JudikaturJustiz14Os113/06h

14Os113/06h – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Juli 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martin E***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Martin E***** und Inga E***** und Tatjana P***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 27. Juli 2005, GZ 34 Hv 9/05k-476, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Mag. Höpler, sowie der Angeklagten Martin E***** und Tatjana P*****, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Inga E*****, und in Anwesenheit der Verteidiger Dr. Manhart und Dr. Pfeifer zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen des Angeklagten Martin E***** und der Staatsanwaltschaft wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird den Berufungen der Angeklagten Inga E***** und Tatjana P***** dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafe bei Inga E***** auf ein Jahr und bei Tatjana P***** auf sechs Monate herabgesetzt wird.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Martin E*****, Inga E***** und Tatjana P***** des Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB (I./), darüber hinaus (zu II./) die Angeklagten Martin E***** und Inga E***** des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 zweiter Fall StGB und die Angeklagte Tatjana P***** des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach haben diese Angeklagten in Steyregg, Linz und Leonding I./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende 2001, Anfang 2002 eine kriminelle Vereinigung gegründet, die darauf ausgerichtet war, dass von den Mitgliedern dieser Vereinigung - einschließlich der weißrussischen Staatsangehörigen Vladimir R***** und Jury S***** - mehrere Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels (§ 217 Abs 1 zweiter Fall StGB) ausgeführt werden;

II./ von Herbst 2001 bis Mitte Mai 2004 zahlreiche Personen, zumindest aber elf (im Urteilsspruch namentlich bezeichnete) Frauen aus Weißrussland, mögen diese auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, der Prostitution in Österreich, also einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dadurch zugeführt oder sie hiefür angeworben, dass sie diesen Frauen eine Tätigkeit in dem von ihnen betriebenen Bordell „C*****" anboten, die zur Ausreise aus Weißrussland bzw zur Einreise nach Österreich erforderlichen Dokumente, insbesondere Visa beschafften oder ihnen die Ausstellung solcher Urkunden vermittelten, sodann die Reise nach Österreich durch Zurverfügungstellung eines Flugtickets organisierten und schließlich diese Frauen zur Aufnahme der Prostitution zum Bordellbetrieb chauffierten, wobei Martin und Inga E***** die strafbaren Handlungen in der Absicht vornahmen, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme verschaffen.

Vom Anklagevorwurf, von Herbst 2001 bis Mitte Mai 2004 als Mitglied der im Punkt 1./ des Schuldspruches beschriebenen kriminellen Vereinigung mit dem Vorsatz, sich aus der Prostitution zahlreicher russischer Frauen (ca 100 Personen) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Personen - mehrere hievon, nämlich ca 16 bis 20 zugleich - ausgenützt und ausgebeutet und ihnen die Bedingungen der Prostitution auf eine im Urteilsspruch näher beschriebene weise vorgeschrieben und hiedurch weiters das Vergehen der Zuhälterei nach § 216 Abs 1, 2 und 3 StGB begangen zu haben, wurden die drei Angeklagten hingegen gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (US 4 f). Den Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten Martin E***** und Inga E***** aus den Z 5, 5a, 9 lit a und 9 lit b und die Angeklagte Tatjana P***** (nominell) aus den Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde. Die Staatsanwaltschaft richtet ihre auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a leg. cit. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde nur gegen den Freispruch der beiden Angeklagten Martin E***** und Inga E***** vom Anklagevorwurf der Zuhälterei, lässt den bezüglichen Freispruch der Angeklagten P***** sowie zwei weitere Freisprüche (vgl US 5) hingegen unbekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Zur (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Martin E***** und Inga E*****:

Beide Beschwerdeführer heben in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zunächst hervor, dass den Feststellungen zufolge (zusammengefasst wiedergegeben) sämtliche von ihnen aus Weißrussland angeworbenen Frauen über ihre Tätigkeit als Prostituierte in Österreich aufgeklärt worden sind und in Österreich keinerlei Einschränkungen (auch in Ansehung der sexuellen Selbstbestimmung) oder sozialen Benachteiligungen unterworfen waren. Bei der grundsätzlich gebotenen restriktiven Auslegung der ihrer Ansicht nach zu weiten Fassung der Tathandlungen des § 217 Abs 1 StGB (Philipp in WK2 § 217 [2006] Rz 6, Kienapfel/Schmoller BT III §§ 214 bis 217 Rz 2 und 48) habe das Erstgericht unberücksichtigt gelassen, dass § 217 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert sei, das seine teleologischen Grenzen in dem konkreten Ausschluss der abstrakt befürchteten Nachteile finde. Der Strafbarkeitsbereich dieser Bestimmung sollte daher auf schwerwiegende Fälle beschränkt bleiben, die das Opfer zumindest in die Gefahr der Abhängigkeit bringen, sodass die Rückkehr in die Heimat sehr erschwert oder verunmöglicht wird (Bertel/Schwaighofer BT II7 § 217 Rz 3). Da sich die vom Gesetzgeber mit der Einführung des § 217 StGB angesprochene abstrakte Gefährdungslage im vorliegenden Fall nicht realisiert habe, seien die Tathandlungen der Beschwerdeführer zu Unrecht als „Anwerben" und „Zuführen" im Sinn des § 217 Abs 1 StGB beurteilt worden und sei demgemäß auch der fallbezogen damit im Zusammenhang stehende Schuldspruch wegen Vergehens der kriminellen Vereinigung nach § 278 Abs 1 StGB zu Unrecht erfolgt. Diese Rechtsausführungen stehen mit der Judikatur (vgl RIS-Justiz RS0109314, zuletzt insbesondere 14 Os 82/04, Philipp aaO Rz 15, 16) nicht im Einklang. Demnach ist nämlich - gemäß der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 14. Oktober 1997, 11 Os 109/96 (= JBl 1998, 328 = SSt 62/145 = EvBl 1998/44) - unter „Zuführen" im Sinn des Abs 1 des § 217 StGB die aktive und gezielte Einflussnahme auf die von der Tat betroffene Person zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte in einen fremden Staat zu verstehen. Dabei genügt die Aufnahme und Eingliederung einer (etwa bereits selbständig eingereisten) Ausländerin in ein Bordell ohne eine derartige Einflussnahme nicht. Vielmehr muss nicht nur die Aufnahme der Prostitution, sondern - wie hier - gerade auch der Wechsel in den fremden Staat maßgeblich vom Täter organisiert sein (vgl Kienapfel/Schmoller aaO Rz 56). Unter Zuführen ist demnach mehr als ein „Befördern", nämlich zumindest eine qualifizierte Vermittlertätigkeit zu verstehen.

Die im zitierten Fall seinerzeit von der Generalprokuratur - wie nunmehr von den beiden Beschwerdeführern - vorgeschlagene (weitere) Reduktion des Anwendungsbereiches des § 217 Abs 1 StGB auf Konstellationen, in denen das Tatobjekt „hiedurch tätergewollt in ein Abhängigkeitsverhältnis gerät (bei Anwerbung geraten soll), das die Gewinnung behördlichen Schutzes erschwert und die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, ob das unzüchtige Gewerbe tatsächlich begonnen oder fortgesetzt werden soll" wird vom Obersten Gerichtshof (iS der zitierten Entscheidung - zuletzt 14 Os 82/04 - wegen einer diesfalls gegebenen Überschreitung des äußersten Wortsinnes dieser Bestimmung) abgelehnt.

Die Frage, ob es sich bei § 217 StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, wurde ausdrücklich „wegen mangelnder Relevanz" (11 Os 109/96) offen gelassen, verwirklicht doch bereits eine der beiden rechtlich gleichwertigen Begehungsformen (SSt 53/47), nämlich das Anwerben oder Zuführen einer insofern geschützten Person zur Ausübung der Prostitution in einem für sie fremden Staat den Tatbestand des § 217 Abs 1 StGB. Auf ein tatsächlich bestehendes oder auch nur drohendes Abhängigkeitsverhältnis kommt es demnach nicht an. Auf Grund dieser der Entscheidung 11 Os 109/96 folgenden Judikatur sah sich im Übrigen auch der Gesetzgeber aus Anlass der durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl I Nr 15/2004, vorgenommenen Einfügung des § 104a StGB („Menschenhandel") in Ansehung des § 217 StGB nur zu einer Änderung von Bezeichnungen, nicht aber zu einer Beschränkung des Wortlautes auf besondere Abhängigkeitsverhältnisse veranlasst (vgl RV 294 Blg 22. GP 27).

Entgegen der auf Z 9 lit b gestützte Rechtsrüge des Angeklagten Martin E***** haftet dem Urteil aber auch kein Feststellungsmangel zu der (durch seine Verantwortung indizierten) Frage, ob er das Unrecht seiner Taten wegen eines Rechtsirrtums nicht erkennen konnte (§ 9 StGB), an.

Denn das Erstgericht hielt unmissverständlich fest, dass diesem Beschwerdeführer auf Grund der von ihm noch vor Eröffnung des „C*****" bei Rechtsanwälten und Beamten der Fremdenpolizei (Dr. W*****, Beate P*****) eingeholten Rechtsauskünfte sehr wohl bewusst war, dass er durch sein Tätigwerden in die Gefahr der Erfüllung eines Straftatbestandes geraten könnte, gerade deshalb aber diesen Beamten und Rechtsanwälten gegenüber den vollen Umfang der von ihm unter Mitwirkung der beiden Mitangeklagten und der im Urteilsspruch genannten weiteren Helfer in Weißrussland geplanten und sodann ausgeübten Tätigkeiten (bewusst) verschwiegen hat (vgl US 63 bis 67). Das Erstgericht hat somit - was der Beschwerdeführer (bei Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes prozessordnungswidrig) in Abrede zu stellen sucht - ausdrücklich ausgeschlossen, dass dem Angeklagten Martin E***** das Unrechtmäßige seiner Tat wegen eines Rechtsirrtums verhüllt wurde. Der konstatierte Ausschluss eines Rechsirrtums des Angeklagten Martin E***** wurde (der Mängel- und Tatsachenrüge zuwider) von den Tatrichtern zureichend begründet (Z 5 vierter Fall). Diese Feststellung ist auch nicht im Sinn der Z 5a bedenklich. Denn das Erstgericht hat diese Annahme keineswegs (wie die Beschwerde argumentiert) bloß auf die intensive Auseinandersetzung dieses Beschwerdeführers mit der Bestimmung des § 217 StGB gestützt, sondern sie weiters (mängelfrei) damit begründet, dass er den Beamten der Fremdenpolizei sein Zusammenwirken mit den Angeklagten Inga E***** und Tatjana P***** und den in Weißrussland eingesetzten Helfern nicht darlegte, daher das Thema eines allfälligen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels für die Beamten der Fremdenpolizei gar nicht in Frage stand (US 66 f). Weshalb aus der „massenhaften Befassung der Fremdenpolizei mit Visaanträgen weißrussischer Frauen durch den Angeklagten Martin E*****" diese Beamten die „wesentlichen Sachverhaltselemente des relevanten Sachverhaltes im Hinblick auf § 217 StGB gewusst hätten", sodass der Beschwerdeführer aus der stillschweigenden Duldung durch die Beamten der Fremdenpolizei auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns schließen konnte, vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) nicht plausibel darzustellen, geht doch aus der bloßen Einreichung (auch zahlreicher) Visaanträge nicht hervor, auf welche Art die weißrussischen Frauen mit dem Beschwerdeführer in Kontakt getreten sind und auf Grund welcher Aktivitäten der Angeklagten und ihrer Helfer in Weißrussland diese Frauen zur grenzüberschreitenden Prostitution in Österreich bereit waren. Erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a leitet der Angeklagte weiters gegen die ihn betreffende Feststellung, jedenfalls die elf im Urteilsspruch genannten weißrussischen Frauen zur Prostitutionsausübung im Ausland „angeworben" zu haben, aus dem Umstand ab, dass diese Zeuginnen - ihren aktenkundigen Aussagen zufolge - schon zuvor zur Prostitutionsausübung im Ausland entschlossen gewesen seien und von sich aus den Kontakt zu den Angeklagten gesucht hätten.

Entgegen der in der Beschwerde in diesem Zusammenhang vertretenen Rechtsansicht ist ein „Anwerben" im Sinn des § 217 StGB aber nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Tatobjekt schon zuvor zu einer Prostitutionsausübung im Ausland entschlossen war und selbst den Kontakt zu den Tätern suchte. Unter dieser in § 217 Abs 1 StGB genannten Begehungsweise wird vielmehr das über intensives Betreiben des Täters bewirkte Herbeiführen eines Vertragsabschlusses oder einer Vereinbarung mit einer - wenngleich nicht notwendigerweise zivilrechtlich bindenden - Verpflichtung des Handlungsobjekts verstanden, durch das es sich gebunden erachtet, sohin eine dem Zuführen in ihrer Gewichtung durchaus vergleichbare Einflussnahme auf den Willen des Opfers (11 Os 109/96).

Dass die elf in der Beschwerde genannten Zeuginnen von sich aus auf den Abschluss derartiger (bindender) Vereinbarungen gedrängt hätten, wird aber nicht einmal in der Beschwerde behauptet. Zudem hat das Erstgericht die inkriminierten Tathandlungen der Anklagten auf Basis mängelfrei begründeter Feststellungen (vgl US 28 bis 41) zutreffend nicht bloß der Begehungsweise des Anwerbens, sondern jener des (weitergehenden) „Zuführens" zur grenzüberschreitenden Prostitution unterstellt (vgl US 86 f).

Die Beschwerdeführer sprechen nur einen (als solchen leicht erkennbaren) unberichtigt gebliebenen bloßen Schreib- oder Diktatfehler des Erstgerichtes an, soweit sie die Feststellung, wonach es (schon) im Jahr 2000 zu einem Kontakt der Angeklagten Inga E***** und Tatjana P***** mit der sodann im Jahr 2003 im „C*****" als Prostitutierten tätigen Krystina B***** gekommen sei (bei welcher Gelegenheit Inga E***** von ihrem neu eröffneten Klub in Österreich erzählt und sie unter Hinweis auf ihr sehr gutes Aussehen zu einer bestens bezahlten Tätigkeit im Klub eingeladen habe - US 30) als unrichtig bzw „aktenwidrig" bezeichnen. Die Unrichtigkeit der bezeichneten Datierung ergibt sich bereits aus der einleitenden Feststellung, wonach die Zeugin B***** ihr im Jahr 2000 begonnenes Musikstudium nach Absolvierung von vier Semestern wegen Geldmangels nicht mehr hätte fortsetzen können, worauf eine Bekannte den Kontakt zu den genannten beiden Angeklagten herstellte (US 29 f; vgl im Übrigen die Angaben der Zeugin Krystina B***** bei ihrer Gendarmerieeinvernahme vom 1. September 2003, S 91 ff/I und im Beweistagsatzungsprotokoll vom 20. Juli 2004, ON 168, insbesondere S 71-74/XI, aus der der Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme mit ca Sommer 2002 erhellt).

Erhebliche Bedenken gegen die Feststellung, wonach die Angeklagte Inga E***** bei ihren wiederholten Heimatreisen in weißrussischen Zeitungen Inserate betreffend Auslandsarbeit für Mädchen im Alter zwischen 18 und 25 Jahre geschaltet hat, wobei die angegebenen Telefonnummern zu Kontakten mit ihr und der Mitangeklagten Tatjana P***** führten (US 15), machen die Beschwerdeführer unter Hinweis auf ihre eigene Verantwortung und die Aussagen von in der Hauptverhandlung vernommenen weißrussischen Zeuginnen mit der Behauptung geltend, selbst normale (nicht als Sexinserate erkennbare) derartige Stellenanbote könnten in weißrussischen Zeitungen nicht geschaltet werden, weil „eine westliche Firma oder Person" in Weißrussland nicht werben dürfe. Die Beschwerdeführer übersehen bei diesem Vorbringen, dass die Angeklagte Inga E***** (ebenso wie die Angeklagte Tatjana P*****) nach wie vor (auch) die weißrussische Staatsbürgerschaft besitzt (US 6). Weshalb bei dieser Sachlage das Erstgericht von Amts wegen das Bestehen des behaupteten Werbeverbots „westlicher Firmen oder Personen" in Weißrussland hätte überprüfen sollen, zeigt die Beschwerde (demgemäß) auch nicht auf. Die bekämpfte Feststellung (Einschaltung von Werbeinseraten in weißrussischen Zeitungen durch die Angeklagte Inga E*****) wurde vom Erstgericht auf die Angaben der Zeuginnen Volha S***** und Liubou N***** gestützt (US 15, 58). Mit der Behauptung, die bezüglichen Angaben dieser Zeuginnen (Volha S***** S 425/VI und Liubou N***** S 50/XI), aber auch jene der gleichfalls von einer entsprechenden Inseratentätigkeiten berichtenden Zeugin Anastasya D***** (S 71/VI) könnten auf den (in diesem Zusammenhang unerörtert gebliebenen) Einfluss des ehemaligen Mitarbeiters und späteren Konkurrenten der Angeklagten, Josef L*****, zurückzuführen sein, bekämpfen die Angeklagten im Ergebnis nur unzulässig die kollegialgerichtliche Beweiswürdigung, wonach gerade die Zeugin S***** die von ihr angegebene Inseratenbewerbung in weißrussischen Zeitungen völlig unbefangen und ohne erkennbaren Belastungstendenz geschildert habe (US 58).

Auf eine - in der Aufklärungsrüge (Z 5a) vermisste - Einsichtnahme in den Reisepass des Angeklagten Martin E***** hätte sich ein entsprechender Beweisantrag richten können. Wird wie hier behauptet, das Erstgericht habe seine Pflicht zu amtswegiger Wahrheitsforschung vernachlässigt, muss die Tatsachenrüge deutlich machen, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechtes, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3 StPO), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Feststellung, wonach sowohl Vladimir R***** als auch Jury S***** weißrussische (weibliche) Staatsangehörige für den C***** in Linz angeworben und auch die Reisetätigkeit der Frauen aus Weißrussland in den Westen organisiert haben (US 14, 17, 24, 26 f), konnte das Erstgericht auf die Aussage zahlreicher Zeuginnen stützen (US 14 f). Dass eine Einvernahme dieser beiden, der Mittäterschaft verdächtigen Personen unterblieben ist, macht diese Feststellung daher nicht erheblich bedenklich. Weshalb derartige Bedenken daraus zu gewinnen wären, dass Vladimir R***** „bereits lange vor Tätigwerden der Einschreiter Mädchen ins Ausland vermittelt hat", zeigt die Beschwerde nicht auf. Soweit die beiden Beschwerdeführer dem Erstgericht zudem eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung infolge unterbliebener Einvernahme der beiden Männer im Rechtshilfeweg anlasten, machen sie erneut nicht deutlich, wodurch sie an der Ausübung ihres Rechts, eine derartige Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert waren und daher hätten belehrt werden müssen, um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern.

Die unbegründete, teils auch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der beiden Angeklagten war daher zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Tatjana P*****:

Die nominell auf die Z 5 und Z 9 lit a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde dieser Angeklagten zeigt weder einen Begründungsmangel noch einen Rechtsirrtum des Erstgerichtes auf, sondern stellt bloß die Richtigkeit der im Urteil festgestellten Sachverhaltsgrundlage betreffend das auch ihr angelastete „Anwerben" und „Zuführen" weißrussischer Frauen zu grenzüberschreitender Prostitution substratlos in Abrede, statt sich an den Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 StPO zu orientieren. Dabei übergeht sie zudem übrigens insbesondere, dass bei Telefonanrufen auf Grund der in weißrussischen Zeitungen eingeschalteten Werbeinserate ein Kontakt zu ihr herstellbar war (US 15), sie mehrfach (teils gemeinsam mit Inga E*****) die Eignung weißrussischer Bewerberinnen für die Prostitutionstätigkeit im „C*****" bei sogenannten Vorstellungsgesprächen prüfte, wobei auf die hohen Verdienstsumme im C***** und auf dessen noble Ausstattung durch Übergabe entsprechender Prospekte verwiesen wurde (US 16), sie gemeinsam mit den Mitangeklagten eine zur Ausstellung von (für eine legale Prostitutionsausübung erforderlichen) Gesundheitszeugnisse geeignete Klinik in Weißrussland ausfindig machte (US 21), in ständigem persönlichen oder telefonischen Kontakt zu Inga E***** zwecks Organisation der Ausreise der weißrussischen Mädchen nach Österreich stand (US 24) und hiebei insbesondere auch in die Beschaffung der erforderlichen Einreise- und Aufenthaltsbewilligungen, Gesundheitspapiere und Flugtickets eingebunden war, ua auch die für die Fahrt der ausreisewilligen Mädchen von Minsk nach Moskau verwendeten Kleinbusse organisierte und letztlich für ihr Tätigwerden von den weißrussischen Mädchen auch Provisionen kassierte (US 26, 27). Von einer behaupteten bloß untergeordneten Tätigkeit, die auf den Entschluss der weißrussischen Mädchen zur Prostitutionsausübung in Österreich keinerlei Einfluss ausgeübt habe, kann demgemäß keine Rede sein.

Die - nicht prozessordnungsgemäß ausgeführte - Nichtigkeitsbeschwerde

war demnach zu verwerfen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Die gegen den Freispruch der beiden Angeklagten Martin E***** und Inga E***** vom Vorwurf der Zuhälterei gerichtete, ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist gleichfalls prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit des festgestellten bezüglich Sachverhaltssubstrates (US 41 bis 51; ergänzende Feststellungen im Rahmen der Beweiswürdigung [US 77 bis 84] und der rechtlichen Beurteilung [US 87 f]) orientiert.

Nach Ansicht der Anklagebehörde sei deshalb zumindest von einem „Ausnützen" iS des § 216 Abs 1 StGB auszugehen, weil die Prostituierten an die beiden Angeklagten nicht nur die Hälfte ihrer Einkünfte abgeben mussten, hiefür aber nur marginale Vergütungen (Konsumation am Abendbuffet und Geschenke zum Geburts- und Valentinstag) erhalten hätten, sondern vom verbliebenen Anteil auch noch erhebliche weitere Kosten (einschließlich der Miete für ihnen zur Verfügung gestellte Wohnungen) im Ausmaß von nahezu 900 Euro zu tragen hatten.

Damit spricht die Beschwerdeführerin aber nur einen Teil der erstgerichtlichen Feststellungen an. Sie übergeht nämlich, dass die Tatrichter als Gegenleistung für den Einbehalt des halben Zimmerpreises (der von der Beschwerdeführerin mit den Einkünften gleichgesetzt wird) auch das Zurverfügungstellen der Klubräumlichkeiten - die nach Totalabbruch der desolaten alten Räumlichkeiten völlig neu errichtet worden sind (vgl US 11) und deren Einrichtung als luxuriös bezeichnet wird - und die Überlassung von Getränkeprovisionen (zu Recht, vgl EvBl 2006/166) berücksichtigt und die Gegenleistungen in ihrer Gesamtheit als durchaus gleichwertig angenommen haben. Insbesondere lagen auch die durchschnittlichen Monatsmieten von 400 Euro für die überwiegend im Stadtzentrum von Linz gelegenen, voll ausgestatteten Wohnungen keineswegs ein Vielfaches über den ortsüblichen Mieten, zumal die Angeklagten E***** auch sämtliche Kautionen und Betriebskosten sowie für die Kosten für die Möblierung und für das Kabelfernsehen trugen (US 87 f iVm US 43, 47).

Bei der Kritik mit Blick auf den vom Erstgericht herangezogenen Beispielsfall, wonach einer weißrussischen Prostitutierten im „C*****" monatlich für den eigenen Unterhalt ein Nettobetrag von (zumindest) 1.510 Euro verblieben sei (US 78), übersieht die Beschwerdeführerin zudem, dass das Erstgericht der Berechnung des aus der Prostitution erzielbaren Mindesteinkommen bereits die (den Prostituierten zur Gänze verblebende) „Mädchenprovision" (= Hälfte des Zimmerpreises, vgl US 47) zu Grunde gelegt hat, während die Staatsanwaltschaft bei ihrer Berechnung vom Gesamtbetrag der monatlichen durchschnittlich (zumindest) vereinnahmten Mädchenprovision urteilsfremd nochmals den halben Betrag (im konkreten Beispielsfall 1.200 Euro in Abzug bringt und dergestalt auf ein Monatseinkommen von bloß ca 300 Euro kommt.

Die ausschließlich mit dem Fehlen adäquater Gegenleistungen für die Einbehaltung des halben Zimmerpreises argumentierende Beschwerde berücksichtigt somit zum einen nicht alle von den Tatrichtern als zureichend bewerteten Gegenleistungen (US 87 f) und geht zum anderen bei der Behauptung eines den Prostituierten für den eigenen Unterhalt verbleibenden Betrages von angeblich nur 300 Euro urteilsfremd von einem 75 %igen Abzug vom Zimmerpreis aus.

Auch die Beschwerde der Staatsanwaltschaft war daher zu verwerfen.

Zu den Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft:

Das Schöffengericht verurteilte - jeweils nach dem zweiten Strafsatz des § 217 Abs 1 StGB - den Angeklagten Martin E***** zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten und die Angeklagte Inga E***** zu einer solchen von 18 Monaten; über die Angeklagte Tatjana P***** verhängte es nach dem ersten Strafsatz des § 217 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von acht Monaten.

Bei allen drei Angeklagten wertete das Schöffengericht das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, den langen Tatzeitraum und den Umstand, dass eine Vielzahl von Frauen der Prostitution in Österreich zugeführt wurde, bei Martin E***** auch drei einschlägige Vorstrafen als erschwerend und demgegenüber bei allen Angeklagten „das teilweise Tatsachengeständnis", bei Inga E***** und Tatjana P***** auch die Unbescholtenheit und bei Letztgenannter zudem den Umstand, dass sie in untergeordneter Weise tätig war, als mildernd.

Alle drei Angeklagten streben eine Herabsetzung der Freiheitsstrafen, Martin E***** und Inga E***** auch die bedingte Nachsicht der über sie verhängten Strafe, die Staatsanwaltschaft hingegen die Erhöhung der Strafen an.

Nur den Berufungen der Angeklagten Inga E***** und Tatjana P***** kommt - im Ergebnis - Berechtigung zu.

Ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe (§ 217 Abs 1 zweiter Strafsatz StGB) bei Martin E***** und Inga E***** sowie von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 217 Abs 1 erster Strafsatz StGB) bei Tatjana P***** hat das Schöffengericht zwar über die zwei zuletzt genannten Angeklagten Strafen verhängt, die dem Schuldgehalt ihrer Taten angemessen sind (§ 32 Abs 1 StGB). Angesichts der nicht von den Angeklagten zu vertretenden langen Verfahrensdauer waren aber mit Blick auf Art 34 MRK zum Ausgleich dieser Konventionswidrigkeit die Freiheitsstrafen bei Inga E***** auf ein Jahr und bei Tatjana P***** auf das Mindestmaß von sechs Monaten herabzusetzen. Hinsichtlich Martin E***** wäre zwar im Sinn des zutreffenden Berufungsvorbringens der Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren schuldangemessen (§ 32 Abs 1 StGB), weil bei ihm die reifliche Überlegung und sorgfältige Vorbereitung der Taten in besonderem Maß als erschwerend ins Gewicht fällt, zu einer von der Staatsanwaltschaft deswegen angestrebten Erhöhung der Strafe bestand allerdings für den Obersten Gerichtshof aus den Gründen, die bei den zwei Mitangeklagten zu einer Strafreduzierung geführt haben, kein Anlass: Zum Ausgleich der konventionswidrig langen Verfahrensdauer war auf die vom Schuldgehalt her an sich gebotene Erhöhung der Freiheitsstrafe auf zweieinhalb Jahre zu verzichten. Zu der von den Angeklagten Martin und Inga E***** angestrebten bedingten Strafnachsicht sah sich der Oberste Gerichtshof aber mit Blick auf § 43 Abs 1 zweiter Satz StGB nicht bestimmt. Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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