JudikaturJustiz14Os80/95

14Os80/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. März 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Ebner, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Mänhardt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kurt K***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 24.März 1995, GZ 17 Vr 897/94-15, nach öffentlicher Verhandlung am 19.September 1995 in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr.Bassler, des Vertreters des Finanzamtes Feldkirch als Finanzstrafbehörde, Mag.Ender, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Kurt K***** wird von der Anklage, er habe in Röthis als Geschäftsführer der I***** GmbH vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen für die Zeiträume Jänner, April, Mai sowie August bis Dezember 1993 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Gesamthöhe von 1,365.211 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten, somit das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kurt K***** im Sinne des angeführten Anklagevorwurfes des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG schuldig erkannt.

Nach den Urteilsfeststellungen begab sich der Angeklagte als Geschäftsführer der "I***** GmbH" im Jänner 1994 zum Leiter der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes Feldkirch (Gerhard S*****), legte diesem (ua) eine Aufstellung der nicht geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen für die Monate Jänner und Februar, April und Mai sowie August bis November 1993 in der Höhe von insgesamt ca 1,1 Mio S vor und ersuchte, einen "Zahlungsmodus" für die Entrichtung des Abgabenrückstandes der Gesellschaft - einschließlich eines restlichen Umsatzsteuerrückstandes für 1992 von 100.000 S - zu finden (US 4, 5). Nach der in der Folge - zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Jänner und April 1994 (US 5, 6) - mit dem Leiter der Vollstreckungsstelle getroffenen Vereinbarung hatte der Angeklagte - neben den laufenden Zahlungen - die Umsatzsteuerrückstände für 1993 in insgesamt 12 Monatsraten a 100.000 S zu begleichen, indem er 12 jeweils an einem Monatsersten zahlbare Schecks unterfertigte und beim Finanzamt Feldkirch zwecks monatlicher Einlösung ab Juni 1994 hinterlegte. Weiters wurde vereinbart, daß diese Zahlungsregelung nicht auf dem Steuerkonto der Gesellschaft EDV-mäßig zu erfassen, sondern intern in der Vollstreckungsstelle zu vermerken ist, um der "I*****" eine weitere Zinsenbelastung (§ 212 Abs 2 BAO) zu ersparen (US 5).

Am 17.Februar 1994 erstattete der Buchhalter des Unternehmens, Gerhard K*****, vor Beginn einer von der Amtsbetriebsprüfung Feldkirch angekündigten UVA-Prüfung im Namen des Angeklagten eine Selbstanzeige und reichte die fehlenden Umsatzsteuervoranmeldungen für 1993 (einschließlich der zusätzlich fällig gewordenen Umsatzsteuervoranmeldungen) nach. Dieser Selbstanzeige folgend wurde nach Beendigung der Prüfung die rückständige Umsatzsteuer für 1993 in der im Spruch ersichtlichen Höhe festgesetzt und der Bescheid der Gesellschaft unter Hinweis auf die Frist des § 210 Abs 4 BAO zugestellt. Diese Frist endete am 11.April 1994.

Der Angeklagte maß dem ihm zugegangenen Bescheid im Hinblick auf die Zahlungsvereinbarung mit der Vollstreckungsstelle - hinsichtlich welcher offen blieb, ob sie vor oder nach Bescheidzustellung getroffen wurde - keine Bedeutung zu.

Auf Grund der bestehenden Liquiditätsprobleme des Unternehmens war der Angeklagte nicht in der Lage, den gesamten Betrag bis zum 11. April 1994 zu bezahlen (US 6). Die Ratenvereinbarung hielt der Angeklagte bis zum Urteilszeitpunkt (23.März 1995) ein (US 7).

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß sowohl die vom Angeklagten dem Finanzamt Feldkirch überbrachte Aufstellung (S 65) über die bestehenden Umsatzsteuerrückstände für 1993 iVm der entsprechenden Mitteilung an den Leiter der Vollstreckungsstelle, als auch das Verhalten des Buchhalters Gerhard K***** vom 17.Februar 1994 als Selbstanzeige im Sinn des § 29 Abs 1 FinStrG zu werten seien.

Die strafbefreiende Wirkung verneinte das Schöffengericht jedoch in Ansehung der zweiten Selbstanzeige mangels Zahlung der veranlagten Umsatzsteuer für 1993 bis zum Ende der gesetzlichen Zahlungsfrist am 11. April 1994 (US 14), in Ansehung der ersten Selbstanzeige hingegen mit der Begründung, daß das Ansuchen um Raten- zahlung nicht als Ansuchen um Zahlungserleichterungen im Sinn des § 212 BAO zu werten sei, weil (nach dem Inhalt der Vereinbarung) die mit Zahlungserleichterungen verbundenen Stundungszinsen (§ 212 Abs 2 BAO) vermieden und nur intern Vollstreckungsmaßnahmen verhindert werden sollten. Mangels bescheidmäßiger Bewilligung von Zahlungserleichterungen und eines auf eine solche Erledigung abzielenden Anbringens sei somit weder nach Abs 2 noch nach Abs 3 des § 230 BAO Vollstreckungssperre eingetreten, sodaß "keine Zahlungserleichterungen im Sinn des § 29 Abs 2 FinStrG" vorlägen (US 13).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus den Gründen der Ziffern 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtig- keitsbeschwerde des Angeklagten.

Der gegen die dargestellte Rechtsansicht des Erstgerichtes gerichteten Rechtsrüge (Z 9 lit a) kommt - wie die Generalprokuratur in ihren Stellungnahmen zutreffend aufzeigt - Berechtigung zu:

Zunächst ging das Erstgericht zu Recht davon aus, daß ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen gemäß § 212 BAO keiner besonderen Form bedarf (vgl Reeger/Stoll BAO5 Erl zu § 212 S 331) und ein solches nicht nur schriftlich, sondern - entgegen der von der Finanzstrafbehörde in ihrer Stellungnahme vom 25.September 1995 vertretenen Auffassung - auch mündlich gestellt werden kann. Daß ein solches Ansuchen nach § 85 Abs 1 BAO grundsätzlich schriftlich anzubringen ist, hindert nämlich die Behörde nicht, im Einzelfall - ohne gesetzliche Verpflichtung - auch ein mündliches Anbringen zur Kenntnis zu nehmen.

Aus § 85 Abs 3 BAO ist für den gegenteiligen Standpunkt nichts zu gewinnen, weil diese Gesetzesstelle jene Fälle regelt, in denen die Abgabenbehörde mündliches Anbringen entgegenzunehmen hat und dabei (lit b leg cit) dem Behördenorgan - hier dem Leiter der Vollstreckungsstelle - genügend Spielraum läßt, mündliches Anbringen unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit entgegenzunehmen.

Der weitere Einwand der Finanzstrafbehörde, dieses "Anbringen" sei nicht als mündliches Ersuchen um Ratenzahlung, sondern als "vorläufige Sicherstellung" zu werten, setzt sich über die - auf den Angaben des Zeugen Gerhard S***** im Vorverfahren sowie in der Hauptverhandlung basierenden - gegenteiligen Urteilsannahmen (US 5-7) hinweg.

Rechtsrichtig führte das Schöffengericht weiters aus, daß ein Ansuchen um Zahlungserleichterung "von der Abgabenbehörde allein nach den Bestimmungen des § 212 BAO bescheidmäßig zu bewilligen ist" (US 12), ohne jedoch daraus für den Anlaßfall die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen: Denn nach dem Gesagten kann nicht zweifelhaft sein, daß das Ersuchen des Beschwerdeführers, "einen Zahlungsmodus für die Nachzahlung des Abgabenrückstandes der Firma I***** zu finden" (US 4, 5), ein Ersuchen um Zahlungserleichterungen im Sinne des § 212 Abs 1 BAO ("mündliches Ersuchen um Ratenzahlung" - US 13) darstellte, über das jedenfalls mit Bescheid abzusprechen war.

Demgemäß löste dieses Ersuchen die Sperrwirkung des § 230 Abs 3 BAO aus, ohne die Ver- pflichtung zur Entrichtung von Stundungszinsen gemäß § 212 Abs 2 BAO nach sich zu ziehen, weil solche in der Regel erst bei "einer gemäß Abs 1 erteilten Bewilligung" (die in der EDV angemerkt wird - vgl S 89) anfallen (Reeger/Stoll aaO Erl zu § 212 S 335).

Wenn die Finanzbehörde bei dieser Sach- und Rechtslage eine Ratenvereinbarung schließt (US 13) und dabei - aus welchen Erwägungen immer - auf die Entrichtung von Stundungszinsen verzichtet, kann dies dem Abgaben- pflichtigen unter dem Gesichtspunkt des § 29 Abs 2 FinStrG nicht zum Nachteil gereichen. Nach Lage des Falles macht es keinen Unterschied, ob die mündliche Ratenvereinbarung mit dem Leiter der Vollstreckungsstelle eine (nicht in Bescheidform ergangene) Bewilligung von Zahlungserleich- terungen im Sinne des § 212 Abs 1 BAO (mit Vollstreckungssperre nach § 230 Abs 2 BAO) darstellte oder ob die Vereinbarung als vorläufige behördliche Erledigung mit Wirkung bis zur bescheidmäßigen Absprache über das Ratenzahlungsansuchen des Beschwerdeführers (mit Vollstreckungssperre nach § 230 Abs 3 BAO) gedeutet wird. Denn in jedem Fall stellt der dem Angeklagten eingeräumte - zwei Jahre nicht übersteigende - Zahlungsaufschub die Gewährung von Zahlungserleichterungen im Sinn des § 29 Abs 2 FinStrG dar, deren Inanspruchnahme der Annahme einer "den Abgabenvorschriften entsprechenden Entrichtung" nicht entgegensteht.

Dabei ist es unerheblich, ob nach Lage des Falles das Ansuchen um Zahlungserleichterungen allenfalls abzu- weisen gewesen wäre, weil eine bescheidmäßige Erledigung auch in diese Richtung tatsächlich nicht erfolgte.

Der Finanzstrafbehörde ist zwar zuzustimmen, daß die "offengelegten Beträge" unbeschadet ihrer Fälligkeit bei Erstattung der Selbstanzeigen weder auf dem Abgabenkonto verbucht noch bescheidmäßig festgesetzt waren und daher zu diesem Zeitpunkt nicht "Gegenstand von Einbringungsmaßnahmen" sein konnten, somit die verfahrens- rechtliche Grundlage (fallbezogen nach § 201 BAO) für die Zahlungspflicht sowie für das Einhebungs- und Einbrin- gungsverfahren noch nicht geschaffen war.

Es trifft auch zu, daß vorliegend erst der aufgrund der UVA-Prüfung erlassene Bescheid über die Umsatzsteuer 1993 die unter Berücksichtigung der Nachfrist des § 210 Abs 4 BAO mit 11.April 1994 limitierte Zahlungsfrist auslöste.

Verfehlt ist jedoch die Annahme, es könne erst ab Entstehung der verfahrensrechtlichen Zahlungspflicht ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen gestellt werden. Dabei übersieht die Finanzstrafbehörde, daß die verkürzten Vorauszahlungen an Umsatzsteuer (mit Ausnahme jener für Dezember 1993 in Ansehung der Selbstanzeige vom Jänner 1994) zum Zeitpunkt der Selbstanzeige bereits fällig waren. Sie wären daher "den Abgabenvorschriften entsprechend" unter dem Gesichtspunkt strafbefreiender Selbstanzeige gleichzeitig mit der Darlegung der Verfehlung zu entrichten. Demgemäß müßte - gerade bei strikter Interpretation der Ausnahmebestimmung des § 29 Abs 2 FinStrG - das Ersuchen um Zahlungserleichterungen gleichzeitig mit der Selbstanzeige gestellt werden (so 13 Os 38/86; zur gesamten Problematik siehe Scheil, Die Selbstanzeige nach § 29 Finanzstrafgesetz, Rz 571 ff). Keinesfalls geht jedoch ein vor der bescheidmäßigen Festsetzung der Umsatzsteuer gestelltes Ansuchen um Zahlungser- leichterungen "ins Leere".

Unbedenklich ist ferner die erstgerichtliche Annahme zweier Selbstanzeigen. Entgegen der von der Finanzstrafbehörde vertretenen Auffassung ist hiefür ohne Bedeutung, daß die Darlegung der Verfehlung vom 17.Februar 1995 umfänglich über jene vom Jänner 1994 hinausging. Denn auch die Mitteilung an den Leiter der Vollstreckungsabteilung im Jänner 1994 iVm der dabei überreichten Aufstellung (S 65) legte das verwirklichte Finanzvergehen dar und offenbarte Hinterziehungszeiträume und -beträge (vgl SSt 59/92). Das vom Buchhalter des Unternehmens für den Angeklagten bei Beginn der finanzbehördlichen Prüfung (§ 29 Abs 3 lit c FinStrG) erstattete Anbringen erfolgte hinsichtlich der bis dahin noch nicht deklarierten Hinterziehungsbeträge - welche übrigens bei der ersten Selbstanzeige noch nicht fällig waren - jedenfalls vor der Entdeckung der Tat (§ 29 Abs 3 lit b FinStrG) und somit gleich der ersten Selbstanzeige - diese in Ansehung der übrigen Verfehlungen - rechtzeitig.

Da der Angeklagte nach den mängelfrei getroffenen Feststellungen die ihm vom Leiter der Vollstreckungsabteilung eingeräumten Ratenzahlungen ein- hielt (US 5, 7, 9), hat er bis zur Urteilsfällung in erster Instanz der ihm nach § 29 Abs 2 FinStrG obliegenden Pflicht zu einer den Abgabenvorschriften entsprechenden Entrichtung des von ihm geschuldeten Abgabenbetrages durchwegs entsprochen, sodaß ihm Straffreiheit zuzubilligen ist.

Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die außerdem ausgeführte Verfahrensrüge (Z 4).

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben, das Urteil aufzuheben und der Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG freizusprechen.

Rechtssätze
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