JudikaturJustiz14Os169/99

14Os169/99 – OGH Entscheidung

Entscheidung
01. Februar 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Februar 2000 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Mezera als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Oliver S***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 21. September 1999, GZ 6 Vr 792/99-48, sowie über dessen Beschwerde (§ 494 a Abs 4 StPO) nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Wasserbauer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Mayer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Oliver S***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, am 21. März 1999 in Graz Natascha M***** durch einen Stich mit einem Messer in das Herz vorsätzlich getötet zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht wendet der Angeklagte in seiner dagegen allein aus § 345 Abs 1 Z 6 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ein, nach seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung wären Eventualfragen nach § 76 StGB und nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB in das Fragenschema aufzunehmen gewesen.

§ 314 Abs 1 StPO verpflichtet den Schwurgerichtshof nur dann zur Stellung einer Eventualfrage, wenn die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen geeignet sind, den Sachverhalt, der den Gegenstand der Hauptfrage bildet, einem anderen - nicht mit strengerer Strafe bedrohten - Strafgesetz zu unterstellen.

Ein solches Vorbringen aber nennt die Beschwerde mit dem Hinweis auf die Verantwortung des Angeklagten, wonach der Abbruch der Beziehung durch Natascha M***** für ihn "den Zusammenbruch einer Welt bedeutet" und er "keinen Sinn mehr gesehen" habe, "etwas in seinem Hirn aussetzte" und auf die Äußerung des Sachverständigen Dr. Friedrich R*****, dass sich die Gemütsbewegung sicher nicht im Bereich eines Affektsturms bewegte, nicht.

Unter dem geltend gemachten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer auch das Unterbleiben einer Eventualfragestellung nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, die im Hinblick auf die Bestreitung eines Tötungsvorsatzes indiziert gewesen sei.

Das bloße Bestreiten des Tötungsvorsatzes enthält für sich allein noch nicht die Behauptung, mit Verletzungsvorsatz gehandelt zu haben, und verpflichtet demnach den Schwurgerichtshof auch nicht zur Stellung einer Eventualfrage in Richtung § 87 StGB, sofern nicht im Übrigen Beweisverfahren Umstände hervorgekommen sind, die eine solche Frage geboten erscheinen lassen.

Die Verantwortung des zunächst im Vorverfahren des Mordes geständigen (S 169, 211, 217/I) Angeklagten in der Hauptverhandlung blieb in Bezug auf die subjektive Tatseite widersprüchlich, weil er sich einerseits des Totschlages schuldig bekannte (S 161/III), andererseits aber (sinngemäß) einen Tötungsvorsatz in Abrede stellte (S 166, 172/III). Allein in dieser zuletzt gewählten Einlassung kann aber ein vom Beschwerdeführer bei Tatausführung vorgelegenes, bloß auf Verletzung des Tatopfers gerichtetes Vorhaben nicht abgeleitet werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren. Dabei wertete es die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen als erschwerend, mildernd berücksichtigte es hingegen das reumütige Geständnis "zumindest hinsichtlich des vorsätzlichen Tötungsdeliktes nach § 76 StGB". Außerdem widerrief es die gemäß § 46 Abs 1 StGB erfolgte bedingte Entlassung aus zwei Freiheitsstrafen betreffend einen Strafrest von drei Monaten und 23 Tagen (GZ 21 BE 532/97 des Landesgerichtes Innsbruck).

Diesen Strafausspruch bekämpft der Angeklagte mit Berufung, mit der er die Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt. Den Widerrufsbeschluss ficht er mit Beschwerde an.

Beide Rechtsmittel sind nicht begründet.

Da der Angeklagte bereits deutlich über das jugendliche Alter hinaus ist, kommt der in der Berufung reklamierten "negativen Vorbildwirkung in seiner Kindheit" nicht die Bedeutung eines besonderen Milderungsgrundes zu. Gleiches gilt für den psychischen Spannungszustand, weil die dafür ursächliche Abwendung des Opfers auf wiederholte Misshandlungen zurückzuführen ist.

Wenngleich der Vorwurf der Alkoholisierung in Kenntnis der dadurch regelmäßig hervorgerufenen Aggressionssteigerung und Brutalität (S 161/III) und die Deliktsverwirklichung innerhalb offener Probezeit nach der bedingten Entlassung aus Freiheitsstrafen keinen besonderen Erschwerungsgrund abgeben, sah sich der Oberste Gerichtshof wegen der gravierenden personalen Schuld des wiederholt vorbestraften Angeklagten zu einer Ermäßigung der Unrechtsfolge nicht bestimmt.

Die zahlreichen Vorverurteilungen und die enorme Steigerung seiner kriminellen Energie gebieten den zusätzlichen Widerruf der bedingten Entlassung (§ 53 Abs 1 StGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Rechtssätze
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