JudikaturJustiz14Os43/20k

14Os43/20k – OGH Entscheidung

Entscheidung
09. Juni 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Juni 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter, LL.M., LL.M., BSc, in der Strafsache gegen ***** P***** wegen der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 18. Juni 2019, GZ 38 Hv 52/19t 31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde A***** P***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung (zu I./) nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242, (zu II./) nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 sowie (zu III./) nach § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2013/116, zu II./3./ auch nach § 15 StGB, weiters mehrerer Vergehen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung nach § 205a Abs 1 erster Fall StGB (IV./), mehrerer Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und (zu V./2./ und 3./ auch) Z 3 StGB (V./) sowie des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (VI./) schuldig erkannt.

Danach hat er in I*****

I./–III./ seine Ehefrau ***** P***** (zu I./:) von 2000 bis 30. April 2004, (zu II./:) von 1. Mai 2004 bis 31. Juli 2013 und (zu III./:) von 1. August 2013 bis Mitte 2016 jeweils zumindest einmal pro Monat (zu I./ außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242) mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) zur Duldung des Beischlafs genötigt und zu nötigen versucht (II./3./), indem er ihr jeweils Schläge gegen den Körper versetzte, sie würgte oder ihr Schläge ankündigte, wobei er teilweise mit einem Gürtel herumschlug, in einem Fall äußerte: „Schlaf mit mir oder ich werde es dir zeigen“, und dabei versuchte, sie mit einem Gürtel zu schlagen (II./2./), ihr in einem weiteren Fall mit einem Nudelholz Schläge gegen den Körper versetzte (II./3./) und jeweils gegen ihren Willen und trotz ihrer Gegenwehr unter Festhalten ihrer Hände und Fixieren ihres Körpers den vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vollzog und zu vollziehen versuchte;

IV./ von 1. Jänner 2016 bis Mitte 2016 in wiederholten Angriffen (außer den zu III./ angeführten Taten) mit ***** P***** gegen deren erkennbaren Willen den Beischlaf vorgenommen;

V./ ***** P***** durch gefährliche Drohung teils mit einer Brandstiftung (1./), teils mit dem Tod (2./ und 3./) zu Unterlassungen, die besonders wichtige Interessen der Genötigten, nämlich deren autonome Lebensführung, verletzen sollten (2./ und 3./), sowie zu einer Handlung (1./) zu nötigen versucht, und zwar

1./ Anfang März 2019 durch die Übermittlung der Nachricht: „Entweder du kommst jetzt oder ich brenne das Geschäftslokal nieder“, zur (örtlichen) Rückkehr zu ihm;

2./ am 13. März 2019 durch die Äußerung: „Wenn du dich scheiden lässt, bring ich dich um, ich vernichte dich, entweder gehörst du mir oder ins Grab“, zur Abstandnahme von der Auflösung der Ehegemeinschaft;

3./ von 2017 bis März 2019 in wiederholten Angriffen durch die Äußerung: „Wenn du mich verlässt, bring ich dich um“, zur Abstandnahme von der Auflösung der Ehegemeinschaft;

VI./ ***** P***** am 12. März 2019 durch die Äußerung: „Ich werde dich umbringen“, wobei er ihr zur Untermauerung der Ankündigung ins Gesicht griff und zudrückte, gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe (zu ergänzen: vor einer Verletzung am Körper) zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a, b, und c, 10 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte unter einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung leidet, die es verhindert, dass er das Unrecht seiner Tat einsieht“ (ON 30 S 12), Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Denn mit dem bloßen Hinweis darauf, dass die Zeugin ***** P***** die Wutausbrüche des Beschwerdeführers im Rahmen ihrer kontradiktorischen Vernehmung „als krank bezeichnet hat“ (ON 30 S 12), ließ der Antrag nicht erkennen, warum die beantragte Beweisaufnahme

das behauptete Ergebnis (konkret: Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten während des Tatzeitraums) erwarten lasse.

Mit Blick auf die – im für die Beurteilung maßgeblichen Antragszeitpunkt – vorliegenden Verfahrensergebnisse zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers (ON 20; vgl auch US 10 f), auf die der Antragsteller in der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden auch hingewiesen wurde, ohne dass ein ergänzendes Vorbringen erstattet worden wäre (erneut ON 30 S 12), war die Tauglichkeit der Beweisführung für das Schöffengericht auch nicht ohne weiteres erkennbar. Das Begehren zielte damit auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung ab ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 330).

Die zur Antragsfundierung

im Rechtsmittel nachgetragenen Ausführungen unterliegen dem Neuerungsverbot und sind daher unbeachtlich (RIS-Justiz RS0099618).

Das undifferenziert auf „Z 5 und Z 5a“ gestützte Vorbringen zu den Schuldsprüchen zu V./ und VI./ lässt zunächst den wesensmäßigen Unterschied der einzelnen Nichtigkeitsgründe außer Acht (RIS-Justiz

RS0115902).

Mit dem Hinweis auf die Aussage des Zeugen ***** Y*****, er habe über die inkriminierten Äußerungen des Angeklagten lachen müssen (ON 3 S 25 ff), werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen nicht geweckt. Entgegen dem Beschwerdestandpunkt kommt es nämlich für die vorgenommene Subsumtion nach §§ 105 f und 107 StGB nicht darauf an, ob der Bedrohte oder gar ein Dritter die ausgesprochene Drohung als solche ernst nahm ( Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 61 mwN und § 107 Rz 5), womit das Vorbringen – mangels Erheblichkeit des angeführten Verfahrensergebnisses – auch unter dem angesprochenen Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) unberechtigt ist (RIS-Justiz RS0118316).

Die leugnende Verantwortung des Angeklagten blieb – dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) zuwider – nicht unberücksichtigt; sie wurde vielmehr als unglaubwürdig und durch die Aussage des Tatopfers widerlegt angesehen (vgl erneut US 13).

Soweit die Beschwerde Bedenken im Sinn der Z 5a gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem angeblichen Fehlen einer diesbezüglichen Begründung (vgl aber US 13 sowie RIS-Justiz RS0116882) ableitet, verfehlt sie den gebotenen Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial (RIS-Justiz RS0117961).

Inwiefern den dazu getroffenen Feststellungen (US 9 f) – trotz der detaillierten Darstellung der Tathandlungen – der Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS Justiz RS0119090) und welche darüber hinausgehenden Konstatierungen in subjektiver Hinsicht für die Beurteilung des Täterverhaltens als schwere Nötigung und gefährliche Drohung erforderlich gewesen wären, erklärt die Beschwerde nicht. Solcherart verfehlt sie auch unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Ausrichtung am Verfahrensrecht (RIS-Justiz RS0116569,

RS0118415).

Gleiches gilt für die unbegründete Behauptung, für die Erfüllung der Tatbestände hätte es einer – nach dem Urteilssachverhalt nicht geäußerten – Drohung mit „gegenwärtiger“ („unmittelbarer“) Gefahr für Leib oder Leben bedurft (vgl aber RIS Justiz RS0116565; vgl dazu im Übrigen RS0092687, RS0092676).

Mit der unter Verweis auf das Vorbringen der Verfahrensrüge (vgl aber erneut RIS-Justiz RS0115902) erhobenen Kritik am Unterbleiben einer Überprüfung der Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers trotz „derartigen Vorbringens der Verteidigung“ (nominell Z 9 lit b) wird ein materiell rechtlicher Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0099810; vgl auch RS0115823). Aus welchem Grund die Konstatierungen, nach denen die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben, sondern – seit einer Operation im Jahr 2016 – bloß geringfügig eingeschränkt war (US 11, 16), zur Beurteilung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Voraussetzungen des § 11 StGB „nicht ausreichen“ sollen, legt die Beschwerde nicht dar.

Schließlich wird mit der Behauptung, aus der Gesamtbetrachtung des bekämpften Urteils ergebe sich überdies, dass das Erstgericht entgegen dem Grundsatz „in dubio pro reo“ geurteilt habe, keine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0102162,

RS0098325, RS0098336, RS0098483).

Die nominell auch nach § 281 Abs 1 Z 9 lit c StPO erhobene Rechtsrüge sowie die Subsumtionsrüge wurden nicht ausgeführt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
6
  • RS0118415OGH Rechtssatz

    08. November 2023·3 Entscheidungen

    Von Feststellungsmängeln abgesehen, liegen die Nichtigkeitsgründe der Z 9 und 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, wenn angesichts der im angefochtenen Urteil festgestellten Tatsachen zu Unrecht ein Schuld- oder Freispruch ergangen ist (Z 9 lit a bis c) oder die festgestellten Tatsachen zwar zu Recht einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert wurden, aber bei der Subsumtion Fehler unterlaufen sind (Z 10). Mit diesen Rechtsfragen können zur Anfechtung des Urteils Berechtigte den Obersten Gerichtshof befassen. Da die §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO vom Beschwerdeführer verlangen, die Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, also darzulegen, warum das Erstgericht zu Unrecht freigesprochen oder die festgestellten Tatsachen einem Tatbestand des materiellen Strafrechts subsumiert oder nicht subsumiert hat, also aufzuzeigen, warum das Gesetz unrichtig angewendet wurde, die bloße (= substratlose) Behauptung, der Angeklagte sei nicht oder nicht im Sinn der angezogenen Gesetzesstellen schuldig, aber nicht erkennen lässt, welchen konkreten Rechtsfehler der Beschwerdeführer geltend machen will und damit einer inhaltlichen Erörterung nicht zugänglich ist, sollen derartige Rügen, um kostenaufwändige Gerichtstage zu vermeiden, bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen werden können. Verzichtet der Beschwerdeführer auf methodengerechte Argumentation (vgl §§ 6 f ABGB, § 1 StGB) zugunsten bloßer (Rechts-)Behauptungen, können diese zwar zu amtswegigem Einschreiten des Obersten Gerichtshofes nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO zugunsten des Angeklagten - dann nämlich, wenn die Behauptung im Ergebnis zutrifft -, nicht aber zum Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde führen, sodass sich eine Behandlung im Gerichtstag erübrigt.