem Markeninhaber keine wirtschaftliche Verbindung bestehe; auch der Fließtext enthalte keinen Hinweis auf diese Einschränkungen. Zudem mache das den Artikel überragende Bild eines triumphierenden, am Gipfel eines Berges angelangten Edi K*****, das mit dem Begleittext „Bergspecht Edi K*****: Etappensieg vor dem OGH“ versehen sei, dem Leser glaubhaft, dass die „Bergspechte Ou***** Edi K***** GmbH“ im Rechtsstreit mit der „t*****at Reisen“ zur Gänze und nicht nur teilweise obsiegt habe (US 3, 4). Der Umstand, dass im letzten Absatz des Artikels der Vertreter der Antragstellerin zu Wort gekommen sei, ändere nichts daran, weil durch die Wiedergabe seiner Stellungnahme im Konjunktiv suggeriert werde, es handle sich hiebei lediglich um eine persönliche Meinung des unterlegenen Rechtsanwalts.

Das Gegendarstellungsbegehren der Antragstellerin habe jedoch dem Erfordernis der Kontradiktion nicht entsprochen, weil es von zwei Thesen ausgegangen sei, wobei die erste These den Inhalt der Tatsachenmitteilung unvollständig wiedergegeben habe, weil sie lediglich das im Artikel suggerierte allgemeine Verbot der Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort umfasst habe, nicht jedoch auf den damit „untrennbar verbundenen“, sich aus Foto und Begleittext ergebenden Anschein gänzlichen Obsiegens der Bergspechte vor dem OGH eingegangen sei.

Das von der Antragstellerin vorgenommene „Aufsplitten der Thesen“ sei „nicht möglich“; die beiden Thesen hätten vielmehr zu einer einzigen zusammengefasst werden müssen, der mit der ersten aufgestellten Antithese entgegenzutreten gewesen wäre. Der Mangel an Kontradiktion könne selbst bei nunmehriger Zusammenfassung der beiden Thesen nicht saniert werden, weil dann die zweite Antithese, die im Hinblick auf das Knappheitsgebot in jeder Hinsicht als überschießend zu bewerten sei, ohne erforderliches Pendant dastehe. Auf die vom Erstgericht angenommenen Ausschlussgründe sei daher nicht einzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur entgegen der Stellungnahme der Antragsgegnerin in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach § 9 Abs 3 MedienG ist in der Gegendarstellung in knapper Weise auszuführen, dass und inwieweit die Tatsachenmitteilung unrichtig oder unvollständig sei und woraus sich dies ergebe. Die Gegendarstellung kann sprachlich frei gestaltet werden. Sie muss entweder die Tatsachen anführen, die im Gegensatz zur Tatsachenmitteilung richtig seien oder letztere in einem erheblichen Punkt ergänzen, oder sich sonst unmittelbar auf die Tatsachenmitteilung und deren Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit beziehen. Ihr Umfang darf nicht außer Verhältnis zu dem der Tatsachenmitteilung stehen.

Demnach ist neben der Unrichtigkeit einer Tatsachenmitteilung auch deren Unvollständigkeit ein Gegendarstellungsgrund. Die Unvollständigkeit muss allerdings in erheblicher Weise zur Irreführung geeignet sein, was dann der Fall ist, wenn gerade dadurch ein falscher Eindruck erweckt wird. Die Gegendarstellung soll ein vollständiges Bild des Sachverhalts bieten. Sie darf aber aus Sicht des Medienkonsumenten nicht (nur) belanglose Nebensächlichkeiten betreffen; sie muss also informativ sein. Auch Schlüsse, die der Medienkonsument aus einer Behauptung zieht, sind gegendarstellungsfähig (vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² § 9 Rz 25).

Notwendige Voraussetzung jeder Gegendarstellung ist der kontradiktorische Gegensatz zwischen Erstmitteilung („These“) und deren Berichtigung („Antithese“). Der (Bedeutungs-)Inhalt der Erstmitteilung setzt der Gegendarstellung klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen; in der Gegendarstellung ist auf die in der Veröffentlichung aufgestellten Tatsachenbehauptungen auch ausdrücklich Bezug zu nehmen (vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² § 9 Rz 28).

Zudem ist das Knappheitsgebot zu beachten. Der Umfang der Gegendarstellung darf nämlich nicht außer Verhältnis zu dem der Tatsachenmitteilung stehen. Der JAB zur Mediengesetznovelle 1993, BGBl 1993/20, mit der in Form der Einführung der „Gegendarstellung“ eine Entformalisierung des bis dahin gültigen Entgegnungsrechts angestrebt wurde, gibt als ungefähren Richtwert für eine dem Umfang nach jedenfalls zulässige Gegendarstellung das Eineinhalbfache bis Doppelte des Umfangs der Tatsachenmitteilung an, wobei sich dies nur auf den eigentlich entgegnenden Teil, also die Antithese, bezieht (vgl Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² Vor §§ 9-21 MedienG Rz 12). In Umsetzung des rechtspolitischen Ziels, dem von unrichtiger oder irreführend unvollständiger medialer Berichterstattung Betroffenen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, ist das Knappheitsgebot nicht kleinlich auszulegen. Insbesondere ist dem Gegendarstellungswerber nicht abzuverlangen, die kürzest mögliche Form zu wählen (vgl zum Ganzen Höhne in Berka/Höhne/Noll/Polley , MedienG² § 9 Rz 28, 35 mwN, Hanusch Kommentar zum MedienG § 9 Rz 21).

Wenngleich das Gesetz dem Gegendarstellungswerber die Möglichkeit einräumt, die Gegendarstellung sprachlich frei zu gestalten, was auch für die Wiedergabe der Erstmitteilung gilt, verpflichtet es ihn nicht dazu. Unbeschadet des Knappheitsgebots kann und darf der Gegendarstellungswerber die Erstmitteilung auch wörtlich zitieren.

Ob eine Gegendarstellung dem Erfordernis der Kontradiktion und dem Knappheitsgebot entspricht, ist eine Rechtsfrage (vgl 14 Os 51/04).

Im vorliegenden Fall hat (auch) das Berufungsgericht diese Rechtsfrage unrichtig gelöst, indem es der begehrten Gegendarstellung absprach, diesen Anforderungen zu genügen.

Die Antragstellerin hat die Tatsachenmitteilung durch wörtliches Zitat des ersten Absatzes des Fließtextes und der Bildunterschrift der Primärveröffentlichung in die Gegendarstellung aufgenommen. Die ihr vom Berufungsgericht abverlangte Zusammenfassung der beiden darin enthaltenen Thesen, nämlich erstens, nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sei die Verwendung einer fremden Marke als Schlüsselwort für Werbeanzeigen im Internet ohne Einschränkung unzulässig, und zweitens, „Bergspecht“ Edi K***** habe zur Gänze obsiegt, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage. Denn die Gegendarstellungswerberin ist mit Ausnahme der Vermeidung von Wiederholungen keineswegs verpflichtet, die Tatsachenmitteilung (noch) kürzer zu fassen, als dies in dem Medium geschehen ist. Im Übrigen lässt das Berufungsurteil ohnehin offen, inwiefern eine solche Zusammenfassung der beiden Thesen kürzer ausgefallen wäre als der vorliegende Gegendarstellungstext und solcherart dem Interesse der Medieninhaberin gedient hätte.

Ebenso wenig nachvollziehbar und mit dem Gesetz in Einklang zu bringen ist, weshalb die auf die eine Schlussfolgerung darstellende These, „Bergspecht“ Edi K***** habe zur Gänze obsiegt, bezogene Antithese, beide Parteien haben je zur Hälfte obsiegt, „in jeder Hinsicht überschießend“ wäre. Mit der im vorangehenden Satz der begehrten Gegendarstellung erfolgten Aussage, das Mehrbegehren, die Verwendung als Suchwort zur Generierung von Anzeigen auf Trefferlisten ganz allgemein zu untersagen, habe der Oberste Gerichtshof abgewiesen, wird nämlich mangels Information darüber, in welcher Relation dieses Begehren zu jenem steht, mit dem die t*****at Reisen GmbH durchgedrungen ist, noch keineswegs hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass von einem überragenden Sieg des „Bergspechts“ Edi K***** keine Rede sein kann. Diese Information würde den Medienkonsumenten erst durch den Hinweis auf das gleichteilige Obsiegen erreichen, das mit den auch im Artikel verwendeten, für sportliche Wettkämpfe geltenden Begriffen gesprochen im Gegensatz zum „Sieg“ einem „Unentschieden“ gleichkommt.

Diese Gesetzesverletzung gereicht der Antragsgegnerin, die die Rechte der Angeklagten hat (§ 14 Abs 3 MedienG), nicht zum Nachteil, weshalb es mit ihrer Feststellung sein Bewenden hat.

Rechtssätze
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