JudikaturJustiz14Os49/17p

14Os49/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
05. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. September 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wukovits, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Stephan W***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 12. Jänner 2017, GZ 34 Hv 61/16g 34, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Stephan W***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. Februar 2016 in F ***** Johannes P***** absichtlich eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) zuzufügen versucht, indem er ihm ein abgebrochenes Limonadenglas in den Hals stach, wodurch der Genannte Verletzungen in Form von vier Stichwunden im Kinn- und Halsbereich erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem der Sache nach erhobenen Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum objektiven Geschehensablauf entspricht deren Ableitung aus einer vernetzten Betrachtung einer Reihe von Verfahrensergebnissen, insbesonders aus den Aussagen der Zeugen Christoph K*****, Matthias N***** und Leonhard T***** (US 8 ff), sowohl den Gesetzen logischen Denkens als auch grundlegenden Erfahrungssätzen und ist daher unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden

(RIS-Justiz RS0108609).

Gleiches gilt für den vom Erstgericht gezogenen Schluss vom gezeigten Täterverhalten (hier: eines gezielten Stichs mit einem abgeschlagenen Limonadenglas gegen den Hals des Opfers) auf ein diesem zugrunde liegendes Wissen und Wollen (hier auf die Absicht des Täters, das Opfer schwer zu verletzen; US 17), der nicht nur vertretbar, sondern bei einem (wie hier) leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist (RIS-Justiz

RS0116882 [T1, T3], RS0098671 [T5]).

Mit dem Hinweis darauf, dass keiner der vernommenen Zeugen den eigentlichen Stich in den Hals des Opfers wahrnehmen konnte, womit es „keinen Beweis für diese Feststellung“ gebe, wird einerseits verkannt, dass eine zwingende Begründung nicht erforderlich ist, sondern – wenn sie wie hier logisch, somit vertretbar sind – auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen, und andererseits übersehen, dass auch

Indizienbeweise zulässig sind ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 449, 452; RIS Justiz RS0098471, RS0098249 [T2]).

Dass die Überlegungen der Tatrichter den Beschwerdeführer nicht überzeugen oder aus den aufgenommenen Beweisen auch andere, für ihn günstigere Schlüsse als jene des Erstgerichts möglich gewesen wären, stellt einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 vierter Fall nicht her ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 444 ff; für viele: RIS Justiz RS0099455).

Mit der Berufung auf den

Zweifelsgrundsatz (in dubio pro reo) wird ebenfalls keiner der von der Z 5 bezeichneten Fehler behauptet (RIS Justiz RS0117445).

Welche konkreten „wesentlichen – ausschließlich für den Angeklagten sprechenden – Beweisergebnisse“ unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) „im Urteil nicht verwertet“ wurden, sagt die Rüge nicht und entzieht sich daher einer inhaltlichen Erwiderung.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) liegt nur bei erheblich unrichtiger Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen vor. Ein solches Fehlzitat spricht die Beschwerde gar nicht an. Aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus (zum Ganzen vgl RIS Justiz RS0099431 [insb T15, T16]).

Indem die

Tatsachenrüge (Z 5a) bloß Argumente der Mängelrüge

wiederholt und abermals auf den

Zweifelsgrundsatz (§ 14 zweiter Halbsatz StPO) hinweist, weckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen, sondern bekämpft bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung

(vgl auch

RIS-Justiz RS0102162).

Gleiches gilt für den Vorwurf, das Erstgericht habe die – nach dem Beschwerdevorbringen nicht im Widerspruch zu den Depositionen der oben genannten Belastungszeugen stehenden – Angaben mehrerer Zeugen und die Verantwortung des Angeklagten „als unglaubwürdig abgetan, ohne hiefür eine brauchbare und nachvollziehbare Begründung zu liefern“, mit dem sich die Beschwerde nicht auf eine entscheidende Tatsache bezieht ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 431 ff).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst zunächst „ordentliche Feststellungen“ zur Absicht des Angeklagten, das Opfer schwer zu verletzen, räumt aber sodann ein, dass das Erstgericht eine entsprechende Konstatierung getroffen hat und erschöpft sich in weiterer Folge erneut in einer Wiederholung des – unzutreffenden – Vorwurfs offenbar unzureichender Begründung dieser Urteilsannahme und in Spekulationen zu einer denkmöglichen anderen Täterintention. Solcherart entwickelt sie den Einwand eines Rechtsfehlers nicht auf Basis des Urteilssachverhalts (RIS Justiz RS0099810).

Die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b) kritisiert, dass sich das Erstgericht „weder mit der Frage der irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts nach § 8 StGB noch der Notwehr nach § 3 Abs 1 StGB entsprechend befasst“ habe. Sie orientiert sich damit einerseits erneut nicht an der Gesamtheit der – das Vorliegen einer Notwehrsituation verneinenden – Entscheidungsgründe (US 17) und unterlässt andererseits einen – für die gesetzmäßige Darstellung eines Feststellungsmangels zu einem Ausnahmesatz (hier: von Putativnotwehr) indes erforderlichen – Hinweis auf einen solchen indizierende Verfahrensergebnisse (RIS Justiz RS0118580; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 602).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 285a Abs 1 Z 2 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.