JudikaturJustiz14Os145/98

14Os145/98 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Dezember 1998

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Dezember 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmidt als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz K***** wegen der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufungen der Privatbeteiligten Regina und Angela K***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13. August 1998, GZ 5 d Vr 8.850/97-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz K***** der Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1) und der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2) sowie des Vergehens der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (3) schuldig erkannt.

Darnach hat er (in Wien)

1. im Jahr 1991 mit seiner am 20. November 1984 geborenen, somit unmündigen Tochter Angela K***** den Beischlaf unternommen;

2. von 1988 bis 1995 in wiederholten Angriffen seine unmündigen Töchter Angela und Regina K***** (letztere geboren am 20. April 1983) auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, indem er sich von ihnen oral und manuell befriedigen ließ und sie an ihren Geschlechtsteilen unsittlich berührte;

3. durch die unter Punkt 1 bezeichnete Tat mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht.

Der gegen diesen Schuldspruch aus den Gründen der Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Mit dem gegen die Vorführung der technischen Aufzeichnung der kontradiktorischen Vernehmungen der beiden Töchter des Angeklagten vorgebrachten Einwand, sie verstoße gegen § 252 Abs 1 Z 2a StPO, weil keine der beiden in der Hauptverhandlung berechtigt die Aussage verweigerte, übersieht der Angeklagte die zuvor abgegebenen schriftlichen Entschlagungserklärungen (§ 152 Abs 1 Z 2 und 2a StPO), die vom Erstgericht als ausreichend und unbedenklich beurteilt worden sind. Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, daß eine solche Erklärung nur in der Hauptverhandlung abgegeben werden darf.

Daß den Protokollen über diese Vernehmungen (ON 22 und 23), - die übrigens mangels Niederschrift des Inhalts der Aussagen unvollständig sind, weil Ton- und Bildaufnahmen (§ 162a StPO) die zwingend vorgeschriebene Protokollierung (§§ 101, 104 StPO) im Sinne des Unmittelbarkeitsgrundsatzes zwar ergänzen sollen, aber nicht ersetzen können (vgl Erl zum StPÄG 1993, 924 BlgNR 18. GP, 33) -, nicht der Verzicht auf das Entschlagungsrecht, bei Angela K***** eine diesbezügliche Erklärung auch der technischen Aufzeichnung nicht zu entnehmen ist, kann auf sich beruhen, weil sich der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht gegen die Vorführung dieses Vorerhebungsaktes verwahrt hat (S 339), sodaß ihm die Legitimation zur Beschwerde (der Sache nach Z 2) fehlt.

Durch die Ablehnung des Antrags, dem Sachverständigen Dr. F***** aufzutragen, "entsprechend dem Gerichtsauftrag selbst die Befundaufnahme durch kontradiktorische Befragung im Beisein des Gerichtes durchzuführen" (S 338 iVm S 283), wurden Verteidigungsrechte (Z 4) nicht verletzt. Denn im Antrag, der auf ein aus dem Gesetz nicht ableitbares Verbot für Sachverständige, sich bei Befundaufnahme eines Gehilfen zu bedienen, hinausläuft, wurden Mängel des in Rede stehenden Befundes im Sinn des § 125 StPO nicht behauptet.

Auch die Mängelrüge (Z 5) geht fehl.

Die Tatrichter gründeten die den Schuldspruch tragenden Tatsachenfeststellungen in erster Linie auf die als glaubwürdig beurteilten Aussagen der Töchter des Angeklagten, wobei sie ausdrücklich "einige Widersprüche" zu ihren Angaben vor der Polizei und das Fehlen einer Deflorationsverletzung berücksichtigten (US 3), ferner auf das keine Anzeichen für eine Pseudologie der Mädchen erkennende Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen.

Sie maßen aber auch den Umständen Bedeutung bei, daß Franz K***** von seiner Schwester Helene K***** dahin belastet wurde, daß er sie, ihre jüngere Schwester sowie auch ihre Tochter ebenfalls "sexuell belästigt" habe, als sie im Alter der Opfer waren, und in seiner Wohnung 43 Pornovideokassetten vorgefunden wurden, unter denen sich zwei mit sehr jungen Darstellern befanden (US 4).

Mit den Hinweisen auf die ohnedies in den Kreis der Erwägungen einbezogenen unterschiedlichen Angaben der Angela K***** zum Ausmaß der Erektion ihres Vaters anläßlich des unternommenen Beischlafs (Punkt 1) und darauf, daß der Sachverständige Dr. F***** "lediglich" zur Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Wiedergabefähigkeit Aussagen trifft, ferner mit der Spekulation, wonach das jedenfalls angenommene Einführen eines Fingers zur Defloration bei Angela K***** geführt haben müßte, und den Behauptungen, seine Schwester Helene K***** sei ihm "gehässig gesinnt", hätte Interesse an seiner Verurteilung, weil er ein Verhältnis ihres Sohnes zu seiner Tochter unterbunden habe, seine Töchter hätten "lediglich aus dem Haushalt ausbrechen" wollen, während die Zeugin R***** - der sich Angela K***** anvertraut hatte - nur Erzähltes wiedergegeben habe, ficht der Beschwerdeführer bloß die mängelfreie Beweiswürdigung nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung an.

Daß Angela K***** angab, ihrer (dies nicht glaubenden) Schwester vom Mißbrauch durch den Vater berichtet zu haben, während Regina K***** aussagte, daß sie davon nichts wußte, mußte bei der gebotenen gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht gesondert erörtert werden.

Indem die - allein gegen das Vergehen der versuchten Blutschande gerichtete - Rechtsrüge (Z 9 lit a) einerseits den auf Vollzug eines Geschlechtsverkehrs gerichteten Vorsatz (US 3 und 5) anzweifelt und andererseits mit freiwilligem Rücktritt vom Versuch dieses Vergehens (inhaltlich Z 9 lit b) spekuliert, ohne auf ein diese Annahme indizierendes Beweisergebnis hinweisen zu können, verfehlt sie die prozeßordnungsgemäße Darstellung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes.

Dies trifft - wegen des fehlenden Vergleichs des festgestellten Sachverhalts mit dem angewendeten Gesetz - auch auf den (im übrigen nicht zum Vorteil des Angeklagten erhobenen) Einwand zu, daß nach der Aussage der Angela K***** die Blutschande vollendet wäre.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.