JudikaturJustiz14Os12/88

14Os12/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 1988

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Februar 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Engelbert H*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Oktober 1987, GZ 27 a Vr 925/87-51, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB nF (Punkt 2 des Urteilssatzes), jedoch nur in Ansehung des Tatzeitraumes von Jahresmitte 1983 bis einschließlich 31.Juli 1984, sowie demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruchs gemäß § 38 StGB und des Einziehungserkenntnisses nach § 26 StGB) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Engelbert H*** wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe von Jahresmitte 1983 bis einschließlich 31.Juli 1984 in Höchst mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Gabriele D*** eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die Genannte durch Verbrauch des überwiegenden Teiles des Schandlohnes ausgebeutet und ihr die Bedingungen für die Ausübung der Unzucht dadurch vorgeschrieben, daß er sie anwies, einen von ihm im Bereich des "Bruggerloches" geschaffenen Standplatz beizubehalten und er habe hiedurch das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StGB freigesprochen.

Für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 1), das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB nF (Punkt 2) und das Vergehen nach § 36 Abs 1 Z 3 WaffenG (Punkt 3), wird Engelbert H*** nach §§ 28, 106 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält - wurde der am 18.Mai 1959 geborene beschäftigungslose Engelbert H*** (neben weiteren strafbaren Handlungen) abweichend von der insoweit auf das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB lautenden Anklage des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 StGB (in der Fassung der Strafgesetznovelle 1984, BGBl. 295) schuldig erkannt (Punkt 2 des Urteilssatzes).

Darnach hat er in der Zeit von Jahresmitte 1983 bis Ende Juni 1987 in Höchst mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht der Gabriele D*** eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, die Genannte durch Verbrauch des Überwiegenden Teiles ihres Schandlohnes ausgenützt.

Der Sache nach nur den bezeichneten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer allein auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist teilweise begründet.

Nicht zielführend ist zunächst der Beschwerdeeinwand, der Angeklagte habe das Tatbestandsmerkmal der Ausbeutung nicht verwirklicht. Die Beschwerde übersieht nämlich dabei, daß der vom Erstgericht - abweichend von der Anklage - als erfüllt angesehene Tatbestand des § 216 Abs 1 StGB nF im Gegensatz zu § 216 StGB aF (und zum ersten Fall des zweiten Absatzes des § 216 StGB nF) nicht Ausbeutung sondern nur Ausnützung der Prostituierten (mit dem Vorsatz, sich aus deren gewerbsmäßiger Unzucht eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen) voraussetzt. Unter Ausnützung aber ist bereits Schmarotzertum im Vorfeld der Ausbeutung, nämlich die Annahme materieller Vorteile von einer Prostituierten (sofern sie über trinkgeldartige Einnahmen hinausgehen) zu verstehen, denen keine entsprechenden Gegenleistungen des Nehmers gegenüberstehen oder die sonst Interessen der Prostituierten verletzen oder beeinträchtigen (Leukauf-Steininger Kommentar2, Ergänzungsheft 1985, § 216 StGB, RN 6 a; ÖJZ-LSK 1986/3; 11 Os 109/85, 13 Os 72/87). Den Urteilsannahmen zufolge hat der Angeklagte im hier aktuellen Deliktszeitraum, in welchem er keiner geregelten Beschäftigung nachging, unter der Woche eher selten arbeitete, allerdings gelegentlich Schwarzarbeiten (Autoreparaturen und Aushilfsarbeiten als Metzger) an den Wochenenden verrichtete und hieraus Einkünfte in nicht feststellbarer Höhe bezog, das von seiner Lebensgefährtin Gabriele D*** als Dirne bezogene Einkommen (welches in diesen vier Jahren insgesamt rund 720.000 S betrug) größtenteils verbraucht, indem er die gemeinsamen Lebenskosten, den Unterhalt für ein gemeinsames Kind (2.000 S monatlich), nicht zuletzt aber auch den beträchtlichen Aufwand für die Finanzierung von Fahrzeugen (er ist "Auto- und Motorradnarr") bestritt. Seinerseits erbrachte er keine entsprechenden ins Gewicht fallenden Gegenleistungen, sondern lebte - seiner Lebenseinstellung als "Outsider" entsprechend - im wesentlichen von den Einnahmen seiner Lebensgefährtin; sein eigenes Einkommen hätte (selbst bei Zugrundelegung seiner vom Erstgericht als Schutzbehauptung abgelehnten Verantwortung über dessen Höhe von 4.000 S bis 5.000 S monatlich) nicht einmal zur Begleichung der Unterhaltsverpflichtung und der Miete hingereicht (US 12 zweiter Absatz bis 14 erster Absatz; US 18, 21). Somit hat er beträchtliche durch keinerlei Gegenleistung aufgewogene materielle Vorteile aus der Prostitution der Gabriele D*** gezogen. Daß es sich bei ihr um seine Lebensgefährtin handelte, steht der Beurteilung seines Verhaltens als Ausnützung keineswegs entgegen (vgl. zum - engeren - Begriff der Ausbeutung insbesondere EvBl. 1979/245 und Foregger-Serini StGB3 Anm. I zu § 216 StGB aF). In diesem Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Berechtigt hingegen ist die Rechtsrüge hinsichtlich des vor dem Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1984 (mit 1.August 1984) gelegenen Begehungszeitraums. Wie aus der vom Schöffengericht abgelehnten Annahme (schwerer) Zuhälterei nach § 216 Abs 2 StGB nF "mangels entsprechender Feststellungen" (US 22 ganz oben) im Zusammenhang mit den bereits wiedergegebenen Urteilsfeststellungen und den Ausführungen der Urteilsbegründung über das Fehlen von Beweisen für strafrechtlich erhebliche Einflußnahmen des Angeklagten auf die Lebensführung der Gabriele D*** (US 12, 13 jeweils Mitte; US 21 letzter Absatz) hervorgeht, ist das Erstgericht für den gesamten Begehungszeitraum der Urteilstat (laut Punkt 2) in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, daß dem Angeklagten eine rücksichtslose Ausnützung unter Verletzung vitaler Interessen der Prostituierten (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB2 ENr. 1 zu § 216 StGB aF) nicht nachzuweisen ist. Daraus folgt nicht nur, daß § 216 Abs 2 erster Fall StGB nF auf die Deliktszeit nach dem 1.August 1984 unanwendbar ist, sondern auch, daß für den Zeitraum vor Inkrafttreten der Strafgesetznovelle 1984 ein strafbares Verhalten des Angeklagten nach § 216 StGB aF überhaupt ausscheidet. Da das Schöffengericht sohin in Ansehung des vor dem Inkrafttreten der in Rede stehenden Strafgesetznovelle (am 1. August 1984) gelegenen Begehungszeitraumes die neu geschaffene Bestimmung (§ 216 Abs 1 StGB nF) auf ein Verhalten angewendet hat, welches zur betreffenden Zeit (Jahresmitte 1983 bis (einschließlich) 31. Juli 1984) noch nicht gerichtlich strafbar gewesen ist, war bezüglich dieses Umfangs des Schuldspruchs (Punkt 2 des Urteilssatzes) mit Kassation und Freispruch vorzugehen. Bei der durch die Aufhebung (auch) des Strafausspruchs erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe wurden das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art sowie die (gemäß § 71 StGB) einschlägigen Vorstrafen (wegen Delikten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit und gegen die Staatsgewalt) als erschwerend, das Teilgeständnis (zum Vergehen nach dem Waffengesetz) hingegen als mildernd gewertet. Von einem - in der Berufung als Milderungsgrund reklamierten - Handeln des Angeklagten aus Unbesonnenheit bzw. in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung bei der (schweren) Nötigung kann jedoch schon angesichts der Tatwiederholung (an zwei Tagen) keine Rede sein.

Ausgehend von den sohin tatsächlich gegebenen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erschien dem Obersten Gerichtshof die im Spruch bezeichnete - im Vergleich zu der vom Schöffengericht angeordneten (trotz der tatzeitmäßigen Einschränkung des Schuldspruchs wegen Zuhälterei) gleichbleibende - Dauer der gemäß § 106 Abs 1 StGB über den Angeklagten zu verhängenden Freiheitsstrafe seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld angemessen.

Der Gewährung bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 2 StGB stand zwingend entgegen, daß das einschlägig getrübte Vorleben des Angeklagten und die Größe der Tatschuld beim Delikt der Nötigung die in § 43 Abs 2 StGB geforderte qualifziert günstige Verhaltensprognose nicht zuläßt.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der im Spruch bezogenen Gesetzesstelle.