JudikaturJustiz14Os35/22m

14Os35/22m – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. April 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2022 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Wagner in der Strafsache gegen * P* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten * S* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 1. Februar 2022, GZ 12 Hv 128/21v 87, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten S* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit hier von Bedeutung – * S* mehrerer Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 dritter Fall SMG (III/A) sowie jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (III/B) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (III/C) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er

III/ in V* und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge

A/ von September 2020 bis Juni 2021 mit dem Vorsatz befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er (den Mitangeklagten) * P* in sieben Fahrten nach Ankauf von jeweils zumindest 100 Gramm Heroin (10,19 Gramm Heroinbase Reinsubstanz) mit dem Pkw von Treffen mit Suchtgift-Kurieren zurück in die gemeinsame Wohnung chauffierte;

B/ von September 2020 bis Ende Juli 2021 anderen überlassen, indem er P* durchschnittlich etwa viermal pro Woche mit einem Pkw zu Verkaufstreffen chauffierte, solcherart zu dessen Suchtgiftverkäufen (Punkt I/A/2) beitrug (§ 12 dritter Fall StGB), wobei sich sein Beitrag kausal auf das Überlassen einer das 25 Fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von insgesamt 860 Gramm Heroin (87,63 Gramm Heroin-Base Reinsubstanz) auswirkte;

C/ von September 2020 bis Februar 2021 anderen überlassen, indem er über Aufforderung des P* wiederholt insgesamt 100 Gramm Heroin (10,19 Gramm Heroin-Base Reinsubstanz) sowie unbekannte Mengen (THCA und Delta 9 THC-haltiges) Cannabiskraut und Kokain in kleinen Teilmengen unbekannten Abnehmern gegen Inkasso des Entgelts für P* verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S* ist nicht im Recht.

[4] Mit dem zu Punkt III/B des Schuldspruchs erstatteten Vorbringen kritisiert der Beschwerdeführer die Annahme eines bestimmten Reinheitsgehalts von THCA hinsichtlich des von P* (zu I/A/2 des Schuldspruchs) überlassenen Cannabiskrauts (vgl US 2 und 13), spricht damit jedoch keine entscheidende Tatsache an und verfehlt somit den gesetzlichen Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS Justiz RS0117499). Er übersieht, dass das Erstgericht die Annahme eines Überschreitens der Qualifikationsgrenze des § 28a Abs 4 Z 3 SMG hinsichtlich des Beschwerdeführers ausschließlich auf dessen Beitrag zum Überlassen von insgesamt 860 Gramm Heroin (87,63 Gramm Heroin-Base Reinsubstanz) stützte (US 15, 18 f).

[5] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[6] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[7] Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass das Urteil folgenden Subsumtionsfehler (Z 10) aufweist:

[8] § 28a Abs 4 Z 3 SMG normiert eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz, sodass bei – wie hier – gleichartiger Realkonkurrenz durch Verwirklichung jeweils desselben Tatbildes (Überlassen von Suchtgift) nur ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG begründet wird (RIS Justiz RS0117464). Dies gilt auch bei Begehung in unterschiedlichen Beteiligungsformen (11 Os 116/09g; vgl [zu § 29 StGB] RIS Justiz RS0090838; Ratz in WK 2 StGB § 29 Rz 5), weshalb der Schuldspruch wegen zwei Verbrechen des jeweils durch Überlassen von Heroin begangenen Suchtgifthandels (als sonstiger Beteiligter zu III/B und als unmittelbarer Täter zu III/C) eine unzulässige Aufspaltung der – richtig nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB zu bildenden – Subsumtionseinheit bedeutet. Da sich dieser Subsumtionsfehler nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten S* auswirkte (vgl Ratz , WK StPO § 290 Rz 24), musste er nicht von Amts wegen aufgegriffen werden (vgl § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS Justiz RS0118870 [insbesondere T2]).

[9] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[10] Mit Blick auf den die Angeklagte * W* betreffenden Schuldspruch wird darauf hingewiesen, dass Bezugspunkt des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 SMG „eine die Grenzmenge (§ 28b) übersteigende Menge“ ist. Da das Wort „übersteigend“ keine Begrenzung nach oben zulässt und das Wort „eine“ nicht als Zahlwort verstanden werden kann, ist bei Additionsvorsatz das Überlassen über die Grenzmenge hinausgehender (geringer) Suchtgiftquanten nicht gesondert § 27 Abs 1 achter Fall SMG zu subsumieren (RIS Justiz RS0131856 [T3]), woran auch die – hier getroffene – Annahme unterschiedlicher Beteiligungsformen nichts ändert. Die gleichwohl zu den Punkten II/B (§ 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) und II/C (§ 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG) vorgenommene Subsumtion war allerdings mangels eines konkreten Nachteils für diese Angeklagte nicht von Amts wegen aufzuheben.

Rechtssätze
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