JudikaturJustiz14Os82/16i

14Os82/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Oktober 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Oktober 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst H***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112) über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22. Jänner 2016, GZ 127 Hv 34/14x 160, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ernst H***** – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – vom Vorwurf, er habe in W***** als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T***** GmbH (im Folgenden kurz T*****), die ihm durch Gesetz und Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht und dadurch der genannten Gesellschaft einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er

(II) von 2001 bis 2003 der Prokuristin des Unternehmens, Susanne J ***** , Blankobriefpapier der E***** s.r.o. übergab, sie aufforderte, fingierte Rechnungen zu erstellen und diese sodann als Eingangsrechnungen des Kunden E***** s.r.o. zu verbuchen und in weiterer Folge die Bezahlung von sieben im Urteil detailliert angeführten, zwischen 2. Juli 2001 und 15. Jänner 2003 erstellten derartigen Scheinrechnungen über Beträge in Höhe von insgesamt 51.941,78 Euro veranlasste;

(III) den abgesondert verfolgten Mag. Maciej K***** aufforderte, Rechnungen über vorgeblich erbrachte Leistungen, wie „die Abdichtung der Klappen mit PU-Schaum vor Verladung in Grube inklusive Koordination von Gestellung und Leerwagen“, in Höhe von insgesamt 82.230,30 Euro zu legen, in der Folge die Richtigkeit von vier im Urteil detailliert angeführten, zwischen 30. Juni 2003 und 24. September 2004 erstellten derartigen Scheinrechnungen attestierte, diese in das Rechenwerk aufnehmen ließ und sodann deren Bezahlung veranlasste;

(V) mit Verantwortlichen der M***** Kft. (im Folgenden kurz M*****) eine Preisabsprache dahingehend traf, dass diese anstelle der für den Transport von Mineralöl-Kesselwagen von der rumänischen Grenze bis zur ungarisch-österreichischen Grenze vereinbarten 14,10 Euro pro Tonne, 28,20 Euro pro Tonne in Rechnung stellen werden, wobei er in Kenntnis der überhöhten Rechnungslegung die Bezahlung von vier im Urteil detailliert angeführten, zwischen 2002 und 2005 erstellten derartigen Rechnungen veranlasste, wodurch der Gesellschaft ein Vermögensnachteil in Höhe von 482.816,58 Euro zugefügt wurde,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu.

Zu Punkt V des Freispruchs sah das Erstgericht in objektiver Hinsicht als erwiesen an, dass die mit den verfahrensgegenständlichen Fakturen der M***** (nach )verrechneten 100%igen Zuschläge in Höhe von 14,10 Euro pro Tonne der Rechnungslegerin von den ungarischen Eisenbahnen (MA*****-Cargo) großteils gar nicht in Rechnung gestellt worden waren. Die entsprechenden Beträge, deren Bezahlung durch die T***** der Angeklagte in Kenntnis der überhöhten Rechnungslegung veranlasst hatte, flossen in der Folge unter Zwischenschaltung von drei weiteren ungarischen Gesellschaften an Ernst H***** zurück und wurden für – zur Sicherung der „relativ günstigen Konditionen“ notwendige – „Schmiergeldzahlungen“ an „Entscheidungsträger der ungarischen Bahnen“ verwendet (US 8 ff). In subjektiver Hinsicht verneinten die Tatrichter (pauschal in Bezug auf Punkt II und V des Freispruchs) Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs sowie einen auf Schädigung der Machtgeberin gerichteten Vorsatz. In letzterer Hinsicht hielten sie zudem fest, der Angeklagte sei davon überzeugt gewesen, dem Wohle des Unternehmens zu dienen, weil (nur) durch die beschriebene Vorgangsweise günstige Konditionen (für alle Kunden der T*****) gehalten und ein reibungsloser Ablauf bei der Abwicklung von Transporten durch „wohlgesonnen bleibende“ Hafen- und Bahnorgane gesichert werden konnten, wovon die Gesellschaft unmittelbar profitieren sollte (US 13, 35, 38).

Der ausdrücklich nur Punkt V des Freispruchs betreffende Einwand von Unvollständigkeit (nominell Z 5 vierter Fall, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) trifft nicht zu:

Die – nach dem Beschwerdestandpunkt Schädigungsvorsatz indizierende – Passage aus dem im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen Mag. K***** (nach der die „normalen Tarife“ für ungarische Bahntransporte zwischen 15 und 18 Euro pro Tonne lagen; ON 71 S 309) bedurfte keiner Erörterung im Urteil, weil die Expertise nach dem (ungerügt gebliebenen) Protokoll über die Hauptverhandlung vom zusammenfassenden Vortrag des Akteninhalts durch den Vorsitzenden ausdrücklich ausgenommen (ON 159 S 49) und auch sonst weder erörtert, noch auf andere Weise in das Verfahren eingeführt wurde, womit sie nicht im Sinn des § 258 Abs 1 StPO in der Hauptverhandlung vorgekommen ist ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 427; RIS-Justiz RS0118316).

Welche für den Prozessstandpunkt der Beschwerdeführerin günstigere Tatsachenfeststellung aus einer – gleichfalls als übergangen monierten – „Stellungnahme der M*****“, nach der „das ungarische Eisenbahnunternehmen MA***** auf die Zuschläge bestanden hätte“ (ON 71a S 415 ff), die verfahrensgegenständlichen Rechnungen also gar nicht überhöht waren, abzuleiten sein sollte, erklärt die Rüge nicht ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 424).

Dass die zur Fundierung der Nichtannahme von auf Schädigung des Machtgebers gerichtetem Vorsatz angestellten Überlegungen der Tatrichter (US 17 f, 35 f) den Gesetzen

logischen Denkens oder den grundlegenden

Erfahrungssätzen widersprechen (RIS-Justiz RS0116732), vermag die weitere Mängelrüge nicht aufzuzeigen.

Die auf die Annahme objektiv „günstiger Konditionen“ bezogene Forderung nach einer „eingehenden Begründung“ (nominell Z 5 vierter Fall) basiert vielmehr auf der urteilsfremden, aus dem oben angesprochenen Gutachten und rechnerisch nicht nachvollziehbaren Erwägungen abgeleiteten Prämisse, die T***** wäre „mit und auch ohne Bestechung nicht besser dagestanden“, weil die Bezahlung eines auch „Schmiergeld“ enthaltenden Preises von 28,20 Euro pro Tonne keinen finanziellen Vorteil für das Unternehmen erbringen konnte (vgl dagegen die – insgesamt für glaubwürdig erachtete [US 17] – Verantwortung des Angeklagten zu den im Tatzeitraum von den ungarischen Staatsbahnen in Anschlag gebrachten Sätzen von 35,60 bis 37,40 Euro pro Tonne; ON 159 S 25 ff), und übergeht die weiteren Konstatierungen, nach denen der Angeklagte davon überzeugt war, durch die „Schmiergeldzahlungen“ auch einen reibungslosen Ablauf der Bahntransporte sichern zu können (erneut US 35).

Weil schon die zu Punkt V nicht erfolgreich und zu Punkt II des Freispruchs weder nominell noch der Sache nach mit Mängelrüge bekämpften Negativfeststellungen zum Schädigungsvorsatz die von der Beschwerdeführerin angestrebte Subsumtion des Täterverhaltens nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB von vornherein ausschließen, bezieht sie sich mit ihren weiteren, diese beiden Freispruchspunkte betreffenden Einwänden gegen die Negativfeststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs sowie zu den Überlegungen der Tatrichter, wonach es „bereits fraglich ist, ob es hier überhaupt (in objektiver Hinsicht) zu einem Befugnismissbrauch kam“ (US 38), nicht auf entscheidende Tatsachen. Ein Eingehen auf das entsprechende Vorbringen der Mängel- und Rechtsrüge erübrigt sich daher (vgl RIS Justiz RS0130509; RS0127315).

Während mangelhafte Urteilsannahmen alleine Gegenstand der Mängelrüge (Z 5) sind, bildet die Gesamtheit der in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen den Bezugspunkt von Rechts- und Subsumtionsrüge (Z 9 und 10; RIS-Justiz RS0099810). Nur hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen ein freisprechendes Urteil keine (positiven oder negativen) Konstatierungen enthält, ist unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (erneut RIS-Justiz RS0127315). Diese Anfechtungskriterien verkennt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu Punkt II und V des Freispruchs grundlegend, indem sie insoweit „(zusätzliche) Ersatzfeststellungen“ (auch) zum Schädigungsvorsatz (zudem ohne jegliche Bezugnahme auf Verfahrensergebnisse) „begehrt“ und dabei die gerade dazu getroffenen Konstatierungen übergeht.

Gleiches gilt – wie der Vollständigkeit halber anzumerken bleibt – für die Forderung nach Feststellungen zur Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs, weil das Erstgericht mit der (nominell aus Z 5 vierter Fall) kritisierten Formulierung, es könne nicht festgestellt werden, „dass der Angeklagte wusste, dass er durch das Flüssigmachen von Schmiergeldzahlungen und Übergabe dieser Beträge an diverse ausländische Entscheidungsträger und Bahn- und Hafenorgane seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, missbraucht“ (US 13), mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, dass das Erstgericht dieses Tatbestandsmerkmal gerade in Bezug auf die Vorgangsweise, die der Angeklagte wählte, um die Bestechungsgelder „flüssig zu machen“ (also die unter Anklage gestellte Genehmigung und Bezahlung überhöhter [Schein-]Rechnungen), für nicht erwiesen ansah.

Mit dem Vorwurf, das Erstgericht habe den Freispruch zu Punkt III rechtsirrig alleine darauf gegründet, dass den verfahrensgegenständlichen Fakturen tatsächlich erbrachte Leistungen des Mag. Maciej K***** zugrunde lagen, ohne – nach dem Beschwerdestandpunkt indizierte – Feststellungen zu einer durch die pflichtwidrige Unterlassung der Weiterverrechnung dieses (entgegen der ursprünglichen Annahme der Staatsanwaltschaft) demnach zu Recht getätigten Aufwands an die jeweiligen Auftraggeber der T***** bewirkten Untreue zu treffen, strebt die Beschwerde (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 7; vgl dazu Ratz , WK StPO § 281 Rz 502, 526;

RIS-Justiz RS0099639) einen Schuldspruch wegen einer anderen Tat im materiellen Sinn an (zum Begriff: Ratz , WK-StPO § 281 Rz 502, 516 ff; zum Beurteilungsmaßstab vgl auch Lewisch , WK-StPO § 262 Rz 32 ff; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 512; für viele: 17 Os 9/13x).

Ein solches Vorbringen wäre aber nur dann erfolgreich, wenn Tenor oder Begründung der Anklageschrift (§ 211 Abs 2 StPO) auf ein solches Geschehen verwiesen hätten, ein entsprechender Vorwurf also vom Ankläger erhoben worden wäre, weil nur dann davon gesprochen werden könnte, dass der durch die Anklage determinierte Prozessgegenstand im Urteil nicht zur Gänze erledigt wurde (vgl zum prozessualen Tatbegriff erneut Ratz , WK-StPO § 281 Rz 502 ff; 516 ff; zum – hier nicht erfolgten – Ersatz des Prozessgegenstands durch einen anderen: Ratz , WK-StPO § 281 Rz 552), wovon vorliegend keine Rede sein kann (ON 109 S 2, 5 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 und 2 StPO).

Rechtssätze
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