JudikaturJustiz15Os148/04

15Os148/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Januar 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Pablik als Schriftführer, in der Strafsache gegen Petar M***** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 7. Juli 2004, GZ 17 Hv 74/04i-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Petar M***** wurde des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 4. Juli 2003 in Rieding bei St. Stefan im Lavanttal, Bezirk Wolfsberg, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Branislav Ml***** mit Gewalt, durch Drohung mit dem Tod und mit einer Gefährdung durch Sprengmittel versucht hat, den deutschen Unternehmer Siegfried Me***** zur Herausgabe eines Geldbetrages von mindestens 70.000 Euro zu nötigen, indem er den Genannten mit Branislav Ml***** an seinem österreichischen Wohnsitz überraschend aufsuchte und Branislav Ml***** veranlasste, Siegfried Me***** tätlich anzugreifen und sodann aufzufordern, ihm innerhalb von drei Tagen 70.000 Euro zu bezahlen, widrigenfalls er ihm ein Kommando schicken werde, dass ihn Stück für Stück zerlegen und sein Haus und sein Auto in die Luft sprengen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich bereits aus dem erstgenannten Grund als zielführend.

Zutreffend macht die Verfahrensrüge (Z 3) als nichtigkeitsbegründend die Verlesung der mit Branislav Ml***** aufgenommenen Protokolle aus dem gegen diesen in Deutschland geführten Verfahren, wo er zum gleichen Tatvorwurf als Beschuldigter vernommen worden war, nach § 252 Abs 1 Z 1 StPO geltend.

Das Beweiserhebungsverbot (= Beweisgewinnungsverbot) des § 252 Abs 1 StPO sichert das - mit dem Fragerecht nach Art 6 Abs 3 lit d EMRK normativ verknüpfte - strafprozessuale Unmittelbarkeitsprinzip gegen Unmittelbarkeitssurrogate, die durch die Ausnahmesätze Z 1 bis 4 des § 252 Abs 1 StPO nicht gedeckt sind, bei sonstiger Nichtigkeit ab (RIS-Justiz RS0118778).

Der Verteidiger des Angeklagten hat in der Hauptverhandlung vom 7. Juli 2004 (ON 79/II) die Vernehmung des Branislav Ml***** als Tatzeugen vor dem erkennenden Gericht beantragt und sich gegen die Verlesung der von Ml***** im Verfahren vor dem Amtsgericht Mosbach zum identen Sachverhalt in der Hauptverhandlung vom 19. Mai 2004 abgelegten Aussagen (S 181/II) verwahrt. Die Abweisung des Antrages auf Vernehmung des Branislav Ml***** erfolgte ohne weitere Klärung wesentlicher Umstände, die für die Möglichkeit der Vernehmung des beantragten Zeugen vor Gericht gesprochen hätten, lediglich unter Hinweis auf die von diesem in Deutschland zu verbüßende längere Haftstrafe, woraus sich die Unmöglichkeit der Vernehmung ergebe (S 266/II).

Wenn auch im Verhältnis zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland die Überstellung in Haft befindlicher Personen zu ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung nur mit ihrer Zustimmung erfolgen kann, so ist aus der Aktenlage nicht erkennbar, dass der in der Justizvollzugsanstalt Mannheim einsitzende Branislav Ml***** einer Überstellung nach Österreich zur Vernehmung als Zeuge nicht zugestimmt hätte. Damit konnte das Schöffengericht aber ohne weitere Aufklärung nicht vom Vorliegen eines tatsächlichen Hindernisses ausgehen, das die Durchbrechung des Unmittelbarkeitsprinzips und somit die Verlesung der Aussagen des Branislav Ml***** gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO gestattet hätte (Mayerhofer/Hollaender StPO5 § 252 E 25, 27b, 31, 11 Os 79/99).

Weil schon dieser Verfahrensmangel die Kassation des Schuldspruchs und die Anordnung der Verfahrenserneuerung erforderte (§ 285e StPO), bedurfte es keines Eingehens auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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