JudikaturJustiz13Os95/03

13Os95/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Proksch als Schriftführer, in der Strafsache gegen Halim H***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau vom 12. Dezember 2002, GZ 16 Hv 1056/01z-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Halim H***** wurde (1.) des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und (2.) des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 25. Juli 1999 zwischen Hevlin und Hrabetice in Tschechien versucht,

1.) die Alena P***** mit Gewalt, indem er sie mit einer Hand von hinten festhielt und an sich drückte, sie mit der anderen Hand am Körper und an der Brust betastete, ihr die Unterhose wegzog und seinen Penis entblößte, zur Vornahme des Beischlafes zu nötigen;

2.) nach der zu Punkt 1.) angeführten Tat die Jana P***** durch die Äußerung "Du Hure, wenn du die Polizei rufst, bringe ich dich um", mithin durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Anzeige des zu Punkt 1.) genannten Sachverhaltes an die Sicherheitsbehörden, zu nötigen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch fehl geht. Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung des in Mazedonien lebenden Bruders des Angeklagten, Bejram H*****, der diesem angeblich verwechselbar ähnlich sehen soll, zum Beweis dafür, dass nicht der Angeklagte, sondern Bejram H***** am Tatort gewesen sei. Dazu bringt die Beschwerde vor, dass das Erstgericht den Beweisantrag in der Hauptverhandlung vom 12. Dezember 2002 mit der Begründung abgelehnt hätte, dass das Ersuchen um Zustellung einer Ladung an Bejram H***** bis zu diesem Tag ergebnislos geblieben sei, weshalb von einer Undurchführbarkeit der Ladung und somit auch der beantragten Beweisaufnahme auszugehen sei. Dem entgegen sei jedoch am 13. Dezember 2002, sohin am Tag nach der Hauptverhandlung, das Schreiben des Bundesministeriums für Justiz eingelangt, dem die Zustellung der Ladung an Bejram H***** am 27. September 2002 angeschlossen sei. Auf dieses Beschwerdevorbringen ist jedoch zufolge des im Nichtigkeitsverfahren bestehenden Neuerungsverbotes (Bezugnahme auf Verfahrensergebnisse nach der Hauptverhandlung) nicht einzugehen. Vielmehr ist auf die allein maßgebliche Prozesssituation zum Zeitpunkt als Zwischenerkenntnisses zu verweisen, wonach dieser Zeuge nicht stellig gemacht werden konnte. Darüber hinaus fehlt dem in der neudurchgeführten Hauptverhandlung gestellten Beweisantrag die angesichts der aktenkundigen Weigerung dieses Zeugen, eine Aussage (in Österreich) abzulegen (S 1 o iVm S 338), gebotene Konkretisierung, dass dieser Zeuge auf sein Entschlagungsrecht nach § 152 Abs 1 Z 1 und 2 StPO verzichten wird.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine Unvollständigkeit dadurch, dass vom Angeklagten eine Erklärung seines Bruders vom 30. April 2001 und auch ein die drei Brüder des Angeklagten sowie ihn selbst zeigendes Farbfoto vorgelegt worden sei, das Erstgericht jedoch diese Beweismittel unerörtert gelassen habe, obwohl sich bei entsprechender Berücksichtigung die Abwesenheit des Angeklagten vom Tatort ergeben hätte.

Dem ist zu entgegnen, dass die Tatrichter ohnedies auf die Problematik der Identifizierung eingegangen sind und beweiswürdigend - somit mit Mängelrüge aus dem vorgebrachten Grund nicht bekämpfbar - der persönlichen Gegenüberstellung eben höhere Bedeutung beigemessen haben als einer Lichtbilddiagnostizierung (US 6).

Die schriftliche Erklärung des Bejram H***** (S 237) zu erörtern war das Erstgericht mangels Erheblichkeit nicht verhalten: Darin wird bloß die Anwesenheit des Bejram H*****, nicht jedoch auch die Abwesenheit des Angeklagten von Tschechien zur Tatzeit angeführt. Die Mängelrüge zeigt somit keine unzureichende Begründung der Feststellung der Anwesenheit des Angeklagten am Tatort auf, sondern trachtet nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (und damit unzulässig), die tatrichterliche Beweiswürdigung in Zweifel zu ziehen, was schon der Hinweis auf den Grundsatz "in dubio pro reo" erkennen lässt. Gleiches gilt für die Bemängelung der Konstatierung des auf Durchführung eines Geschlechtsverkehrs gerichteten Vorsatzes des Angeklagten. Im Übrigen ist es entgegen der Beschwerdemeinung nicht erforderlich, dass die von den Tatrichtern gezogenen Schlüsse "zwangsläufig" sein müssen; es genügt, Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen, sofern diese auf formal einwandfrei Prämissen beruhen, logisch sind und nicht jeglicher Lebenserfahrung gänzlich widersprechen.

Für die nach § 288a StPO begehrte Verrichtung der Hauptverhandlung fehlt es an jeglicher Aktengrundlage.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Der Vollständigkeit halber ist zur inländischen Gerichtsbarkeit im vorliegenden Fall auf das Ersuchen der Bezirksstaatsanwaltschaft Znaim um Übernahme der Strafverfolgung (Art XV BGBl 1995/744 und Art 21 des Europäischen Abkommens über die gegenseitige Rechtshilfe in Strafsachen sowie § 241 des tschechischen Strafgesetzes [betreffend die Vergewaltigung] und § 65 Abs 1 Z 2 StGB, § 60 ARHG [s NRSp 1992/27] iVm § 235 des tschechischen Strafgesetzbuches [hinsichtlich der Nötigung]) zu verweisen.

Über die Berufung hat gemäß § 285i StPO das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.