JudikaturJustiz14Os70/18b

14Os70/18b – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. August 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Strafsache gegen Werner R***** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 4 Hv 62/17f des Landesgerichts Wels, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 18. Oktober 2017, GZ 4 Hv 62/17f 17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, und des Verurteilten Werner R***** zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. Oktober 2017, GZ 4 Hv 62/17f 17, verletzt im Schuldspruch 2./ § 136 Abs 1 und Abs 4 StGB.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch 2./, demzufolge auch im Strafausspruch sowie – mit Ausnahme des Zuspruchs eines Betrags von 297,20 Euro an die Privatbeteiligte L***** GmbH – im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Werner R***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 10. Juli 2017 ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert sich oder einem Dritten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, und zwar das von seiner Dienstgeberin L***** GmbH anvertraute Fahrzeug der Marke Mercedes Benz Vito, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm weiter zur Last liegende Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (Schuldspruch 1./) wird R***** nach dieser Bestimmung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 4 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen verurteilt.

Gemäß § 43a Abs 1 StGB wird die Hälfte der Geldstrafe (30 Tagessätze zu je 4 Euro) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Gemäß § 366 Abs 1 und Abs 2 StPO wird die Privatbeteiligte L***** GmbH mit ihren den Betrag von 297,20 Euro übersteigenden Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts Wels vom 18. Oktober 2017, GZ 4 Hv 62/17f 17, wurde Werner R***** je eines Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 StGB (1./) und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 4 Euro, für den Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitstrafe von 50 Tagen verurteilt.

Danach hat er am 10. Juli 2017 in W***** und an anderen Orten

1./ sich ein ihm anvertrautes Gut, nämlich im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit inkassierte Geldbeträge von 297,20 Euro sowie 150 Euro Wechselgeld mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet;

2./ ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich das von seiner Dienstgeberin L***** GmbH anvertraute Fahrzeug der Marke Mercedes Benz Vito mit dem amtlichen Kennzeichen N*****, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch genommen, indem er damit „unberechtigt“ nach Deutschland fuhr.

Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde R***** (ohne Setzung einer Leistungsfrist, vgl aber RIS-Justiz RS0126774) zur Zahlung von 1.377,75 Euro an die Privatbeteiligte L***** GmbH verpflichtet, die gemäß § 366 Abs 2 StPO mit ihren darüber hinausgehenden (im Urteil nicht differenzierten) Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde.

Nach den Urteilsannahmen zum Schuldspruch 2./ (US 2 f) trat R***** am 4. Juli 2017 in ein Dienstverhältnis mit der L***** GmbH ein, dessen Inhalt die Durchführung von Zustellfahrten für eine Supermarktkette war. Am 5. Juli 2017 wurde ihm ein PKW Mercedes Benz Vito übergeben, dessen verfügungsbefugte Halterin die L***** GmbH war. Mit diesem Fahrzeug sollte er die Zustellungen im Auftrag seiner Dienstgeberin durchführen. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem Angeklagten im Zuge der Einschulung mitgeteilt wurde, dass seitens der Dienstgeberin kein Einwand dagegen bestehen würde, dass er zusätzlich zu den jedenfalls zulässigen Fahrten zu seinem Wohnsitz nach Ende des Arbeitstages noch kleinere Umwege, allenfalls auch längere Fahrten im Raum von Oberösterreich, mache“. Ihm wurde „jedoch jedenfalls mitgeteilt, dass er Fahrten außerhalb des Bundeslandes und außerhalb des Bundesgebietes nicht unternehmen“ dürfe. Am 10. Juli 2017 fuhr er mit dem genannten Fahrzeug nach Deutschland, wo er noch am selben Tag angehalten und das Fahrzeug sichergestellt wurde. R***** wusste, dass ihm das Fahrzeug anvertraut worden und er nicht berechtigt war, „die Fahrt nach Deutschland mit dem Dienstfahrzeug anzutreten“. „Er hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, durch die Fahrt ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch zu nehmen.“ Einen Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz konnte das Gericht nicht feststellen.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil steht im Umfang des Schuldspruchs 2./ – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt –  mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Wer ein zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtetes Fahrzeug ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nimmt (§ 136 Abs 1 StGB) ist (unter anderem) nicht zu bestrafen, wenn ihm das Fahrzeug von seinem dazu berechtigten Dienstgeber anvertraut war (§ 136 Abs 4 erster Satz zweiter Fall StGB).

Anvertrauen meint in diesem Zusammenhang die Erteilung einer generellen Fahrerlaubnis, mag sie auch bestimmten Einschränkungen unterliegen, nicht aber die bloß fallweise oder vorübergehende, einem einzelnen Auftrag oder bestimmten Zweck dienende Überlassung eines Fahrzeugs (12 Os 135/85, 11 Os 24/86, 12 Os 162/74 [= SSt 46/7]; Salimi in WK² StGB § 136 Rz 122, 125; Stricker , SbgK § 136 Rz 113 f).

Besteht die Arbeitspflicht des Dienstnehmers im Lenken eines Fahrzeugs, das ihm vom – nicht bloß vorübergehend (vgl Salimi in WK² StGB § 136 Rz 122, 124) –verfügungsberechtigten Dienstgeber übergeben wurde, so ist es in der Regel anvertraut (vgl Fabrizy , StGB 12 § 136 Rz 10).

Überschreitet der Dienstnehmer eine ihm erteilte Fahrerlaubnis, so bleibt er jedenfalls (also selbst bei erheblichen Gebrauchsüberschreitungen) straffrei und muss (nur) mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen (sogenanntes „Dienstnehmerprivileg“; vgl dazu 11 Os 24/86; Salimi in WK² StGB § 136 Rz 123; Stricker, SbgK § 136 Rz 113; Kienapfel/Schmoller, BT II² § 136 Rz 53 ff).

Im gegenständlichen Fall hat das Landesgericht Wels Feststellungen getroffen, die ein Vertrauensverhältnis iSd § 136 Abs 4 erster Satz letzter Fall StGB tragen. Denn dass die L***** GmbH Fahrten außerhalb des Bundeslandes und außerhalb des Bundesgebiets untersagt hat (US 2 f), steht – nach dem zuvor Gesagten – dieser Annahme nicht entgegen. Bei (allenfalls konkludenter) Zustimmung des Dienstgebers auch zu solchen Fahrten läge ohnehin ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor ( Salimi in WK² StGB § 136 Rz 28; Stricker , SbgK § 136 Rz 53).

Indem das Landesgericht Wels den Strafausschließungsgrund nach § 136 Abs 4 erster Satz letzter Fall StGB nicht angewendet hat, verletzt das Urteil im Schuldspruch 2./ § 136 Abs 1 und Abs 4 StGB.

Die aufgezeigte Gesetzesverletzung wirkt zum Nachteil des Verurteilten. Der Oberste Gerichtshof sah sich veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO). Anzumerken ist in diesem Zusammenhang (§ 292 erster Satz iVm § 289 StPO), dass ein diversionelles Vorgehen zu 1./ nicht geboten war, weil der Gefahr der Begehung weiterer Straftaten durch R***** – im Hinblick auf seine Delinquenz kurz nach einer vorangegangenen Verfahrenseinstellung nach dem 11. Hauptstück der StPO (vgl Schroll , WK StPO § 198 Rz 39 mwN) – nicht ausreichend begegnet wurde.

Bei der Strafneubemessung war kein Umstand erschwerend, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel zu werten. Davon ausgehend war unter Berücksichtigung der Täterpersönlichkeit eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen tat- und schuldangemessen, wobei die Höhe der Tagessätze neuerlich mit dem gesetzlichen Mindestmaß anzusetzen war. Mit Blick auf die Art der Tat und die Person des Rechtsbrechers stehen weder spezial- noch generalpräventive Gründe einer bedingten Nachsicht der Hälfte der verhängten Geldstrafe entgegen.

Der (neuerliche) Verweis der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg hinsichtlich des aufgehobenen Teils des Adhäsionserkenntnisses resultiert aus dem Freispruch und (soweit er den verbleibenden Schuldspruch 1./ betrifft) aus dem Fehlen einer ausreichenden Entscheidungsgrundlage betreffend die übrigen von der Privatbeteiligten erhobenen Ansprüche.