JudikaturJustiz14Os175/98

14Os175/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 1999

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Riegler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz G***** wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG, AZ 18 Vr 1.174/97 des Landesgerichtes Korneuburg, über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 19. Oktober 1998, AZ 24 Bs 270/98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, des Vertreters des Masseverwalters, Dr. Riel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe:

Im Verfahren AZ 18 Vr 1.174/97 des Landesgerichtes Korneuburg erließ das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 27. August 1998, AZ 24 Bs 230/98, in Stattgebung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den eine diesbezügliche Veranlassung ablehnenden Beschluß der Ratskammer vom 7. August 1998 gemäß § 207a FinStrG folgende einstweilige Verfügung:

"Zur Sicherung des Anspruches der gefährdeten Partei Republik Österreich wider ihren Gegner Franz G***** sowie die gemäß § 28 FinStrG haftungspflichtige Sch***** Bau GesmbH auf Zahlung einer Geldstrafe, die voraussichtlich über Franz G***** als Geschäftsführer der Sch***** Bau GesmbH verhängt werden wird, wird dem Gegner der gefährdeten Partei verboten, über die Forderungen, die ihm bzw der Sch***** Bau GesmbH als Werklohn gegen die Drittschuldner

1.) Gemeinde Harmannsdorf, Kirchengasse 5,

2.) Gemeinde Sulz im Wienerwald,

Kirchenplatz 7,

3.) Gemeinde Groß-Enzersdorf, Rathausstraße 5,

4.) Gemeinde Wien, MA 28 und MA 30,

5.) Abwasserverband Schwechat, Mannswörth,

Poigenauweg 1,

6.) Abwasserverband Oberes Schwarzatal

(Gloggnitz), Gemeindeamt, Gloggnitz, Wiener Straße 85,

7.) Flughafen Wien-Schwechat,

8.) Gemeinde Alland, Hauptstraße 176,

zustehen, zu verfügen, insbesondere diese Forderungen gänzlich oder teilweise einzuziehen.

Zugleich wird an den jeweiligen Drittschuldner der Befehl gerichtet, bis auf weitere gerichtliche Anordnung das dem Gegner der gefährdeten Partei aus den oben bezeichneten Ansprüchen Geschuldete nicht zu zahlen oder sonst etwas zu unternehmen, was die Exekutionsführung auf die Geldforderung vereiteln oder erheblich erschweren könnte.

Die einstweilige Verfügung ist nicht zu vollziehen und die schon vollzogene Verfügung auf Antrag des Gegners der gefährdeten Partei aufzuheben, wenn dieser einen Betrag von S 25 Mio zu Gericht erlegt (§ 207a Abs 6 FinStrG)."

Grundlage dieser einstweiligen Verfügung war die noch nicht in Rechtskraft erwachsene Verurteilung des Franz G***** wegen der Vergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 und Abs 2 lit a FinStrG (ua) zu einer Geldstrafe von 30 Mio S; die angelastete Hinterziehung wurde vom Angeklagten diesem Schuldspruch zufolge als Geschäftsführer der Sch***** Bau GmbH bewirkt.

Über das Vermögen der genannten Gesellschaft wurde am 14. September 1998 das Konkursverfahren eröffnet.

Der Masseverwalter beantragte am 16. September 1998 die Unwirksamerklärung der einstweiligen Verfügung.

Daraufhin sprach die Ratskammer des Landesgerichtes Korneuburg mit Beschluß vom 22. September 1998 (AZ 18 Rk 21/98) aus, daß die vom Oberlandesgericht erlassene einstweilige Verfügung für den Fall der Aufhebung oder der Beendigung des Konkurses wieder in Kraft treten würde und trug dem Masseverwalter auf, "der Konkursmasse (danach) verbleibende Gelder bis zu einem Betrag von 30 Mio S bei Gericht zu hinterlegen".

Diesen Beschluß fochten der Masseverwalter, die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt mit Beschwerde an, wobei ersterer die ersatzlose Aufhebung der einstweiligen Verfügung, die beiden anderen Rechtsmittelwerber die Abweisung des Antrags des Masseverwalters anstrebten. Anklagebehörde und Finanzamt vertraten im Kernbereich übereinstimmend den Standpunkt, daß eine Aufhebung (oder Einschränkung) einer nach § 207a FinStrG erlassenen einstweiligen Verfügung nur aus den in der genannten Bestimmung taxativ aufgezählten Gründen zulässig war, zu denen die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der haftungspflichtigen Gesellschaft nicht zähle.

Das Oberlandesgericht Wien gab mit dem angefochtenen Beschluß sämtlichen Beschwerden nicht Folge, hob jedoch aus deren Anlaß gemäß § 114 Abs 4 StPO die bezeichnete Entscheidung der Ratskammer zur Gänze auf und trug der funktionell zuständigen Vorsitzenden des Schöffensenats die neuerliche Beschlußfassung auf, wobei es sich - das Erstgericht bindend - der Rechtsansicht des Masseverwalters anschloß, wonach die einstweilige Verfügung aufzuheben sei.

Diese Rechtsansicht rügt der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde als mit § 207a FinStrG nicht im Einklang stehend, weil die Voraussetzungen für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung dort taxativ genannt seien und somit nur der die Gefährdung beseitigende Erlag eines entsprechenden Geldbetrags (Abs 6) oder der Wegfall eines hinreichenden Tatverdachtes (Abs 9) als Aufhebungsgründe in Frage kämen, somit ein Rückgriff auf Bestimmungen der Exekutionsordnung unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

In § 207a Abs 6 und Abs 9 FinStrG sind bloß jene Gründe für die Aufhebung der einstweiligen Verfügung normiert, die für das Strafverfahren typische Gegenpole zu den für die Erlassung der einstweiligen Verfügung maßgeblichen Voraussetzungen des § 207a Abs 1 FinStrG (nämlich die befürchtete Gefährdung der Einbringung und das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachtes) angesehen werden. Die abschließende Regelung anderer nach Erlassung der einstweiligen Verfügung für deren Aufrechterhaltung entscheidender Änderungen der Verhältnisse ist daraus nicht ableitbar; diesbezüglich verweist Abs 3 leg cit vielmehr unmißverständlich auf die sinngemäß anzuwendenden Bestimmungen der Exekutionsordnung (§§ 378 ff EO).

Danach schaffen einstweilige Verfügungen zur Sicherung einer Geldforderung weder ein Pfand- noch sonst ein Befriedigungsrecht, sie verlieren daher mit der Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Gegners ihre Wirksamkeit, sofern - wie im vorliegenden Fall - die betroffenen Vermögensobjekte in die Masse fallen und für die Forderung auch kein gesetzliches oder richterliches Pfandrecht besteht. Die einstweiligen Verfügungen sind demzufolge im Falle der Konkurseröffnung von Amts wegen, jedenfalls aber über Antrag des Masseverwalters aufzuheben (RdW 1986, 308; Heller/Berger/Stix Komm zur EO4, 136).

Diese Rechtsfolge steht auch im Einklang mit § 58 Z 2 KO, wonach Geldstrafen wegen strafbarer Handlungen jeder Art als Konkursforderungen nicht geltend gemacht werden können. Die Folgen des strafbaren Verhaltens des Gemeinschuldners sollen nicht die Gläubiger treffen (Petschek, Das österreichische Insolvenzrecht, S 99 f). Die von Anklagebehörde und Finanzamt vertretene Rechtsauslegung würde diesem essentiellen Grundgedanken der Konkursordnung diametral entgegenlaufen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.