JudikaturJustiz14Os110/15f

14Os110/15f – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Juni 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Rechtspraktikanten Mag. Jülg BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann R***** und weitere Beschuldigte wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112, AZ 30 HR 563/14b des Landesgerichts Innsbruck, über die Anträge der E*****-D***** GmbH und der E*****-M***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Zum AZ 9 St 154/14s der Staatsanwaltschaft Innsbruck wurde (unter anderem) ein Ermittlungsverfahren gegen Johann R***** und Franz S***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB idF vor BGBl I 2015/112 geführt, dem der Verdacht zugrunde lag, die Genannten hätten als Angestellte der G***** GmbH Co OG mehrere Maschinen, die später an die von den Beschuldigten gegründete E*****-M***** GmbH weiterveräußert wurden, unter deren Marktwert an die St***** GmbH verkauft.

Mit Beschluss vom 2. Jänner 2015, AZ 30 HR 563/14b (ON 8 des Ermittlungsakts), bewilligte das Landesgericht Innsbruck die Anordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 30. Dezember 2014 – soweit relevant – der „Durchsuchung der Wohnung bzw der durch das Hausrecht geschützten Örtlichkeit samt darin befindlicher Gegenstände und dazugehörigen Nebenräumlichkeiten“ (...), und zwar insbesondere der Räumlichkeiten der: (...)

3./ E*****-M***** GmbH in *****;

4./ der E*****-D***** GmbH in *****;

5./ der E*****-S***** GmbH in *****;

6./ der E*****-T***** in Gründung in *****; (…);

zwecks Sicherstellung von „Unterlagen inklusive Schriftverkehr über den Einkauf und den Verlauf sowie den Abbau, die Lagerung und den Transport der gegenständlichen Maschinen“.

Bereits mit Beschlüssen vom 12. Dezember 2014 (zu AZ 38 Hv 101/14s) und vom 30. Dezember 2014 (zu AZ 23 Hv 146/14y) hatte das Landesgericht Innsbruck in gegen andere Beschuldigte wegen § 91 UrhG und § 11 UWG geführten Privatanklageverfahren über Antrag der Privatanklägerin G***** GmbH Co OG (unter anderem) ebenfalls die Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der E*****-S***** GmbH und der E*****-D***** GmbH in *****, sowie der E*****-M***** GmbH in *****, zwecks Sicherstellung von (in den Beschlüssen genannten) Datenträgern und Speichermedien, welche Geschäfts und Betriebsgeheimnisse sowie urheber- und leistungsschutzrechtlich geschützte Werke der Privatanklägerin enthalten sollen, bewilligt (ON 7, ON 16 S 1 und 35 f).

Die angeordneten Durchsuchungen wurden am 29. Jänner 2015 gemeinsam durchgeführt, wobei neben den Polizeibeamten ein Vertreter der G***** GmbH Co OG „mit fachkundigem Personal“ dieses Unternehmens „zur Identifizierung der Maschinen und zum Erkennen von verfahrensrelevanten Unterlagen“ anwesend war (ON 16 S 1 und 5). Dabei wurde auch eine Fertigungshalle an der Adresse *****, durchsucht, die im Polizeibericht als der E*****-D***** GmbH, E*****-S***** GmbH und der E*****-T***** zugehöriges Nebengebäude bezeichnet wurde (ON 16 S 5 f und S 93).

Die E*****-M***** GmbH, die E*****-D***** GmbH und die E*****-S***** GmbH erhoben am 12. Februar 2015 – in einem gemeinsamen Schriftsatz – Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 2. Jänner 2015, die sie mit einem gegen die Durchführung der Durchsuchung gerichteten Einspruch wegen Rechtsverletzung verbanden. Soweit im gegenständlichen Verfahren von Relevanz behaupteten sie einerseits, die Kriminalpolizei habe ohne gesetzliche Grundlage mehrere Mitarbeiter der Privatanklägerin „zur Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumen der Betroffenen“ beigezogen, die „rechtswidrig eigenständig Durchsuchungshandlungen vorgenommen und rechtswidrig Fotos angefertigt“ hätten. In diesem Zusammenhang wurden Handlungen von namentlich genannten, im kriminalpolizeilichen Bericht über den Vollzug der Durchsuchung (ON 16) angeführten Mitarbeitern der Privatanklägerin beschrieben, wobei ein konkreter Bezug zu einzelnen der drei Einspruchswerber nur zum Teil hergestellt wurde. So hätte unter anderem „Herr G***** einen Auftragsordner der E*****-D***** durchsucht“, ein anderer Mitarbeiter habe „die Lieferantenordner der E*****-D***** durchsucht“ und „Pläne und Schriftsätze betreffend den Neubau der E*****-M***** GmbH“ seien „mit Interesse in Augenschein genommen worden“ (ON 23 S 3). Durch diese Vorgänge seien „die Betroffenen“ in ihrem subjektiven Recht, „wonach die angeführten Zwangsmaßnahmen nur von der Kriminalpolizei ohne Beisein von Mitarbeitern oder Vertretern der Privatanklägerin durchgeführt werden“ dürfen, sowie in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf Geheimhaltung ihrer schützenswerten Daten iSd § 1 DSG und ihres Rechts nach Art 8 Abs 1 MRK verletzt worden.

Weiters behaupteten die Einspruchswerber, die Kriminalpolizei hätte nicht nur die Geschäftsräume der E*****-M***** GmbH in *****, sondern auch deren Produktionsstätte in *****, durchsucht, wodurch die genannte Gesellschaft „in ihrem Recht nach § 120 StPO, wonach Durchsuchungen von Orten und Gegenständen von der Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen sind, und in ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Hausrechts nach Art 9 StGG (…) sowie in ihrem Recht nach Art 8 Abs 1 MRK verletzt“ worden sei (ON 23 S 4).

Soweit vorliegend von Relevanz beantragten die Einspruchswerber (ON 23 S 8), „das Oberlandesgericht Innsbruck wolle (…) feststellen, dass die Anordnung und der Vollzug der in den Geschäftsräumen der Betroffenen vorgenommenen Durchsuchung (…) im aufgezeigten Sinn rechtswidrig [war] und die Betroffenen in ihren subjektiven Rechten [verletzt wurden], wonach

1./ die angeführten Zwangsmaßnahmen nur von der Kriminalpolizei ohne Beisein von Mitarbeitern oder Vertretern der Privatanklägerin durchgeführt werden dürfen;

2./ Durchsuchungen von Orten und Gegenständen von der Staatsanwaltschaft aufgrund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen sind (§ 120 StPO – betreffend die E*****-M***** GmbH)“.

Mit (am 9. April 2015 den Rechtsmittelwerbern zugestelltem) Beschluss vom 31. März 2015, AZ 7 Bs 52/15b, 53/15z, gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde nicht Folge und wies – soweit vorliegend von Bedeutung – den Einspruch wegen Rechtsverletzung zurück, weil „die rechtsfreundlich vertretenen Betroffenen“ weder ausgeführt hätten, „auf welche Weise dem Einspruch stattzugeben sei“, noch „im Feststellungsbegehren jene konkreten Handlungen bezeichnet [würden], welche den behaupteten Rechtsverletzungen zugrunde liegen sollen“. Da nur ein formal korrekter Einspruch die Staatsanwaltschaft verpflichte, ihre Leitungsbefugnis zu aktualisieren und die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Akts zu prüfen, entfalle eine inhaltliche Entscheidung des Beschwerdegerichts und sei der Einspruch gemäß § 107 Abs 1 erster Satz StPO als unzulässig zurückzuweisen (ON 32 S 11).

Am 14. Oktober 2015 stellte die Staatsanwaltschaft Innsbruck das gegen Johann R***** und weitere Beschuldigte geführte Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 12).

Mit Eingabe vom 8. Oktober 2015 beantragten die E*****-D***** GmbH und die E*****-M***** GmbH die Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO, weil einerseits Mitarbeiter und Vertreter der G***** GmbH Co OG bei der Durchsuchung „in den Geschäftsräumen der Betroffenen beigezogen“ worden seien und „eigenständig Durchsuchungshandlungen vorgenommen“ hätten, wodurch Art 8 Abs 1 MRK und § 1 DSG verletzt worden wären, und weil andererseits „ohne staatsanwaltschaftliche Anordnung oder gerichtliche Bewilligung“ die Produktionsstätte der E*****-M***** GmbH in *****, durchsucht worden sei, woraus eine Verletzung der Art 8 Abs 1 MRK und Art 9 StGG resultiere. Das Oberlandesgericht habe die Einsprüche zurückgewiesen, obwohl das Gesetz nicht vorschreibe, dass die den behaupteten Rechtsverletzungen zugrunde liegenden Handlungen „im Feststellungsbegehren“ ein weiteres Mal zu bezeichnen sind, und habe „zu den im Einspruch gerügten Grundrechtsverletzungen keine Feststellung getroffen“, womit die Verletzungen „innerstaatlich weder anerkannt noch ausgeglichen“ worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Für einen Erneuerungsantrag, der sich nicht auf ein Urteil des EGMR stützt (RIS Justiz RS0122228), gelten die gegenüber diesem normierten Zulässigkeits-voraussetzungen (Art 34 und 35 MRK) sinngemäß (RIS Justiz RS0122737, RS0128394). Demnach kann (auch) der Oberste Gerichtshof erst nach Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs angerufen werden (Art 35 Abs 1 MRK). Diesem Erfordernis wird entsprochen, wenn nicht nur von allen zugänglichen (effektiven) Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht wurde (vertikale Erschöpfung), sondern darüber hinaus die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; vgl RIS Justiz RS0122737 [T13]), soll doch dem Staat auch materiell Gelegenheit gegeben werden, die behauptete Rechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 28 ff, 36 ff). Wenn ein Rechtsbehelf daher nur deshalb erfolglos war, weil er nicht in der vorgeschriebenen Form eingelegt wurde, Fristen versäumt wurden oder andere formelle Voraussetzungen unbeachtet blieben, sind die Bedingungen des Art 35 Abs 1 MRK nicht erfüllt, sofern nicht Verfahrensvorschriften in missbräuchlicher Weise zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers angewendet wurden ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 13 Rz 38; Frowein/Peukert , EMRK 3 Art 35 Rz 22 mwN; EGMR 25. 9. 2006, 71759/01, Agbovi/Deutschland ; EGMR 9. 6. 2011, 31047/04 und 43386/08, Mork/Deutschland ).

Ein Einspruch wegen Rechtsverletzung an das Gericht steht – soweit im vorliegenden Fall von Bedeutung – jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Kriminalpolizei (vgl dazu aber VfGH 30.6.2015, G 233/14 ua sowie § 106 Abs 1 StPO idF BGBl I 2015/85) oder Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs oder Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen der StPO angeordnet oder durchgeführt wurde (§ 106 Abs 1 Z 2 StPO idgF). In ihm ist anzuführen, auf welche Anordnung oder welchen Vorgang er sich bezieht, worin die Rechtsverletzung besteht (wobei die Nennung allenfalls missachteter Gesetzesbestimmungen nicht verlangt wird) und auf welche Weise ihm stattzugeben sei (vgl Abs 3 zweiter Satz leg cit). In Bezug auf das zuletzt genannte Kriterium kann der Antrag auch (bloß) das Begehren auf Feststellung enthalten, dass durch die zu Grunde liegende Handlung von Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft (den Vorgang oder die Unterlassung) das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet und dadurch ein subjektives Recht des Einspruchswerbers verletzt worden sei (vgl ErläutRV 25 BlgNR 22. GP 143 f; diesen folgend Koenig/Pilnacek , WK StPO § 106 Rz 24). Eine dem Qualitätsstandard der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs 1 StPO) oder des Antrags auf Fortführung (§ 195 Abs 2 StPO) entsprechende Begründungspflicht (arg „einzeln und bestimmt bezeichnen“) ist im – im Übrigen dem Anwaltszwang nicht unterliegenden – Einspruchsverfahren nicht erforderlich (vgl [neuerlich] Koenig/Pilnacek , WK StPO § 106 Rz 24; Nordmeyer , WK StPO § 195 Rz 28 f). Wurde daher bei Gesamtbetrachtung des Antragsvorbringens – soweit gegenständlich relevant – ein konkreter Vorgang bezeichnet, eine auf diesen bezogene Verletzung des Einspruchswerbers in einem subjektiven Recht schlüssig behauptet und ein bestimmtes Begehren gestellt, auf welche Weise der behaupteten Rechtsverletzung abgeholfen werden soll, so ist der Einspruch nicht a limine zurückzuweisen, sondern einer Sachentscheidung zuzuführen.

Indem das Oberlandesgericht Innsbruck eine inhaltliche Befassung mit dem (großteils undifferenziert auf sämtliche Einspruchswerber bezogenen) Vorbringen abgelehnt hat, obwohl – soweit vorliegend von Bedeutung – in Bezug auf die behauptete Anwesenheit und Beteiligung von Mitarbeitern und Vertretern der G***** GmbH Co OG bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der E*****-D***** GmbH und der E*****-M***** GmbH und bezüglich der Durchsuchung von Räumlichkeiten an der Adresse *****, jeweils die Verletzung von Bestimmungen der StPO behauptet und (den beiden Vorgängen zuordenbare) Feststellungsbegehren gestellt wurden, hat es die V orschriften über die formellen und inhaltlichen Anforderungen an einen Einspruch wegen Rechtsverletzung willkürlich zum Nachteil der Antragsteller angewendet. Die Zurückweisung der Einsprüche durch das Oberlandesgericht Innsbruck als unzulässig steht daher der inhaltlichen Behandlung des Erneuerungsantrags nicht entgegen.

Ein

Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, hat deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine – vom angerufenen Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechts-verletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei. Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen und seine Argumentation grundsätzlich (soweit nicht Begründungsmängel aufgezeigt oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen geweckt werden) auf Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung methodengerecht zu entwickeln (RIS Justiz

RS0124359, RS0128393).

Im vorliegenden Fall wiederholen die Erneuerungswerber – nach (teils wörtlicher) Wiedergabe der Durchsuchungsanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 30. Dezember 2014 und der Entscheidung des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 31. März 2015 – ihr Einspruchsvorbringen und übersehen, dass sie bloß auf Basis ihrer eigenen Tatsachenbehauptungen argumentieren, die Ermittlung und Feststellung rechtserheblicher Tatsachen (§ 86 Abs 1 vierter Satz StPO) und die inhaltliche Prüfung des Einspruchsvorbringens durch das Oberlandesgericht Innsbruck aber unterblieben sind (vgl zur Sachverhaltsermittlung im Einspruchsverfahren § 106 Abs 3 dritter Satz und Abs 5 zweiter Satz, § 107 Abs 1 zweiter Satz und Abs 2 StPO).

Das Fehlen der Auseinandersetzung des Gerichts mit den aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen infolge seiner (zu) strengen Interpretation der Formerfordernisse eines Einspruchs wegen Rechtsverletzung und eine daraus allenfalls resultierende Verletzung des Rechts auf Zugang zu einem Gericht nach Art 6 Abs 1 MRK (vgl Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 57 mwN) haben die Antragsteller jedoch im – kein amtswegiges Vorgehen des Obersten Gerichtshofs vorsehenden – Erneuerungsverfahren nicht prozessförmig releviert.

Ebenso wenig haben sie mit Bestimmtheit eine Verletzung aus Art 8 MRK ableitbarer Gewährleistungs-pflichten bei der Verfahrensgestaltung durch das Oberlandesgericht vorgebracht ( Grabenwarter/Pabel EMRK 6 § 19 Rz 1 f und 10 ff sowie § 22 Rz 65; Meyer Ladewig EMRK 3 Art 8 Rz 124; vgl EGMR Urteil 21. 1. 2014, 34288/04, Ihsan Ay/Türkei [Z 39]).

Die Erneuerungsanträge waren daher in sinngemäßer Anwendung des Art 35 Abs 3 lit a MRK schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; vgl RIS Justiz RS0128394 [T1]).

Rechtssätze
4
  • RS0122737OGH Rechtssatz

    18. März 2024·3 Entscheidungen

    Bei einem nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf. Demgemäß gelten alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 Abs 1 und 2 MRK sinngemäß auch für derartige Anträge. So kann der Oberste Gerichtshof unter anderem erst nach Rechtswegausschöpfung angerufen werden. Hieraus folgt für die Fälle, in denen die verfassungskonforme Auslegung von Tatbeständen des materiellen Strafrechts in Rede steht, dass diese Problematik vor einem Erneuerungsantrag mit Rechts- oder Subsumtionsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 oder Z 10, § 468 Abs 1 Z 4, § 489 Abs 1 zweiter Satz StPO) geltend gemacht worden sein muss. Steht die Verfassungskonformität einer Norm als solche in Frage, hat der Angeklagte unter dem Aspekt der Rechtswegausschöpfung anlässlich der Urteilsanfechtung auf die Verfassungswidrigkeit des angewendeten Strafgesetzes hinzuweisen, um so das Rechtsmittelgericht zu einem Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG zu veranlassen. Wird der Rechtsweg im Sinn der dargelegten Kriterien ausgeschöpft, hat dies zur Folge, dass in Strafsachen, in denen der Oberste Gerichtshof in zweiter Instanz entschieden hat, dessen unmittelbarer (nicht auf eine Entscheidung des EGMR gegründeter) Anrufung mittels Erneuerungsantrags die Zulässigkeitsbeschränkung des Art 35 Abs 2 lit b erster Fall MRK entgegensteht, weil der Antrag solcherart „im wesentlichen" mit einer schon vorher vom Obersten Gerichtshof geprüften „Beschwerde" übereinstimmt.