JudikaturJustiz14Os74/03

14Os74/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Allmayer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Johann S***** wegen der Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 7. August 2002, GZ 38 Hv 1014/01d-23, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Dr. Johann S***** wurde der (richtig: 110) Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er von "1998 bis 2000" in Salzburg als Strafamtsleiter der Bundespolizeidirektion Salzburg, somit als Beamter, mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Einhaltung grundlegender Verfahrensvorschriften des Verwaltungsverfahrens (insbesondere auch betreffend die in § 39 Abs 2 AVG bzw § 24 VStG festgelegte Verpflichtung zur materiellen Wahrheitsforschung) zur Garantie der Ordnungsgemäßheit und Sauberkeit hoheitlicher Verwaltung zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, in den im Spruch näher beschriebenen 110 Verwaltungsstrafsachen wissentlich missbraucht.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Angeklagten dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt (bereits) insofern Berechtigung zu, als sie unter der Z 9 lit a Rechtsfehler mangels Feststellungen aufzeigt.

Nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO muss die Urteilsausfertigung die Entscheidungsgründe enthalten. In diesen muss in gedrängter Darstellung, aber mit voller Bestimmtheit angegeben sein, welche Tatsachen und aus welchen Gründen der Gerichtshof sie als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen hat, von welchen Erwägungen er bei der Entscheidung der Rechtsfragen und bei Beseitigung der vorgebrachten Einwendungen geleitet wurde und, im Fall einer Verurteilung, welche Erschwerungs- und Milderungsumstände er gefunden hat.

Vorliegend erschöpfen sich die Tatsachenfeststellungen jedoch im Wesentlichen bloß in einer unreflektierten Wiedergabe der Tatverdachtsbegründung in der Anklageschrift (ON 13), die wiederum auf polizeiinternen Revisionsberichten beruht, wobei zu den einzelnen 110 Fakten - von einer kurzen Zusammenfassung hervorstechender Mängel abgesehen (US 32 ff) - keine Konstatierungen getroffen wurden, sondern lediglich auf den Urteilsspruch verwiesen wurde (US 35). Diese kursorischen Feststellungen vermögen aber den Schuldspruch nicht zu tragen (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 580, weil der Urteilsspruch den Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen nur zu verdeutlichen, nicht aber zu ersetzen vermag). Fallbezogen erfordert ein Schuldspruch wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt die (formell fehlerfrei begründeten) Feststellungen, dass der Beamte wider besseres Wissen gegen eine bestimmte Verfahrensvorschrift verstoßen und er es darüber hinaus ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat, das Verfahren werde infolge der Gesetzesverletzung mit einer unrichtigen Entscheidung enden (Bertel WK2 § 302 Rz 99; in diesem Sinne auch 13 Os 84/93, in welchem Fall der Angeklagte die Unbescholtenheit der jeweiligen Beschuldigten seiner Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren zugrundegelegt hat, obwohl ihm die Unrichtigkeit des diesbezüglichen Parteienvorbringens bekannt war, und er auf dieser Grundlage jeweils unvertretbare Entscheidungen gefällt hat).

Solche Konstatierungen müssen in jedem einzelnen Fall eingehend begründet werden, zumal das vom Erstgericht angenommene Motiv der Arbeitsersparnis bzw Arbeitserleichterung (US 35) typischerweise bloß Fahrlässigkeit, nicht aber einen Schädigungsvorsatz indiziert (vgl hiezu illustrativ Faktum 5. mit dem Vorwurf, "ein in keiner Weise den gesetzlichen Erfordernissen entsprechendes und mit sinnstörenden Fehlern behaftetes Erkenntnis vor Abfertigung nicht überprüft und einer Korrektur unterworfen zu haben"; oder Faktum 33. mit dem Tenor, "ohne nachvollziehbare Begründung das ursprünglich gewählte Strafmaß von 4.000 S auf 1.400 S im Straferkenntnis reduziert zu haben"). Der vom Nichtigkeitswerber zu Recht aufgezeigte Rechtsfehler zwingt den Obersten Gerichtshof zur Kassierung des angefochtenen Urteils und zum Auftrag der Verfahrenserneuerung in erster Instanz, weil sich zeigt, das die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat (§ 285e StPO). Eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdeausführungen bedarf es daher nicht mehr. Nur der Vollständigkeit halber sei angeführt, dass sich die Verfahrensrüge (Z 4) zutreffend gegen die (auch im Urteil nicht näher erörterte) Abweisung des Antrags auf Vernehmung mehrerer Zeugen zu den Usancen der Aktenbearbeitung wendet, weil nicht auszuschließen ist, dass hiedurch Aufschlüsse zur subjektiven Tatseite gewonnen werden können.

Rechtssätze
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