JudikaturJustiz15Os140/18d

15Os140/18d – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. November 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Medienrechtssache der Antragstellerin F***** gegen die Antragsgegnerin o***** GmbH wegen §§ 9 ff MedienG, AZ 93 Hv 49/16f des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2018, AZ 18 Bs 275/16x (ON 23 der Hv Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, des Vertreters der Antragstellerin, Mag. Boba, und des Vertreters der Antragsgegnerin, Mag. Bauer, zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. April 2018, AZ 18 Bs 275/16x, verletzt im Ausspruch über die Festsetzung der von der Antragsgegnerin zu ersetzenden Kostenbeträge, soweit die der Antragstellerin im aufgrund des Parteiantrags der Antragsgegnerin eingeleiteten Verfahren zur Normenkontrolle vor dem Verfassungsgerichtshof erwachsenen Kosten nicht als Kosten des Berufungsverfahrens zugesprochen wurden, § 395 Abs 2 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragstellerin F***** gegen die Antragsgegnerin o***** GmbH wegen §§ 9 ff MedienG wies das Landesgericht für Strafsachen Wien mit Urteil vom 23. Juni 2016, GZ 93 Hv 49/16f 7, die Begehren der Antragstellerin auf gerichtliche Anordnung der Veröffentlichung einer Gegendarstellung sowie auf Zuerkennung einer Geldbuße – gestützt auf eine restriktive Auslegung der in § 13 Abs 3a erster Satz MedienG normierten Veröffentlichungsdauer – ab.

Gegen dieses Urteil erhob die Antragstellerin das Rechtsmittel der Berufung wegen Nichtigkeit (ON 9, 10).

Aus Anlass ihrer Gegenausführung zu diesem Rechtsmittel (ON 11) brachte die Antragsgegnerin am 17. Oktober 2016 beim Verfassungsgerichtshof den auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG gestützten Antrag ein, „der VfGH möge § 13 Abs 3a MedienG (idF BGBl I Nr 49/2005) zur Gänze als verfassungswidrig aufheben“, weil dieser gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art 2 StGG und Art 7 Abs 1 B VG verstoße (ON 14 und 19).

Mit Note vom 16. November 2016 stellte der Verfassungsgerichtshof der Antragstellerin (des medienrechtlichen Anlassverfahrens) als beteiligter Partei frei, eine Äußerung zu diesem Antrag zu erstatten (vgl ON 14 S 1 [dritter Absatz]).

Die Antragstellerin brachte daraufhin am 12. Dezember 2016 beim Verfassungsgerichtshof eine Äußerung ein, in welcher sie dem Parteiantrag auf Normenkontrolle mit inhaltlichen Argumenten zu Art 2 StGG und Art 7 B VG entgegentrat (s ON 22

S 3 ff).

Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 30. November 2017, GZ G 360/2016 12, wurde der Antrag der Antragsgegnerin, § 13 Abs 3a MedienG als verfassungswidrig aufzuheben, zwar für zulässig erachtet, in der Sache aber – mangels unsachlicher Ungleichbehandlung zwischen Print- und Rundfunkmedien einerseits und elektronischen Medien andererseits – als unbegründet abgewiesen (ON 18).

Am 19. April 2018 fand die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Wien statt. In dieser legte die Antragstellerin gemäß § 19 Abs 5 und 7 MedienG eine Kostennote, in der sie auch die Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof (Äußerung vom „6.“ [richtig: 12.] Dezember 2016, Tarif TP 3C des RATG zuzüglich 60 % Einheitssatz und ERV-Erhöhungsbeitrag) verzeichnete (s ON 22 S 1).

Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom selben Tag, AZ 18 Bs 275/16x (ON 23), wurde der Berufung der Antragstellerin Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass der Antragsgegnerin die Veröffentlichung der begehrten Gegendarstellung aufgetragen wird und diese nach § 18 Abs 1 MedienG eine Geldbuße an die Antragstellerin zu zahlen hat. Zudem wurde die Antragsgegnerin gemäß § 19 Abs 1 MedienG, § 14 Abs 3 MedienG iVm § 390a Abs 1 StPO zur Tragung der Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz verpflichtet. Unter einem wurden die Kosten gemäß § 19 Abs 6 und 7 MedienG – ausgehend von den im Kostenverzeichnis der Antragstellerin (ON 22 S 1) angeführten Positionen, jedoch ohne die für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof aufgelaufenen Kosten – bestimmt. Zu dieser Einschränkung führte das Berufungsgericht ohne nähere Begründung aus, „dass die verzeichnete Äußerung an den Verfassungsgerichtshof vom 6. Dezember 2016 nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren erforderlich war“ (US 12 [letzter Absatz]).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht im Ausspruch, mit dem die zu ersetzenden Kosten des Berufungsverfahrens mit der oben angeführten Einschränkung bestimmt wurden, das Gesetz:

Beim Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) über einen Parteiantrag auf Normenkontrolle gemäß Art 139 Abs 1 Z 4 und Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B VG („Gesetzesbeschwerde“) handelt es sich – ebenso wie bei einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH; RIS Justiz RS0109758) oder einem Verfahren vor dem VfGH über einen Verordnungs- oder Gesetzesprüfungsantrag eines Gerichts (Art 139 Abs 1 Z 1 und Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B VG; RIS Justiz RS0036030) –um eine Art Zwischenverfahren (einen Zwischenstreit) im Anlassverfahren vor dem ordentlichen Gericht. Immerhin dürfen in dem beim Rechtsmittelgericht anhängigen Verfahren bis zur Verkündung oder Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten (§ 57a Abs 6, § 62a Abs 6 VfGG). Grund für diese Regelung grundsätzlicher Sistierung ist die Bindungswirkung, die ein normaufhebendes (oder die seinerzeitige Verfassungs- [oder Gesetz ]widrigkeit aussprechendes) Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nach Art 140 Abs 7 (Art 139 Abs 6) B VG für das Rechtsmittelverfahren entfaltet (vgl dazu Rohregger , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle [„Gesetzesbeschwerde“], AnwBl 2015, 188 [194]). Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof über einen Parteiantrag auf Normenkontrolle ist daher mit dem zugrunde liegenden Rechtsmittelverfahren eng verknüpft (vgl etwa Grabenwarter/Musger , Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015, 551 [557 f]).

Für die Kosten des über einen Parteiantrag geführten Normenkontrollverfahrens wurde keine gesonderte Kostenersatzbestimmung im VfGG geschaffen; folglich kommt die Bestimmung des § 27 VfGG zum Tragen: Es besteht kein Anspruch auf Kostenzuspruch durch den Verfassungsgerichtshof ( Götzl in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler , Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 27 VfGG Rz 1).

Solche Kosten sind vielmehr Sonderkosten, die im gerichtlichen Anlassverfahren nach Maßgabe des dort anzuwendenden Prozessrechts bei der Kostenbestimmung zu berücksichtigen sind (vgl Kneihs , Der Subsidiarantrag auf Verordnungs- und Gesetzeskontrolle, ZfV 2015, 35 [54]; Reiter , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle im zivilgerichtlichen Verfahren, RZ 2015, 55 [60]; Rohregger , Der Parteiantrag auf Normenkontrolle [„ Gesetzesbeschwerde “], AnwBl 2015, 188 [198]; Fichtenbauer/Hauer , Parteiantrag auf Normenkontrolle [2015] Rz 163; 10 ObS 153/15w; Grabenwarter/Musger , Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015, 551 [562]; Stefula , Erste Erfahrungen mit dem Parteiantrag aus Sicht der Zivilgerichtsbarkeit, RZ 2017, 79 [81]).

Zu prüfen ist, ob der von der Antragstellerin im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eingebrachte Schriftsatz im Sinn des § 395 Abs 2 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig oder sonst nach der Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt war, was Voraussetzung für seine Honorierung wäre (vgl RIS Justiz RS0122939; Lendl , WK StPO §§ 394, 395 Rz 14; 12 Os 36/07x).

Im vorliegenden Fall wurde der Antragstellerin des medienrechtlichen Anlassverfahrens im Normenkontrollverfahren vor dem VfGH als (mit)beteiligter Partei freigestellt , eine Äußerung zu erstatten (ON 14). Solcherart war die konkrete Vertretungshandlung zwar nicht durch die Prozesslage erzwungen („notwendig“ iSd § 395 Abs 2 erster Fall StPO; vgl Lendl , WK StPO §§ 394,  395 Rz 15), weil bloß die Möglichkeit zur Äußerung eingeräumt wurde, es sich also nicht um einen vom VfGH (durch Aufforderung zur Äußerung, wie sie im konkreten Fall bloß an die Bundesregierung erging; ON 14 S 1 [zweiter Absatz]) abverlangten Schriftsatz handelte (vgl dazu 9 ObA 212/93; 4 Ob 31/16m ua; VfGH B 265/2012; B 394/94; B 270/00 ua).

Allerdings war die (nicht bloß inhaltsleere) Äußerung nach Beschaffenheit des Falles gerechtfertigt iSd § 395 Abs 2 zweiter Fall StPO (vgl Lendl , WK StPO §§ 394, 395 Rz 16), weil die Bindungswirkung eines die – präjudizielle – Bestimmung des § 13 Abs 3a MedienG allenfalls aufhebenden Erkenntnisses des VfGH den Prozessstandpunkt der Antragstellerin im medienrechtlichen Verfahren unmittelbar berührte und die Genannte insoweit (auch) im Verfahren vor dem VfGH erfolgreich war.

Das Berufungsgericht hätte demnach der (im Berufungsverfahren mit ihren Anträgen zur Gänze durchgedrungenen) Antragstellerin auch die ihr durch die Äußerung vom 12. Dezember 2016 entstandenen Kosten des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof zusprechen müssen. Der gegenteilige Kostenausspruch des Oberlandesgerichts verletzt somit § 395 Abs 2 StPO iVm § 14 Abs 3 MedienG.

Da sich diese Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil der Antragsgegnerin ausgewirkt hat, die in einem Verfahren nach § 14 Abs 1 MedienG die Rechte des Angeklagten hat (§ 14 Abs 3 erster Satz MedienG), kommt ein Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO nicht in Betracht. Somit hat es mit deren Feststellung sein Bewenden.