JudikaturJustiz14Os47/96

14Os47/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
04. April 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. E.Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Waldner als Schriftführer, in der beim Landesgericht Klagenfurt zum AZ 16 EVr 1996/95 anhängigen Strafsache gegen Francesco Maria G***** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 3 und Abs 4 zweiter Satz StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Francesco Maria G***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 16. Februar 1996, AZ 10 Bs 57/96 (= ON 34), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Francesco Maria G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Nach Einleitung der Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs 1 und Abs 3 StGB (S 2) befindet sich der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhafte italienische Staatsangehörige Francesco Maria G***** seit dem 8. Dezember 1995 aus dem derzeit allein aktuellen Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StPO in Untersuchungshaft.

In dem am 30. Dezember 1995 erhobenen Strafantrag (ON 13) wird dem Beschuldigten, ersichtlich unter Heranziehung der bis zum Geldwäschereigesetz, BGBl 1993/527, geltenden Fassung des § 164 StGB, zur Last gelegt, das "Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 1 Z 2, Abs 2 und Abs 3 (dritter Fall) StGB" (aF) dadurch begangen zu haben, daß er am 6. Dezember 1995 in Lavamünd einen im Strafantrag näher beschriebenen PKW im Wert von mindestens 166.850 S, den andere durch ein Verbrechen gegen fremdes Vermögen, nämlich durch Diebstahl durch Einbruch am 21. Juni 1995 zum Nachteil der F***** in Mailand erlangt hatten, an sich gebracht habe, wobei eine Sache, deren Wert 25.000 S übersteigt, verhehlt wurde, und die mit Strafe bedrohte Handlung, wodurch sie erlangt worden ist, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre übersteigt, und dem Hehler die Umstände bekannt waren, die diese Strafdrohung begründen.

In der Hauptverhandlung vom 15. Jänner 1996 wurde der Strafantrag handschriftlich vom Verhandlungsrichter (entgegen einer anderslautenden Ankündigung der Staatsanwaltschaft: S 3 a verso) durch Einfügen der Wortfolge "weiterer derzeit nicht bekannter Tatorte" sowie insoweit ergänzt, als dem Beschuldigten neben dem "an sich bringen" nunmehr auch "verheimlichen und verhandeln" vorgeworfen wird, somit Tathandlungen, die ebenfalls der nicht mehr in Geltung stehenden Diktion des § 164 StGB aF (Abs 1 Z 2) entnommen sind. Die rechtliche Subsumtion wurde im Strafantrag auf Verbrechen der Hehlerei nach "§ 164 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 zweiter Satz StGB" geändert (S 103, 105), während die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles den Strafantrag (nur) dadurch "modifizierte", daß sie die angeklagte Tat dem Tatbestand "des § 164 Abs 2, 3 und 4 (3. Fall) StGB" unterstellte (S 123).

Der Beschuldigte, der sich noch in einem Schriftsatz vom 21. Dezember 1995 (ON 12) des Vergehens der Hehlerei nach "§ 164 Abs 1 und Abs 2, nicht aber nach Abs 3 StGB" (aF) schuldig bekannt hatte, bestritt den Tatvorwurf in der Hauptverhandlung und brachte sinngemäß vor, den PKW in Italien gutgläubig erworben und in Deutschland ordnungsgemäß angemeldet zu haben. Im übrigen mangle es für die Zuständigkeit österreichischer Gerichte zur Strafverfolgung an einem Inlandsbezug, da er den PKW selbst bei Unterstellung seiner Schlechtgläubigkeit jedenfalls im Ausland an sich gebracht habe, dieses Ansichbringen jedoch kein Dauerdelikt darstelle und er in Österreich nichts verheimlicht habe.

Dazu vertrat die Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft die Auffassung, die inländische Zuständigkeit sei deshalb gegeben, "weil der Beschuldigte die Sache nicht im Sinne des § 164 Abs 1 StGB verheimlicht", sondern im Sinne des § 164 Abs 2 StGB an sich gebracht habe, "indem er die Sache in sein Eigentum übernommen hat" (S 125).

Nach Durchführung der Beschuldigten- vernehmung und Einvernahme eines Zeugen vertagte der Verhandlungsrichter die Hauptverhandlung zur weiteren Beweisaufnahme und wies den auf die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit gestützten Enthaftungsantrag des Beschuldigten ab (ON 17 a).

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 16. Februar 1996, AZ 10 Bs 57/96 (= 16 EVr 1996/95-34), keine Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, der zwar nicht den Haftgrund der Fluchtgefahr, wohl aber die Dringlichkeit des Tatverdachtes aus rechtlichen Gründen bestreitet, ohne die dazu vom Gerichtshof angestellten Erwägungen tatsächlicher Art in Zweifel zu ziehen. Der Beschwerdeauffassung zufolge stelle nämlich die kurzfristige Durchfuhr eines PKW "durch ein Teilstück von Österreich" weder eine Verwertungs- noch eine Verheimlichungshandlung dar, weshalb fremdnützige Hehlerei im Sinne des § 164 Abs 1 StGB ausscheide. Für die Annahme eigennütziger Hehlerei (§ 164 Abs 2 StGB) seien aber die Voraussetzungen für die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben, weil die Tat in diesem Falle jedenfalls im Ausland begangen und vollendet worden wäre und deren Verfolgung im Inland mangels Durchführung eines hiefür nach § 65 Abs 1 Z 2 StGB erforderlichen Auslieferungsverfahrens nicht zulässig sei.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu:

Das Oberlandesgericht Graz hat unter Beachtung aller bisher vorliegenden Beweisergebnisse mit insoweit überzeugender und von der Beschwerde unwidersprochen gebliebener Argumentation, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, dargestellt, weshalb das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begründet, er habe an der Verwertung des im Ausland gestohlenen PKW mitgewirkt. Zu dieser Annahme des Tatverdachtes fremdnütziger Hehlerei nach § 164 Abs 1 StGB konnte das Oberlandesgericht ohne Überschreitung der durch den Strafantrag gezogenen Grenzen der Anklage gelangen, die ersichtlich nur auf die Begehungsformen der eigennützigen Hehlerei im Sinne des § 164 Abs 2 StGB abstellt. Weil Gegenstand der Anklage die Beteiligung des Täters an einer bestimmten ("identen") Tat als einem historischen Geschehen ist, aus dem nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein strafbarer Erfolg hervorgegangen sei, ist das Gericht nur an diesen in der Anklage individualisierten Vorfall gebunden, hat ihn aber ohne Rücksicht auf die dort allenfalls vorgenommene Konkretisierung nach allen Begleitumständen sowie nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu erforschen und dem Gesetz zu unterstellen, das bei richtiger Auslegung darauf anzuwenden ist.

Vorliegendenfalls ist ungeachtet der selbst im "modifizierten" Strafantrag noch unklaren Bezeichnung der inkriminierten Tathandlungen Gegenstand des Anklagevorwurfes jedenfalls die Durchfuhr eines im Ausland gestohlenen PKW durch Österreich, deren rechtliche Bewertung durch die Anklagebehörde für das Gericht nicht bindend ist.

Ausgehend von dem daher berechtigt und zutreffend angenommenen Tatverdacht der Hehlerei durch Verwerten im Sinne des § 164 Abs 1 StGB stellt die Durchfuhr des PKW durch Österreich, wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführte, allenfalls einen Teil der Verwertung dar. Wurden aber Deliktshandlungen teils im Inland, teils im Ausland begangen, so ermöglicht es jede im Inland gelegene Phase des als rechtliche Einheit zu wertenden Gesamtgeschehens, den Täter auch für den im Ausland liegenden Teil der Tat im Inland zu bestrafen (§ 67 Abs 2 StGB; JBl 1987, 463).

Der Einwand des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit geht somit derzeit schon aus diesem Grund ins Leere, weshalb sich eine Erörterung der weiteren, nur für den Fall der Verneinung der Tatbestandsmäßigkeit des vom Angeklagten als Verwertungshandlung unternommenen PKW-Transportes durch Österreich relevanten Beschwerdeeinwendungen erübrigt. Damit wurde aber, weil der dringende Tatverdacht der laut Strafantrag verbrechensqualifizierten Hehlerei in tatsächlicher Hinsicht nicht in Frage gestellt wurde, und zwar auch nicht in bezug auf die unter Anklage gestellten Qualifikationsmerkmale, und der Haftgrund der Fluchtgefahr unbestritten ist, Francesco Maria G***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Seine Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.